Autor Thema: 2006-05-07 vienna city marathon - bourbon  (Gelesen 1167 mal)

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2006-05-07 vienna city marathon - bourbon
« am: 07.05.2006, 00:00:00 »
Datum: 2006-05-07
Event: vienna city marathon
Distanz: 42.195 km

Ersteller: bourbon

Offline bourbon

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2006-05-07 vienna city marathon - bourbon
« Antwort #1 am: 07.05.2006, 00:00:00 »
Mission to Marathon

Der Marathon (mein erster und vermutlich einziger) war meinem Vater gewidmet – warum steht im Bericht.

Danke an meine Frau, die mich die letzten 13 Monate toleriert hat und meine Trainingsexzesse (zähneknirschend) akzeptiert hat.

An Dich Sabine auf diesem Weg nochmals „Alles Gute zu Deinem heutigen Geburtstag bzw. zu der eben jetzigen Geburtsminute“.
Ich habe mir mit dem marathon einen langjährigen Traum bzw. Wunsch erfüllt Die nächsten Jahre bin ich wieder vermehrt für Dich da.

Danke an alle Forianer, die mit Rat, Tat und Trainingsunterstützung zur Seite gestanden sind und den langen Winter subjektiv kürzer erscheinen liessen.

Danke nochmals an Sabine, meine Mutter und Otto, meinem Bruder und Andrea für die Anfeuerungen und die geglückten Gelübergaben auf der Strecke bei den KM 21, 26, 31 und 37.

Ohne Euch alle wäre der marathon sicherlich nicht ein so tolles Erlebnis bzw. eine derartige Grenzerfahrung geworden. Wer weiß, ob ich sonst überhaupt ins Ziel gekommen wäre.

Anlässlich dieses Ereignisses habe ich mir erlaubt ein nicht unbekanntes Lied („Die Eine“ von „Die Firma“) etwas umzudichten. Originaltext kann zum vergleichen bzw. falls jemand das Lied nicht erkennt gerne bei mir per Mail oder über PN angefordert werden.

Ich habe meine Gefühle der letzten Jahre in diesem Liedtext verarbeitet und auch im marathonbericht niedergeschrieben. So bin ich einfach. Ich drücke Gefühle gerne durch Texte, niedergeschriebene Gedanken oder Gedichte aus.





Yeah, es war immer nur der Eine.97 , 2006.

Ich hab tausend Wünsche, doch nicht einen so intensiv wie diesen.
Training war hart, aber es gabst mir Vertrauen in die Triebe. (ja)
Und ich weiß noch genau, ich hab mich selbst gefragt:
tom, warum tust du das? Dann hab ich mir gesagt:
Ich bin neu in dem Sport, ich bin noch nicht vergeben.
Dann hab ich es probiert und wollt nicht ohne ihn leben.
Hört ihr das Auftreten der Füße nicht? Es ist ein Spielchen,
es war Liebe auf den ersten Schritt, du bist mein Märchen.
Bis zum marathon waren es schwere Wochen,
aber jedes neue Training hab ich mehr genossen,
bis es unter die Haut ging, das Gefühl, so intensiv und so tief.
Mein marathonfinish wurde realistischer während ich lief,
als ich das erste Mal gesagt hab, „das mach ich“,(boah)
konnt ich mir vorstellen, wie der Zieleinlauf ist.
Egal was für ´ne Qual, was für Schmerzen, welche Peine,
Freunde, ich wusste, es wird der VCM oder keiner.

Der Eine, der Eine oder Keiner
für keinen anderen Wunsch lauf ich mir die Füße wund.
und kein anderer Traum bedeutet mir so viel.
Jetzt hab ich es geschafft und bin endlich im Ziel.

