Steil, steiler, am aller Steilsten wo gibtAn und für sich ist die Schiflugschanze am Kulm primär dafür gedacht, weite Distanzen mit Schisprunglatten zu erfliegen.
Da jedoch die grössten Sadisten in der Leichtathletikszene zu finden sind, brauchte es schon Österreichs am tiefsten gefallenen Sprintersohn um die Naturschanze in Bad Mitterndorf für einen Lauf zu missbrauchen.
Es muss ein Moment geistiger Umnachtung gewesen sein, in dem sich Andreas Berger die RedBull400 ausgedacht hat. Ein Reversrennen vom Auslauf rauf zum Schanzentisch und über die Schanze. 400m Länge, 180 Höhenmeter.
Und weil ich in meiner Off-Season nix besseres tun habe (z.b. regenerieren!?) und prinzipiell sportlichen Sinnlosigkeiten nicht abgeneigt bin, meldete ich mich wider besseren Wissens ob meiner Berganstärke zum Stelldichein im Ausseerland an.
RedBull-Events versprechen ja generell ein hohes Mass an Eventtauglichkeit, Fun und organisatorischer Qualität. Selbst ein grober Fauxpas im Vorfeld (man wollte nur die 50 Vorlaufschnellsten über die Schanze lassen) wurde seitens der Veranstalter elegant gelöst. So war es dann im Endeffekt für jeden möglich, die komplette Strecke in Angriff zu nehmen.
Dass mehr als ein Drittel der Starter diese Option dankend ablehnte zeichnete sich spätestens beim Einbiegen auf den Eventparkplatz ab.Wenn sich der Kulm im Morgennebel auftürmt, möchtest du dich in Anbetracht des Bevorstehenden, auf alle Viere werfen und vor Demut um Gnade wimmern.
Positiv daran: Die Off-Season-Depression verfliegt momentan. Denn eins ist klar: hier kannst du in Topform stehen und der Berg wird dich trotzdem bezwingen. Laufen? Maximal die ersten 70m - dann drücken dich die 40Grad Steigungswinkel (>90% Gefälle) mit dem Gesicht voran in die Gstettn und du nimmst eine Stellung ein, die du nur vom Zukreuzekriechen vor der Gattin kennst.
Fix aber auch, dass das ganze mächtig Laune machen wird. Zumindest wenn man einem bestimmten Menschenschlag angehört...
Da es für alle Wuchtel- und Eierbären abseits der Leistungsathleten sowieso den Garant auf das Rookiefinale gab, sah ich persönlich keinen Grund ein Vernichtungsrennen zu absolvieren.
Renntaktik: Schwach anfangen und stark nachlassen. Denn im Endeffekt ist es ja egal ob man im grossen oder kleinen Finale startet, Hauptsache man kann ganz rauflaufen. Zum Reissen gabs ob der zahlreich geladenen Sportprominenz eh nix. Zur Info: Österreichs bester Treppenläufer wurde 30ster...
Der Vorlauf gestaltete sich dann fast auch wie erwartet: Halbwegs dosiert aber irgendwann doch am Limit, hackte ich das grobste Schuhprofil wo gibt in den Hang und robbte mich durch die Quali, um mit seltsamen Gefühlen in den Beinen nach 4min den Zielbogen knapp vorm Schanzentisch zu durchlaufen.
55ste Laufzeit Overall bedeuteten 3sek Differenz zum Helden-Final-Limit. Der ultrakonservative Start war wohl das Übel. Jedoch war mir das "kleine" Finale lieber. 1) Durften wir vorher ran 2) Würden mir nicht soviele vor dem Gesicht herumsteigen (Der Steinschlag war nicht zu unterschätzen, gleich im ersten Qualilauf wurde eine Kamerafrau von einem beschleunigten Brocken im Gesicht getroffen und musste mit dem Hubschrauber abtransportiert werden)
Die 3h bis zum "grossen Run" inklusive Schanze verbrachte ich mit essen und sonnen. Das Wetter ein Traum. Die Athletenversorgung nahezu perfekt und 3 Hendlbrater waren auch vor Ort. Die Flugshow im Rahmenprogramm ein nettes und lautes Intermezzo.
