Autor Thema: 2006-05-07 vienna city marathon - crow  (Gelesen 1705 mal)

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2006-05-07 vienna city marathon - crow
« am: 07.05.2006, 00:00:00 »
Datum: 2006-05-07
Event: vienna city marathon
Distanz: 42.195 km

Ersteller: crow

Offline crow

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2006-05-07 vienna city marathon - crow
« Antwort #1 am: 07.05.2006, 00:00:00 »
VCM 06 - Mein erster City Marathon

Tagwache war wie bei vielen anderen um 05:30, aufstehen kein Problem, munter werden und um 06:00 erstes Frühstück, alles vorbereiten und um 07:00 zweites Frühstück (ich experementiere immer mit der Wettkampfernährung), 07:30 voll adjustiert außer Haus (1030 Wien) und Aufbruch in Richtung Stefansplatz – locker laufend.

Treffen mit VCM-Forianern beim Anker um 07:45. Ich war wirklich positiv überrascht, wie viele „live“ Gesichter einer Onlineplattform präsent waren. Danach weiter zum 2. Treffpunkt in Kagran und ab zu den Startblöcken. Ein kurzes „Aufdieschulterklopf“ und los geht’s ins Gemenge, unglaublich, geschafft, ich stehe im A2 Startblock und warte auf den Startschuss. Letzte Kontrolle der 625 – passt – es kann los gehen.

Nach dem Start und den ersten Metern auf der Rechsbrücke meldete sich schon meine Sehenscheidenentzündung, egal, das wird ignoriert, jetzt genieße diese unglaubliche Atmosphäre, sagte ich zu mir, und versuchte, mein Tempo zu finden. Ich hatte mir Aufgrund meiner Verletzung folgende Strategie zurecht gelegt: 1. HM in 05:00 Schnitt – also 1:45 (sollte im GA Trainingstempo gehen Puls 150) um dann auf 04:45 oder sogar trainiertes MT 04:30 zu steigern.

Nun, auf der Lasallestrasse sah ich eigentlich das erste Mal richtig auf die 625 und glaubte meinen Augen nicht, 172 Puls und das bei lockerem Tempo, wie? -  die Uhr muss kaputt sein, was geschieht hier, dachte ich mir, und lief das Tempo aber weiter. Es kann ja auch die Wettkampfatmosphäre sein, die den Puls hebt – ein fataler Fehler, wie es sich später herausstellen sollte. Bei der Umrundung des Pratersterns überholte ich einen etwa 70jähringen Mann – auf gleicher Höhe fragte er laut „Is no weit?“, ich sah zurück, er sah mich an und wir lachten beide, ich konnte mich vor lachen kaum aufrecht halten – gut, weiter – die Hauptallee war für mich kein Problem, ja, etwas enger aber OK – ein Freund und sehr erfahrener Läufer sagte mich einmal, versuche jede Kurve zu schneiden, das summiert sich ungemein, gesagt getan dachte ich mir, allerdings stellte sich der Seitenwechsel auf der Hauptallee eher als Hindernislauf heraus.

Eigentlich bin ich der Typ, der glaubt nichts trinken zu müssen, aber auch das versuche ich bei dem „Erfahrungslauf“ zu ändern – also kurz noch einen Becher Wasser geschnappt – verschüttet – der Wille war da  und weiter. Am Ring angekommen, mittlerweile mit Puls 175(~90%Max Puls !!), der nächste Niederschlag – ich muss pinkeln, das gibt’s doch nicht, schrie ich in mich hinein, OK – nutzt alles nichts, Radar ausgefahren und während ich versuche niemanden der anderen Läufer auf die Füße zu steigen, werden passende Bäume mit wenig Passanten im unmittelbaren Umfeld gescannt. Gut, erledigt und 30 sec verloren, kein Problem, ich fühle mich noch immer gut, abgesehen von den starken Schmerzen, und laufe mein Tempo, habe einen Schnitt von 04:50 bis jetzt – Auf der Wienzeile erhöhte sich der Puls auf 182 – und das bei einem 04:50 Schnitt!, langsam beginne ich mir Sorgen zu machen, er hätte schon längst runter gehen sollen.

Bei der nächsten Labstation sollte mein erstes eigenes Getränk stehen – und – hier ist es, ich bin begeistert und laufe weiter. Ich beschließe, die Mariahilferstrasse hinunter mein Tempo nicht zu erhöhen, sondern meinen Puls runter zu bekommen, wieder am Ring angekommen, schließe ich dieses Vorhaben als misslungen ab. Die HM Schwelle naht und ich höre kurz in mich hinein – machma den ganzen? Haltest Du die Schmerzen und den hohen Puls noch weitere 21Km aus? – aber sicher schaffma das und da war die Kurve zum Heldenplatz auch schon vorbei. – Ich schaute noch mal durch das Burgtor und sagte mir – I’ll be back und lief voller Zuversicht mit einem etwas erhöhten Tempo weiter. Nach 2 KM im 04:30 Tempo sagte ich mir dann, das wird heute leider nichts mit diesem Tempo und schraubte es wieder zurück auf 04:50/05:00.