3 Monate Training und ich lief das erste mal 2 Stunden.
danach hab ich mich in ner anderen Welt wieder gefunden.
Ich wollte mehr und lief auch manchmal über Stufen.
Hin und wieder war das Training auch zum fluchen.
Aber trotzdem, nix geht über diesen Weg.
Ich wusste, es wird hart, dachte jedoch es geht.
Und jeder Zyklus, der hat Höhen und Tiefen,
dadurch lies ich mir das Training nicht vermiesen.
Ich hab weiter trainiert und wollte es schaffen,
dachte mir dabei „es wäre doch zum lachen“,
wenn du das nicht schaffst und aufgibst, das konnte es nicht sein.
Dadurch steigerte ich mich umso mehr rein.
Aber was macht das, wenn man endlich vollbracht hat,
was man seit 9 Jahren tun will und nie gestartet hat, yeah.
Finish auf dem Heldenplatz, danach so stolz und zufrieden,
jetzt weiß ich es wirklich, ich hab´s mir bewiesen.
Und weil ich endlich fertig bin, jetzt nicht mehr viel renne,
und endlich aufhören kann mit dem Trainingsgeflenne,
weiß ich jetzt, ich widme mich anderen Träumen,
ich hab´s geschafft, ich werd´s nicht mehr versäumen

Der Eine, der Eine oder Keiner
für keinen anderen Wunsch lauf ich mir die Füße wund.
und kein anderer Traum bedeutet mir so viel.
Jetzt hab ich es geschafft und bin endlich im Ziel.





Und nun zum eigentlichen Laufbericht

Meine selbsternannte „mission to marathon“ begann am 25.01.1997.
An diesem für mich heute noch rabenschwarzen Tag starb mein Vater im Alter von 54 Jahren an einem Gehirntumor.
Mein Vater, mit dem ich aufgrund seines Berufes nicht allzu viel Zeit verbringen konnte.
Er war selbständiger Einzelhandelskaufmann (Kaffeeröster – von denen es zu diesem Zeitpunkt nur noch 2 in Wien gab). Da er keine Angestellten hatte, musste er vom Einkauf über Verkauf, Buchhaltung, Kaffee rösten, … alles selbst erledigen.
Das einzige, das mich wirklich eng mit ihm verband und auch heute noch verbindet ist der Laufsport.
Ich bin als Kind (im Alter von 7-14 Jahre) einige Wettkämpfe gelaufen, an denen er auch teilgenommen hat – trainiert habe ich damals schon nicht gerne. So konnten wir wenigstens etwas Zeit miteinander verbringen – das hat mir damals auch genügt.

Interessanter Zufall am Rande: mein Vater hatte am 15.9.42 Geburtstag – genau die Zahlen aus denen man auch die marathondistanz (42,195 KM bilden kann *gg*).
Er lief damals selbst einige marathons in Wien mit einer PB von 3:03.

Als er starb, legte ich wohl unbewusst ein Gelübde ab, indem ich mir selbst schwor irgendwann mal einen marathon zu absolvieren.

Im August 1996 – 5 Monate vor seinem tod – begann ich gerade mit dem Billardspielen (inkl. Meisterschaften, Turniere, ….). Da ich selbst nun nicht der Mensch bin, der begonnene Aktivitäten halbherzig betreibt (für mich gibt’s nur ganz oder gar nicht) bzw. gesteckte Ziele wieder fallen lässt und auch die Zeit noch nicht wirklich drängte (ich war damals gerade 22 Jahre jung), entschied ich mich, beim Billardspielen zu bleiben und die „mission to marathon“ um ein paar Jahre zu verschieben.

Wie sich herausstellte, war das wohl auch die richtige Entscheidung, denn hätte ich
mich damals anders entschieden, hätte ich Sabine (meine Frau) wohl nie kennengelernt. Sie kam am 29. Mai 1997 das erste Mal in den Billardklub um neue Bekanntschaften zu schließen – hat wohl funktioniert *gg*. 4 Jahre und einige Billardmeisterschaften und –turniere später haben wir dann am 31.Mai 2001 geheiratet.

