Autor Thema: 2009-09-20 Wachauhalbmarathon - pankreas  (Gelesen 1006 mal)

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2009-09-20 Wachauhalbmarathon - pankreas
« am: 20.09.2009, 00:00:00 »
Datum: 2009-09-20
Event: Wachauhalbmarathon
Distanz: 21.097 km

Ersteller: pankreas

Offline pankreas

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2009-09-20 Wachauhalbmarathon - pankreas
« Antwort #1 am: 20.09.2009, 00:00:00 »
simply perfect

Ohne Zweifel war es der schönste Lauf in meinem bisherigen Läuferleben. Drei Dinge müssen passen für den perfekten Wettkampflauf: körperliche Verfassung, Laufstrecke/Organisation und Wetter. Heute gab es volle Punkte in allen drei Disziplinen. So zwischen 14 und 16 Grad mochte es gehabt haben und der Himmel war grau in grau, niemals blinzelte die Sonne direkt durch die Wolkendecke. So sah man zwar nicht viel von den Schönheiten der Wachau, doch körperliche Höchstleistungen vollbringt man leichter ohne direkte Sonneneinstrahlung. Wind gab es so gut wie keinen.

Die Strecke an sich gilt als High-Speed-HM-Strecke, nur sehr unmerklich wahrnehmbare Höhenunterschiede, immer eben quasi und Asphalt durchgehend. Wirklich beeindruckend ist die Organisation. Schon bei der Anmeldung lief alles wie am Schnürchen und heute morgens als ich mit dem Auto in Krems angekommen war, relativ spät sogar, fand ich sofort zum Parkhaus nächst des Bahnhofs, wo ich auch gleich einen Platz fand, Gratisparkplatz noch dazu. Wie am Schnürchen klappte alles Weitere. Busse brachten uns HM-Läuferinnern und –Läufer nach Spitz zum Start. Insgesamt waren 20 Busse im Einsatz.

In Spitz warteten andere Busse auf die Abgabe der Kleidersäcke. Wieder alles klar durchüberlegt. Mein Sackerl fand ich dann sofort auch wieder als ich mich vom Ziel auf den Weg zum Parkhaus machte. Straßensperren perfekt, Verpflegungsstationen gut angebracht und strukturiert. Kurzum: es war für uns Teilnehmerinnen und Teilnehmer an alles gedacht und wir fanden uns schnell zurecht. Keine Unklarheiten, keine Chaos. Vorbildlich!

Wenn ich vom perfekten und schönsten Lauf spreche, so hat dies in erster Linie mit mir selbst zu tun, meiner Vorbereitung, meinen Gedanken, meinen Eindrücke und meiner Laufbewegung. Drei Ziele hatte ich und alle drei erreichte ich.

Erstes Ziel: Ein Muss-Ziel war es, persönliche Bestzeit zu laufen. Dies nicht zu erreichen war fast unmöglich. Meinen bisher einzigen HM lief ich nach nur 200 km Lauftrainings im Jänner mit 01:45:27. Seither lief ich über 1.000 km und einmal im Training dieselbe Zeit mit mittlerem Puls.

Zweites Ziel: laut meiner Berechnungen und Schätzungen, angelehnt an Jack Daniels war mein Ziel eine Zeit von unter 01:38:00, müsste drinnen sein, aber keineswegs so locker nebenher wie die PB. Da die Kluft zwischen PB und dieser Wunsch-Mindestzeit doch groß ist, war ich recht gespannt auf den Ausgang des heutigen Rennens. 01:36:41, um es gleich einmal zu erwähnen.

Drittes Ziel: ich wollte unter die ersten 500 kommen, damit ich im Internet bei Pentek noch auf der ersten Seite bin, wenn man 500 anzeigt. Glücksspiel irgendwie, da es auch von den Leistungen der anderen Läuferinnen und Läufer abhing. Whow: ich war dann 357. von insgesamt 3.560 Finishern.

Der Lauf

Es war richtig, nur sehr leicht gefrühstückt zu haben und mit dem Trinken erst 15 Minuten vor Start zu beginnen. nicht ganz einen halben Liter stark verdünntem Elektrolyts kippte ich mir schluckweise rein und dann stand ich schon im Startblock der "unter 1:45"-Läufer. Nicht eingelaufen, nur ein bisschen gehüpft und nachlässigst gedehnt. Super Gefühl drei Minuten vor dem Start. Riesen Starterfeld. 73 Puls, kurz vor dem Startschuss wohl aus innerer Anspannung knapp 100. Es ging los. Knapp eine Minute nach dem eigentlichen Start passierte ich die Zeitnehmungsschranke.