 Am Schüttel merkte ich dann, das ich nicht mal mehr das 05:00min Tempo halten konnte, die Schmerzen wurden langsam aber doch unerträglich. Bei der 30iger Labstation in der Rustenschacherallee musste ich dann meine Eigenverpflegung fast 30sec lang suchen, ein Chaos – aber weiter. Komischerweise bekam ich jetzt auch noch Seitenstechen und kurz später die ersten Anzeichen von schweren Muskeln. Hauptallee Richtung Lusthaus wurde mir dann schnell klar, der hohe Puls war nicht nur wegen der Wettkampf Atmosphäre, sonder musste andere Ursachen haben. Der Kampf möge beginnen, das Streitgespräch mit meinem inneren Schweinehund konnten sogar die Läufer neben mir mithören – OK – Lusthaus und dann geht es nur noch nach Hause dachte ich mir.

Bei KM35 traf dann das ein, was ich mir nie hätte denken können, ich muss gehen, einerseits wegen der hohen Schmerzbelastung seit dem Start, andererseits wegen der Milch in den Muskeln, ich hätte weinen können. Ich gehe zur Labstation, ignoriere meine Eigenverpflegung um meinen Magen zu beruhigen, trinke einen Becher Wasser gemütlich und esse eine Banane. Das aus meiner Sicht so leicht zu schaffende Ziel bei diesem Marathon Erfahrung zu sammeln und verletzt wenigstens unter 03:30 zu laufen ist gestorben. Jetzt geht es nur noch, irgendwie ins Ziel zu kommen. Nach einer Gehminute laufe ich langsam weiter, ich versuche zumindest einen 05:25 Schnitt zu laufen, ich werde nun vermehrt von den anderen überholt, was sich natürlich nicht gerade positiv auf meinen Gemütszustand auswirkte.

Ich muss noch einmal gehen, nur 30sec aber ich muss, haderte ich mit mir. Auch ein zurufen eines Zuschauers, „Oida, za an, host eh nur noch 6km, kum, geh, sei ka vaserl“ konnte mich nicht mehr beflügeln. Ich sah auf die Uhr und nach 45sec lief ich weiter. Nun kamen mir die etwas langsameren Läufer entgegen, und ich machte mir Sorgen, das ich diese vielleicht noch einmal sehen werde. Franzensbrücke, hier steht ein kleiner persönlicher Fanclub, also, schneller Schritt und lächeln – kaum aus der Sichtweite der Familie – ein weiterer Einbruch, ich schaffe es aber zur 40iger Labstation, schnell meine Eigenverpflegung im gehendem Zustand reingeworfen, und weiter Richtung Ring. Nach 300m musste ich noch einmal eine 30sec Gehpause einlegen mit der Gewissheit, das es die letzte sein sollte, denn ein gehen vor den Zuschauermengen kann ich mir nicht erlauben – es wäre mir peinlich. Also, noch einmal durchatmen, KM41, komm Andy, komm, zieh den letzten KM noch durch, etwa 6min noch, los. Ich kämpfe und bin am Ende, meine Schmerzen bringen mich um und die Milch in den Muskeln muss schon zur Butter geworden sein. So fühlte ich mich auch, wie ein Würfel Butter, der langsam zergeht.

OK, da ist Sie, die Kurve zum Burgtor, Jawohl!, die Zuschauer - ein Wahnsinn, diese Begeisterung, dieses Gefühl, die Schmerzen sind weg, los los los, in der Kurve steht meine Lebensgefährtin mit Tochter und Freunden und rufen mir zu, ich winke, sehe das Ziel  - geschafft. In 03:37 habe ich wirklich eine Erfahrung mehr gemacht. „Der Schmerz geht, der Stolz bleibt, mein Lieblingszitat, brauchte heute einige Zeit, es in die Tat umzusetzen, der Schmerz wollte einfach nicht gehen 

Resumée:
Ich habe die letzten Tage mit einigen Ärzten und Läufern gesprochen,
der Grund für den zu hohen Puls war das fast 3 wöchige Einnehmen von starken Medikameten. Ich habe erst am Samstag vor dem Marathon damit aufgehört, da ich mit einem OK vom VCM-Medical-Center nicht gerechnet hätte.

Es war die Sache auf alle Fälle wert, es war mein erster City Marathon und die Stimmung war genial und es war gut, die Strecke kennen zu lernen. Vielen Dank auch an das Forumteam und das „Hinbringerservice“. Ich wäre nie Kagran ausgestiegen . Es war echt lässig, euch mal live zu sehen.

LG
Andy
LG Andy
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The impossible is often the untried.[/u]

 

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