Abgesehen davon hat mich dieser Sport immer mehr und mehr vom Verlust meines Vaters abgelenkt bzw. hat mich diesen in den Phasen der Konzentration beim Spiel kurzfristig vergessen lassen.

Im Laufe der Jahre habe ich die mir selbst gesteckten Ziele (Turniersieg, Meistertitel, Gewinn der Klubmeisterschaft) erreicht und somit war es an der Zeit, mich neuen bzw. schon länger gesteckten Zielen zu widmen.

Im Juni 2004 beschloss ich, die folgende Billardsaison als Ausklang zu sehen, meine ehrenamtlichen Funktionen als Kassier im Klub und im Österreichischen Poolbillardverband zurückzulegen um im April 2005 (ja, so langfristig) mit dem Lauftraining zu beginnen.

Gesagt – getan. Am 3. April absolvierte ich meinen ersten Laufversuch nach 17 Jahren Laufpause mit dem Ziel am 7.5.2006 den VCM (hoffentlich erfolgreich) zu absolvieren.
Ich wusste, dass der Weg steinig werden würde und einige Hindernisse (Verletzungen, Lustlosigkeit, ….) auftauchen würden.
Dieser erste Laufversuch dauerte genau 5 Minuten und 19 Sekunden. Ein ganzer KM war im Wiener Prater (übrigens war das auch in den 80er-Jahren die Trainingsstrecke meines Vaters) absolviert und ich fuhr wieder heim. Ich hatte mir nicht erwartet, dass es wesentlich mehr werden würde, abgesehen davon hab ich den klassischen Anfängerfehler gemacht und bin natürlich viel zu schnell gelaufen. Tempogefühl hat damals einfach gefehlt – woher sollte es auch kommen?

Im Laufe der nächsten Wochen steigerte ich mein Trainingspensum durch Konsequenz, starken Willen und Durchhaltevermögen, so dass ich am 25. Juni 2005 das erste Mal 2 Stunden ohne Pause durchgelaufen bin. Ich habe mir damals an meinem eigenen Geburtstag das zu diesem Zeitpunkt wohl größte Geschenk selbst gemacht. Der Lauf war relativ locker und selbst einige Telefonate mit Geburtstagswünschen konnten ihn nicht unterbrechen.

Am 18. September 2005 lief ich dann meinen ersten Halbmarathon. Somit war der nächste Schritt auf meiner „mission to marathon“ getan. Ziel war zwar unter 2 Stunden zu bleiben, ich war mit den erreichten 2:05:39 aufgrund vorangehender Verletzung allerdings mehr als zufrieden. Ich war damals so was von stolz, diese Distanz bewältigt zu haben. Ich wusste damals, dass ich genau auf dem für mich richtigen Weg war und mit Konsequenz und beinhartem Training im Winter (davor hatte ich eigentlich Angst, denn ich befürchtete immer, dass der Schlendrian einreissen könnte), meinem Ziel (7.5.2006) mir Riesenschritten näherte.
Am 30. Oktober 2005 viel dann beim LCC-Herbstmarathon auch die 2 Stunden-Grenze.

Das Training im Winter (eigentlich von Juli 2005 an ohne Pause 4x pro Woche) war hart. Es gab dazwischen einige Phasen, wo ich (meistens aufgrund des Wetters) einfach nicht wollte, bin aber umso stolzer, das Training trotzdem durchgezogen zu haben. So habe ich zur Regeneration eigentlich nur 2 ½ Wochen Verletzungspausen gehabt, die ich dafür umso mehr genießen hab können.

Am 6.5.2006 begann mit dem Weg zur Startnummernabholung mein persönlicher marathon. Startnummer 1509 (Geburtsdatum meines Vaters) geholt und die Kaiserschmarrnparty – mit Fredmans Luftballon *gg* genossen.
Am 7.5.2006 war es dann so weit. Ich war am Ziel meiner persönlichen mission angekommen und musste mir „nur“ noch die Krone aufsetzen und den marathon selbst absolvieren.