Der übliche anfängliche Slalomlauf. Im Nachhinein ist es leicht zu behaupten, dass ich hier 30 Sekunden verloren hätte. Ich sehe es aber nicht so, denn so konnte ich langsam reinkommen. Mein Puls war nach dem ersten Kilometer eh schon auf über 170. Mit 175 bis 180 wollte ich laufen, doch war ich bald auf 184, dann stabil auf 186. Eigentlich ein Irrsinn, wie ich mir nach dem Weinbergstrassenlauf Anfang September dachte, wo ich bei 10km einen Schnitt von 186 lief. Meine Gedanken drehten sich nur um die Höhe des Pulses, eigentlich das ganze Rennen über. Schon jetzt, nach 2 Kilometern und der ersten Verpflegungsstation beschloss ich, so zu laufen als wäre es ein 10km-Lauf. Ich würde schon sehen, was danach passiere.

Nach 45 Minuten hatte sich das dichte Starterfeld schon schön gelockert. Wir passierten einen Kilometerstein. Ein Läufer, den ich gerade überholt hatte meinte zu seinem Kollegen, sie seien viel zu schnell und müssen das Tempo runternehmen. 0:45:40 zeigte meine Uhr. Da ich nie die Kilometerzeiten beobachte und nur auf meinen Puls achte, begann ich zu kopfrechnen. Über 45 Minuten für 9 Kilometer. Wo hatte ich denn da soviel Zeit liegen lassen? Nach wenigen Schritten erinnerte ich mich, dass es die 10km-Marke war. He! Super Zeit! Meine PB auf 10km liegt ja bei 0:44:53. Ich fühlte mich körperlich so gut und locker, dass ich das Tempo erhöhte.

Von nun an ging es flotter bei mir. Ich horchte nur in mich und merkte keine Signale von Ermüdung oder gar Überanstrengung. Immer wieder sah ich auf den Pulsmesser. Immer wieder kam ich auf 181. Da ich wusste, 186 dauerhaft zu schaffen, wurde ich dann in derselben Sekunde schneller. Auf 186 kam ich nicht mehr. 184 war die Zahl, die dauerhaft am Handgelenk zu lesen war während ich immer mehr Leute überholte. Nach der Halbzeit begann ich zu zählen und hörte bei 50 Überholten auf mit dem Zählen. Schließlich erreichte ich bei km 18 die Herrschaften meiner Geschwindigkeit. Da war dann nur noch in Einzelfällen ein Überholen möglich, dann nämlich, wenn einer zurückfiel.

Unendliche Reserven, Leichtfüßigkeit, das Ziel demnächst erreicht, die 01:38:00 laut Kopfrechnungen in jedem Fall unterbietend. In dieser Form passierte ich die Ortstafel Krems. Menschenmassen säumten die Straßen, jubelnd, klatschend. Wahnsinn! Kilometerzeiten? Keine Ahnung! Ich fühlte mich super gut. Die Kremser Stadtschleife ist dann etwas für psychisch gestärkte Persönlichkeiten, denn man läuft direkt am Ziel vorbei und hat dann noch 2 Kilometer. Zunächst laufen einem die Schnelleren entgegen, dann verabschiedet man sich nach links und zieht eine doch größere Schleife bis zur wirklichen Wende.

Ich hatte völlig unerwartet mit nicht einkalkulierten Problemen zu kämpfen. Überwältigt war ich von den begeisterten Zuschauern und überwältigt auch von der eigenen Leistung. Mir ging unglaublich viel durch den Kopf, begonnen bei den Bildern die ich im Kopf hatte als ich nach meiner Krebserkrankung keine 200 Meter gehen konnte ohne erschöpft zusammenzubrechen. An die ewig lange Chemotherapie mit all den Einwirkungen auf Kraft und Wohlbefinden musste ich denken, und wie noch nicht lange dies alles her ist. August 2008 begann ich mit dem Laufen, 7 Minuten auf einen Kilometer brauchte ich. Im heurigen Februar hatte ich eine Schambeinfraktur und konnte 10 Wochen nicht laufen, extreme Schmerzen. Und jetzt renne ich durch Krems und habe 90% des Starterfeldes hinter mir. Ja, und das Problem? Ich hatte einen "Knödel" im Hals und tränte unmerklich. Dieser "Knödel" bewirkte aber auch, dass die Atmung ganz schlecht wurde.

Ich konnte nicht mehr tief einatmen. Irgendetwas blockierte mich. Es fühlte sich an als würde ich weinen. Dieses Gefühl das man beim Schluchzen hat, wenn sich die Lunge ruckartig befüllt und dann auch nicht ganz. Dieses Gefühl hatte ich nun und es war sehr störend. Mein Puls war jetzt nach der Wende bei km 20 auf 194 und ich wurde nicht schneller. Da half nur noch eines: Wegdenken. Es gelang mir bedingt, denn ich wollte den Jubel, der nicht mir allein, sondern allen Finishern galt, wahrnehmen und genießen.

