Autor Thema: 2012-08-31 UTMB - JM  (Gelesen 2642 mal)

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2012-08-31 UTMB - JM
« am: 31.08.2012, 00:00:00 »
Datum: 2012-08-31
Event: UTMB
Distanz: 110.000 km

Ersteller: JM

Offline JM

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2012-08-31 UTMB - JM
« Antwort #1 am: 31.08.2012, 00:00:00 »
longjog durchs Massif central

UTMB – Ultra Trail du Mont Blanc

Das allseits beliebte Trailmagazin schreibt zu diesem Lauf: UTMB, das ist für den Trailläufer  Olympia, Formel1 und Weihnachten auf einmal. Der Mythos um diesen Lauf ist groß, die reinen Zahlen ehrfurchterbietend. 168km und 9 600 Höhenmeter sind zu überwinden.

Die ist soweit den meisten bekannt. Nun zu meinem Bericht, der sich teileweise mit den Blogeinträgen im Forum überlagert.
Die Anreise nach Chamonix lässt Schlimmes befürchten: Regen RegenRegen, das schon bei der Anreise von Genf nach Chamonix. Noch sind es 2 Tage bis zum Start, aber die Wettervorschau weiß auch nichts bessere zu berichten.  Und schlussendlich kommt das worst-case-Szenario: Starke Regenfälle, Schnee ab 1800 Meter, Wind mit 60 km/h, und Temperaturen von -5° auf 2000 Meter in der Nacht.
Das bewegt die Organisation dazu die traditionelle Strecke des UTMB zu canceln, zu gefährlich. Stattdessen wird eine Alternativstrecke ausgearbeitet mit ca. 100km.

Zeitsprung einen Tag zurück:  Die Startnummernausgabe ist mit der Pflichtausrüstungskontrolle gekoppelt. Geduldig stellen sich die Trailrunner vor der Sporthall an.Eine ca. 300 Meter lange Warteschlage hat sich gebildet. VOR der Halle. Und das bei starkem Regen. Ich habe einen Teil meiner Pflichtausrüstung angezogen -die Laufregenjacke. Das wird somit ein letzter Ausrüstungstest. Die Jacke hält dicht :) Die weniger toughenTrailrunner haben einen Regenschirm dabei :D ( oder anderes ausgedrückt: die schlaueren Trailrunner).

In der Halle angekommen geht alles sehr schnell. Super organisiert. Passkontrolle, 20€ Kaution, dann nächste Station. Pflichtausrüstungskontrolle. Es werden nur Stichproben genommen, bei jedem Läufer werde 3-4 Sachen kontrolliert, bei jedem was anderes. Bei mir sind dies das Handy mit den Notfallnummern, die Jacke, und die Haube. Der Rucksack bekommt dann einen Strickcode fix montiert, wozu weiß ich bis heute nicht. Zumindest bekommt man nach dem Lauf die 20 € zurück sobald der Strichcode entfernt wird. Den Inhalt betrifft dies aber nicht, ich kann ja noch immer ein- und ausräumen wie es mir gerade passt.Nächste Station, die Startnummernausgabe, dann die Übergabe der 2 Plastiksackerln fürs Toilettenpapier, sowie einem kleinen Beutel den man sich an den Rucksack  per Klettverschluss befestigen kann und in dem alle seine Abfälle unterwegs hineinstopfen kann und dann bei den  Verpflegungsstellen leeren kann. (leide gab es aber heuer sehr viele die das nicht verstanden haben, so dass der Weg schon stark vermülltwar ) Die letzte Station ist dann die Übergabe des Finishershirts.

Erst beim Ziel erfahre ich dass es nicht das finishershirt ist, sondern nur ein Teilnehmershirt. Finisher bekommen eine hochwertige  Weste. Die ist zu der Zeit als ich einlaufe aber in meiner Größe nicht mehr vorhanden, und soll mir in 2-3 Wochen nachgesendet werden.

Alles in allem ist der Ablauf in der Sporthalle aber sehr durchdacht, mit Platzanweisern bei jeder Station. (wieso man sich z.bsp beim VCM 2 mal anstellen muss  1x für Chip und 1x für Startnummer ist mir einRätsel)
Nach der  Check- in-Prozedur gehe ich noch über die Messe. Hier gibt es wirklich alles zum kaufen was es zum Thema Trailrunning gibt. Von sinnvollen Sachen bis zu unmöglichem Kitsch( Kugelschreiber, Schulhefte, Plüschbären etc.. alles mit UTMB-Logo versehen) Da wird einem nochmal bewusst gemacht was ich schon vermutet hatte. Der  Kommerz blüht auch im Trailrunning.
Ich kaufe mir in Aussicht des schlechten Wetters) ein paar Ärmlinge und Faltbecher (alles mit UTMB-Logo versehen.