Tagwache war um 5:30 Uhr. Quietschvergnügt hab ich als allererstes den PC aufgedreht um im leider noch immer nicht richtig funktionierenden Forum nach Leidensgenossen Ausschau zu halten. Leider niemanden gefunden, da ich mich offenbar in anderen Sphären (*g*) bewegt habe. Kurzes SMS an Jean-Marie und schon haben wir telefoniert – eigentlich pervers um diese Uhrzeit, aber was war an diesem Tag schon normal.
Danach gemütlich gefrühstückt und immer noch frohen Mutes um 7:15 Uhr auf den Weg zum Treffpunkt am Stephansplatz gemacht. Dort angekommen warteten auch schon einige andere Forianer um danach zum zweiten Treffpunkt beim Donauzentrum zu fahren.
Dort angekommen fiel mir zum ersten Mal auf, wie groß unser Haufen in Wirklichkeit ist. Sonst bekommt man immer nur nebenbei ein paar Postings mit und vergisst eigentlich, wie viele Leute sich an den Diskussionen beteiligen.

Die folgenden Minuten bis zum Start (Kleiderabgabe, Blase entleeren, ….) vergingen für mich eigentlich recht schnell, so dass für Nervosität eigentlich keine Zeit war. Ich war auch relativ ruhig und freute mich auf den Startschuss, den ich leider nicht gehört habe.

Um 9:06 Uhr war es endlich so weit. Ich überquerte gemeinsam mit elquallo und Julie83 als 5403 Läufer die Startlinie. Eigentlich wollten wir zu dritt laufen, aber elquallo war Julia und mir schon bald in der Menge enteilt.

Rauf ging es auf die Reichsbrücke. Vollgestopft mit Leuten und keinerlei Platz zum überholen. Mein erster Gedanke „Zum Glück, dann kannst gerade am Anfang wenigstens nicht zu schnell laufen“.
Am Praterstern dann mara_thoni überholt (der wird im Verlauf des Berichts noch wichtig für mein persönliches Vorankommen.
Rein in das Nadelöhr Hauptallee und immer noch war Überholen fast ein Ding der Unmöglichkeit.
Erste Verpflegestelle. Ich denk mir „bleib in der Mitte, weil auf der Seite drängt sich eh alles. Verpflegung brauchst nicht, weil Wasserflasche hast eh noch dabei“. Bin in der Mitte geblieben und konnte allerdings aufgrund des großen Gedränges nicht laufen und musste gehen. Endlich an der Verpflegestelle vorbei zu KM 5.
Zwischenzeit 29:18. Schnitt 5:51 min/km. Platz 5100.
Somit schon jetzt fast 2 Minuten über der veranschlagten Sollzeit.
Erstmals kam in mir das Gefühl auf, dass ich mich an diesem Tag nicht besonders wohl fühlte. Ich hatte nach wie vor gute Laune, aber irgendwie sagte mein Körper, dass er nicht so wollte wie ich. Ob es an der Saltin-Diät gelegen ist oder nicht, werde ich wohl nie herausfinden, ist im Nachhinein betrachtet aber auch ziemlich egal.

Bis KM 10 ging es ein bisschen besser, allerdings gab es immer noch starkes Gedränge.
Zwischenzeit 57:14. Schnitt 5:43. Platz 4645.
Bei dieser Zwischenzeit dachte ich mir „gut fühl ich mich immer noch nicht, aber die Zeiten werden besser. Mal schauen was geht“.