So atmete ich mich dann doch irgendwie ins Ziel, wurde auf den letzten 200 Metern noch von zwei Sprintern überholt, legte dann noch einen feschen Sprint hin um nicht noch von einem dritten Speedkünstler überholt zu werden.

Wie erwartet war ich nur 20 oder 30 Sekunden ein wenig außer Atem und überlegte schon, wie ein Marathon wohl wäre mit diesem Tempo. Eine hübsche Finisher-Medaille bekam ich dann noch vor dem Ausgang des Zielbereichs überreicht und suchte einen Platz, wo ich unbeobachtet meine Freudentränen fließen lassen konnte. Ich fand bald eine kleine Gasse, die mich dann auch zu den Kleiderbussen führte. Mag sein, dass man die Tränen im verschwitzen Gesicht als solche erkannte. Na, wenn schon. Manch einer übergibt sich im Ziel oder bleibt minutenlang am Gehsteig liegen.

Mein Kleidersackerl hatte ich sofort gefunden, mich umgezogen, ab ins Auto und heim nach Wien. Um 12 Uhr war ich schon auf der Schnellstraße und dachte an die vielen, die jetzt noch ins Ziel einlaufen werden. Ein wunderschöner Lauf, ein wunderschöner Tag, ein wunderschönes Leben. Back at home war ich nach dem Duschen sofort am PC und las die Ergebnisliste. Besonders freut mich, dass ich wie ein Uhrwerk 4:35 min/km lief und dies einzig mit Blick auf den Pulsmesser und nicht auf die Stoppuhr.
Warum laufen Nasen, während Füße riechen?

Offline shiloh

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2009-09-20 Wachauhalbmarathon - pankreas
« Antwort #2 am: 20.09.2009, 19:00:52 »
Gratulation zu  Deinem Ergebnis und natürlich auch zur Überwindung der Krankheit - das nächste mal bist zu vielleicht 5 min schneller und unter den ersten 200 (Einträgen) :)
It`s good to have an end to journey toward, but it`s the journey that matters, in the end. (Ernest Hemingway)

Offline Gantenbein

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2009-09-20 Wachauhalbmarathon - pankreas
« Antwort #3 am: 20.09.2009, 21:22:39 »
Spitzenbericht...herzliche Gratulation nocheinmal !!!
Füllkilometer können mir gestohlen bleiben !

Offline Ulrich

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2009-09-20 Wachauhalbmarathon - pankreas
« Antwort #4 am: 20.09.2009, 22:36:04 »
Unglaublich und doch.. Glücklicherweise wahr.
Dein Bericht ist ein "Knödel"

lg
Weil 42 die Antwort ist und 130 der Sinn

Offline Heike

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2009-09-20 Wachauhalbmarathon - pankreas
« Antwort #5 am: 20.09.2009, 22:37:16 »
gratulation zum wunderschönen lauf, dem wunderschönen tag, dem wunderschönen leben und dem nicht minder schönen bericht.
lg, Heike

Wer denkt, er kann, der kann.

Offline Tschitschi

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« Antwort #6 am: 20.09.2009, 23:12:14 »
schön, danke, Christian
"man muss wissen bis wohin man zu weit gehen kann" jean Cocteau

Offline pipel

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« Antwort #7 am: 21.09.2009, 07:32:44 »
Gratuliere! Toller Lauf und Freudentränen darf man immer weinen.
Stop the world — I wanna get on!
(Leo Bloom in "The Producers")

Offline boenald

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« Antwort #8 am: 21.09.2009, 09:53:43 »
lustig, du hast die gleiche aufwärmtaktik wie ich :)
gratuliere dir zu diesem krönenden lauf, den beschriebenen reserven zufolge könntest du dir für die zukunft ja noch einiges vornehmen.
Paragraph eins: jedem sein´s.

Offline gnagflow

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« Antwort #9 am: 21.09.2009, 14:17:00 »
Super gemacht!
Herzliche Gratulation zu diesem, deinem schönsten Lauf. Mögen noch viele folgen!
"Morgen" ist kein Termin, sondern eine Ausrede."

Wolfgang Fasching (mehrfacher Teilnehmer RAAM)

Offline heitzko

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« Antwort #10 am: 21.09.2009, 16:40:47 »
du bist ja ein wunderwuzzi! ich freue mich sehr für dich! da wird noch viel drin sein in zukunft und wie schon pipel meint, weinen vor freude ist sowieso immer erlaubt :)!

Offline Richy

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2009-09-20 Wachauhalbmarathon - pankreas
« Antwort #11 am: 21.09.2009, 23:09:11 »
Da geht was daweiter bei den Verbesserungen.
Weiter so.

Offline brujo

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« Antwort #12 am: 23.09.2009, 18:36:49 »
Gratulation zu deinem Lauf, deinen berührenden Bericht und alles Gute für deinen weiteren Weg!
Wer den Regen nicht kennt, weiss die Sonne nicht zu schätzen.....

 

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