Man muss sagen - für das kleine Startgeld wurde eine Menge geboten. Hier muss man Andi Berger & Team wirklich gratulieren. Interessant auch die sportliche und gesellschaftliche Prominez vor Ort. Je "berühmter" desto zugänglicher. Die grössten Ungustln, wie immer, die unentspannten Oberhobbeten aus der Triathlonszene, die mit Nordwandblick und Kompressionspanier den Eventbereich unsicher machten.
Dass es an diesem Tag mehr um Fun&Action ging zeigten auch meine beiden Vereinskollegen. Als echte Womanizer&Gentlemen entschieden sie sich spontan gegen den langen Lauf über die Gesamtstrecke, um Societyschönheit Patricia Kaiser in der Staffel zu unterstützen. Optisch waren die Beiden zwar nicht wirklich eine Aufwertung, aber einer Frau in Not muss geholfen werden. Ehrensache
Im Rookie-Finallauf gabs dann vorerst nicht viel Neues. Das erste Teilstück absolvierte ich wie gehabt. Knapp vorm Schanzentisch sowieso schon dunkelblau erwartete mich eine weitere Schweinerei des Veranstalters. Als ob die Wiese an sich, mit dem feuchten Gras, Gatsch und Geröll nicht schon gereicht hätten, verzichtete man gekonnt darauf, ein halbwegs humanes Treppenwerk auf den Schanzentisch zu installieren. Nein 4 oder 5 (kann mich nimmer entsinnen) ca 80cm hohe Stufen waren zu überwinden. Ich konnte sie glücklicherweise übersteigen. Andere rollten seitwärts auf den Schanzentisch.
Die letzten 150m auf der Schanze gestalteten sich dann doch übler als angenommen. Eigentlich ging ich davon aus, dass ob des halbwegs vernünftigen Untergrunds und der Griffrailing, das Raufkommen galanter als auf der Wiese sein müsste. Tja - in Wirklichkeit Reingegacke deluxe. Mit den Beinen war nichts mehr möglich, also musste die Hauptarbeit mit den Armen erledigt werden. Gut für Biathleten und Langläufer, schlecht für den Rest. Superlässig die Schanze als "Zielkanal". Links u. Rechts die Zuschauer. Trommelnd auf den Banden, dass es heut noch in den Ohren scheppert.
Mit etwas weniger Schwindel- und Übelkeitstendenzen als manche Mitstreiter und 7. im RookieFinale hechtete ich ins Ziel. Wobei mich in den ersten Momenten weniger meine Platzierung beschäftigte als die Tatsache, dass meine Arme hiniger waren, als alles Andere was ich je beim Krafttraining, Bouldern oder Sportklettern erlebt hatte. Es benötigte den dritten Plastikbecher um das Wasser seiner Bestimmung als Getränk zu zuführen. Die ersten beiden landeten auf bzw neben mir.
Im Ziel erwartete mich meine Verlobte, die ich selbst im totalen Wettkampfausnahmezustand ständig beim Anfeuern wahrgenommen hatte und nach einem kurzen Moment der Besinnung, konnte ich diesen schönen Tagesaufflug mit einem gemeinsamen Auslaufen abrunden.
Jetzt muss man natürlich schon sagen, dass dieser Event überhaupt keine sportliche Wertigkeit hat. Aber gerade deswegen sollte sich jeder mMn diesem oder ähnlichem stellen. Zur Auflockerung der Trainings- oder Wettkampftristesse und vor allem zum Aufzeigen seiner persönlichen Grenzen. Weil eines ist fix: Es gibt auf der Welt keinen Menschen der den Kulm durchlaufen kann.