Auf der Wienzeile kam dann mein erster großer Einbruch. Meine Beine wurden plötzlich schwer, so als wäre ich bereits 35km gelaufen. Beim Einlauf zum Naschmarkt gab es einen fürchterlichen Stich in meinem rechten Knie. Einen weiteren 200m später und einen dritten am Ende vom Naschmarkt. Ich dachte kurzfristig daran, dass ich – wenn die Schmerzen stärker werden – beim Halbmarathon ins Ziel laufe. Eigentlich hatte ich dafür nicht 13 Monate trainiert, aber meine Gesundheit wollte ich nicht aufs Spiel setzen. 2 KM später dachte ich über die Stiche im Knie nochmals nach. Die 3 Punkte – wo ich die Stiche bekommen habe – waren ziemlich markant. Mein Vater hatte am Naschmarkt ein Geschäft und die Stiche 1 und 3 am Anfang und Ende des Naschmarktes und den zweite Stich - direkt auf Höhe des Geschäftes – wertete ich im Nachhinein als persönliche Begrüßung meines Vaters, der mir offenbar ein Zeichen schicken wollte, dass er bei mir ist, stolz ist und mich bei diesem marathon unterstützt.
Den Zeitschnitt konnte ich halten. Somit ergab sich bei KM 15 folgendes:
Zwischenzeit 1:26:07. Schnitt 5:44. Platz 4578.
Gut ging es mir allerdings nach wie vor nicht. Zu diesem Zeitpunkt verabschiedete ich mich von meinem Optimalziel sub 4 und wollte einfach nur den marathon beenden. Zeit egal – Hauptsache ins Ziel.

Eigentlich wollte ich Julie83 zu einer HM-Zeit von unter 2 Stunden ziehen, aber offenbar habe ich mich an diesem Tag mehr als Hindernis erwiesen. Ich sagte Ihr ca. bei KM 15 wie es um unsere Zwischenzeit steht und sie Tempo machen muss, wenn sie das Ziel Sub 2 erreichen will. So zog sie ca. bei KM 17 davon und kam in hervorragenden 2:00:52. Beim nächsten Mal steht sicher der 1er vorne 

Ich selbst freute mich auf das Bergab-Teilstück und erhoffte mir dabei Erholung und neue Kraft. Auch wusste ich, dass bei KM 21 mein Bruder mit dem ersten Gel auf mich wartete.
Split bei KM 21
Zeit 2:03:16, Schnitt 5:52, also trotz Bergabstück langsamer. Platz 4510.
Erster kurzer Stopp und Gel eingeworfen. Ich hab mich schon so was von schlecht gefühlt, da ich keinerlei Kraft in den Beinen hatte. Sonst ging es mir körperlich eigentlich ganz gut, aber genau die für den marathon so unwichtigen Füße wollten mir an diesem Tag offenbar einen Strich durch die Rechnung machen. Stich im Knie kam allerdings seit dem Naschmarkt keiner mehr und so entschied ich mich weiterzulaufen.

Bis KM 25 wurde es nicht wirklich besser und auch die Zeiten blieben nur knapp unter 6:00 – von den veranschlagten 5:30 war also keine Rede.
Zeit 2:26:29, Schnitt 5:51, Platz 4448 – bis dahin fast nur Platzverbesserungen, wobei ich subjektiv gesehen mehr überholt wurde als ich selbst Leute überholte (vielleicht sind auch einige ausgestiegen und deshalb wurde meine Platzierung besser?!?!?)

Bei KM 26 wartete meine Frau mit dem zweiten Gel, das ich auch schon bitter nötig hatte. Ein paar Schritte ging sie mit mir und schon lief ich wieder weiter.
Aber nicht mehr lange. Bei KM 28 kam mein zweiter großer Einbruch und ich war nicht mehr fähig weiterzulaufen. Mitgewirkt hat dabei offenbar auch, dass mir die 3-Stunden-Läufer entgegenkamen, die doch schon 10 KM weiter waren als ich selbst.
Ich ergab mich der Forderungen meines Körpers und ging ein Stück. Ich überlegte kurz, ob ich mir die nächsten 14 KM antun sollte oder nicht. Aufgeben wollte ich allerdings nicht, dafür hatte ich nicht 13 Monate trainiert und geschuftet.
Bei KM 29 ging es mir wieder etwas besser, offenbar, weil wir abgebogen waren und keine Läufer mehr entgegen kamen. Obwohl ich weiterlief wurde ich von einigen Läufern (unter anderem elisabeth, bichler, resi, walter und roland) überholt.
Bei KM 30 änderte sich mein Zustand wieder rasch ins Gegenteil.
Zeit: 3:00:09, Schnitt 6:00, Platz 4523

Ab diesem Zeitpunkt begannen meine Qualen erst wirklich. Alles was davor war, war harmlos. Ich schaffte es nicht mehr 500m durchgehend zu laufen und legte immer wieder Gehpausen ein. Meine Beine waren so was von schwer, allerdings – und das war mein großer Vorteil – mein Wille durchzuhalten war nach wie vor ungebrochen. Mental war ich also nicht schlecht drauf und bis auf den ausgegangenen Saft in den Beinen ging es mir eigentlich sehr gut.
Bei KM 31 warteten meine Mutter und Ihr Lebensgefährte mit dem 3ten Gel. Leider brachte das nicht wirklich die erhoffte Wirkung und ich quälte mich durch den Prater, der mehr wie ein langer dunkler Tunnel vorkam (vermutlich aufgrund der Plütenpracht der Bäume) als wie meine Trainingsstrecke.
Immer wieder Gehpausen – laufen – gehen – laufen – gehen.
Kurz nach dem Lusthaus kam mir mara_thoni entgegen. Er hatte ca. 400m Rückstand. Ich ging viel und wunderte mich, dass er mich nicht einholte. Kurz vor KM 35 warf ich 2 Traubenzucker ein und trank bei der Verpflegestelle Wasser und Cola, in der Hoffnung vielleicht doch noch einen Schub zu bekommen.
Zeit bei KM 35 3:40:24, Schnitt 6:18, Platz 4786.

Kurz nach KM 35 holte mich mara_thoni (toni) dann ein und ich lief zum ersten Mal seit langem wieder einen ganzen KM und den mit ihm gemeinsam. Ich musste ihn allerdings wieder ziehen lassen, da ich einfach nicht mehr konnte – obwohl ich nach wie vor wollte.
Zu dem Zeitpunkt war mir die Endzeit so was von egal. Ich wollte einfach nur mehr ins Ziel und es waren auch nur noch 6 KM.
Bei KM 37 standen dann nochmals mein Bruder mit seiner Freundin um mich mit Wasser zu versorgen.
Bei KM 38 bekam ich dann einen nicht mehr erwarteten Energieschub und ich holte wieder Meter um Meter auf toni auf. Aus dem Blickfeld ist er mir nie ganz verschwunden, da es auch ihm nicht mehr wirklich gut ging.
Ich holte ihn ein und lief an ihm vorbei. Diesmal feuerte ich ihn an, was er schon zuvor bei mir getan hatte. Zirka 2 KM hielt ich durch und knapp vor KM 40 überholte ich Roland wieder, der auch schon sehr gezeichnet aussah und stark zu kämpfen hatte.
Dann kam wieder ein kurzer Einbruch und bei KM 40 war toni wieder neben mir.
Zeit 4:15:27, Schnitt 6:23, Platz 4773

Ganz kurz (für ca. 2 Sekunden) überlegte ich, ob ich jetzt den Versuch sub 4:30 wagen sollte. Aber eigentlich war mir die Zeit immer noch extrem egal. Hauptsache die mission to marathon wird erfüllt. Wen kümmert es nachher, ob ich 4:29 oder 4:35 gelaufen bin? Eigentlich niemanden außer eventuell mich selbst und so beschloss ich, einfach so weit wie möglich zu genießen.
toni und ich unterhielten uns und wir sagten, dass wir gemeinsam durchs Ziel laufen wollten. Das hatte er mir 5 Wochen davor beim Wien Energie Halbmarathon auch versprochen, aber da legte er dann auf einmal einen Zielsprint hin und lies mich stehen 
Auf den letzten beiden KMs ging es mal ihm besser, mal war ich schneller drauf, aber wir wichen nicht mehr von der Seite des anderen und legten Meter um Meter gemeinsam zurück.
Kurz vor dem Ziel sah ich noch Jean-Marie und meinen Bruder, die uns auf den letzten Metern nochmals anfeuerten.
Wir erreichten schließlich in 4:32:27 Arm-in-Arm das Ziel und waren einfach nur glücklich die Herausforderung marathon bestanden zu haben (für toni war es allerdings nicht der erste marathon).

Vom Zieleinlauf selbst hatte ich mir mehr Gefühlsausbrüche von mir selbst erwartet. Die kamen einfach nicht. Auch habe ich die letzten 2 KM nicht wirklich wahrgenommen. Wahrscheinlich war ich einfach nur K.O.

Der Moment in dem mir die Medaille (da gab es zum Glück noch welche) umgehängt wurde, war dann wohl der emotionalste Moment an dem Tag. Ich bekam einen Weinkrampf und konnte meine Glücksgefühle nicht mehr unterdrücken – wozu auch. Die Leistung einen marathon vollbracht zu haben schaffen nicht viele Menschen.
Mir steigen auch jetzt noch die Tränen in die Augen, wenn ich an diesen Moment zurückdenke bzw. darüber schreibe.

Im Ziel selbst war dann meine Frau die erste, die ich wieder gesehen habe. Auch ein wirklich emotionaler Moment für mich.
Hab ich schon erwähnt, dass ich einfach nur glücklich war. Ich hatte es tatsächlich geschafft.
13 Monate Training (mir wurde immer wieder gesagt, dass man zumindest 2 Jahre benötigt um einen marathon zu schaffen – pah, wäre doch gelacht) und eiserner Wille haben mich an mein langersehntes Ziel geführt. Endlich habe ich meine persönliche Reifeprüfung bestanden. Ich habe Grenzen erreicht und überwunden, die ich vorher nicht gekannt habe. Niemals habe ich aufgegeben und habe immer an mich geglaubt. Ich habe es GESCHAFFT!!!!!!!


Nach einer Massage im Ziel ging es dann gemeinsam mit meiner Frau heim (von Mutter und Bruder samt Anhängen hatten wir uns bereits verabschiedet).
Zu Hause angekommen gab es dann nochmals einen sehr emotionalen Moment für mich.
Auf der Couch stand eine „kleine“ Trophäe (siehe Bild).
Die hat mir meine Frau geschenkt, weil sie so stolz auf mich war, dass ich den marathon geschafft habe – zum Glück habe ich nicht aufgegeben  Wer weiß, ob sie die Trophäe sonst nicht versteckt hätte.
Diese Trophäe und die marathonmedaille werden in unserer Pokalvitrine (und in meinem Herzen sowieso) immer einen Ehrenplatz haben.

Schöner kann eigentlich nur noch die Geburt eines vielleicht in den nächsten Jahren auf die Welt kommenden, eigenen Kindes sein.

Somit hab ich Euch eigentlich fast alles gesagt. 2 Kleinigkeiten fehlen allerdings noch.

P.S.1: Das ist mein 400. Posting und damit oute ich mich öffentlich zum Addict

P.S.2: Die „mission to marathon“ ist hiermit beendet. Jetzt beginnt die „mission to Triathlon“ (10. Juni und 25. Juni – wieder ein Geburtstagsgeschenk an mich selbst *gg*)
Wer nur mit dem Verstand lebt, hat das Leben nicht verstanden (Gerd Uhlenbruck)

Offline johnlennon

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2006-05-07 vienna city marathon - bourbon
« Antwort #2 am: 22.11.2006, 22:04:49 »
ein unglaublich schöner und emotionaler bericht, bei dem man von beginn an mitzittert und bei deinem zieleinlauf auch die eine oder andere träne mit dir gemeinsam zerdrückt.

 

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