Danach gibt´s nur mehr eines was ich tun kann. Essen schlafen essen schlafen. Essen gelingt mir besser. Schlafen kann ich irgendwann einfach nicht mehr 
Meine Wettersorgen im Forum zu teilen hilft gegen die Nervosität. Schön wenn man weiß dass es Leute gibt die einem indirekt beistehen.

Am Tag des Starts ist immer noch keine Wetterbesserung in Aussicht, und wie schon geschrieben wird gegen Mittag bekanntgegeben dass der Lauf nicht auf Originalstrecke stattfinden wird. Die Ersatzstrecke wird dann aber erst gegen 14 Uhr veröffentlicht. Die pdf´s mit den Karten sind auf meinemnetbook kaum zu durchschauen. Also mache ich mich rechtzeitig auf den Weg ins Stadtzentrum um noch ein wenig was zu essen und zu schauen wie es weitergeht. Beim Pastaessen lerne ich ein paar nette Leute kennen, und so vergeht die Zeit sehr schnell. Mit einem Franzosen und einem Kanadier vertreibe ich scherzend die Zeit. Alle 3 haben wir Marathon-PB´s von knapp unter 3h. Anscheinend alle auf der Suche nach neuen Herausforderungen :)

Ich habe meinen Kleiderwechselsack noch dabei, und will ihn abgeben, bevor ich zum Start weitergehe. In der dafür vorgesehenen Sporthalle wird mir dann mitgeteilt, dass es wegen der neuen Strecke keine Übergabe geben wird. Ich überleg kurz was ich machen soll, es bleiben mir eh nicht viele Möglichkeiten. Aber ich nehme mir noch ein Wechsel-shirt heraus. Mehr Platz habe ich eh nicht mehr im eh schon sehr vollen Rucksack. So schlecht war die Wahl dann eh nicht wie sich später herausgestellt hat.

Der Start vor der Kirche war dann sehr chaotisch. Es hat zwar jeder gewusst wo der Start ist, aber nicht wie man hinter die Startlinie kommt. Unglaubliches Gedränge. Mit dem „Pastafranzosen“ zusammen schlagen wir uns durch die Zuschauermengen durch und brauchen ganze 20 Minuten um uns ganz hinten einreihen zu können. Die Stimmung ist grandios. Eine unglaubliche Energie liegt in der Luft, und es dauert auch nicht allzu lange bis dann die Conquest-for-paradise-Melodie- gespielt wird, und jeder weiß Bescheid dass es jetzt los geht. Die Stimmung ist unbeschreiblich, was auch daher kommt dass die Gassen in Chamonix sehr eng sind, und somit Zuschauer und Läufer sehr nah und eng aneinander vorbeigegeführt werden. Es dauert sicher 2-3 km bis sie Straße breiter wird und man frei laufen kann. Einige Übernervöse mach hektische Überholmanöver,  wo ich mich immer wieder frage wozu – bei einem 100 km Trail-Lauf ? Aber es stellt sich auch unterwegs heraus dass es (zu) viele Ambitiöse Läufer beim UTMB gibt, denn gedrängelt wird bis zum Schluss. Vor allem bei den Verpflegungsstationen

Die ersten km sind sehr flach auf Asphalt und auch die 15 km danach sind nur in leicht kupiertem Gelände. Nach Überqueren der Autobahn( die zum MontBlanc-Tunnel führt) geht es dann aber  schnell bergauf. Nach Durchquerung von in paar Dörfern kommen wir auch schon an die richtigen Berge heran. Nun beginnt es auch, wie angekündigt, mit regnen. Anfangs ganz leicht  aber kontinuierlich stärker werdend. Ich denke mir, jetzt nur schnell hinauf, umso schneller ich im Schnee bin umso weniger werde ich schon am Anfang des Laufes nass. Aber das war schon zu spät, der Regen nimmt Monsunausmasse an, aber die  gute Kleidung hält (noch)dicht. Mittlerweile hat es auch schon so weit gedämmert dass die Läufer nach und nach die Stirnlampen anmachen. Leute mit weniger starken Lampen sparen Strom und laufen hinter anderen Läufern her die große starke Lampen haben. Lichtegel  sozusagen ;)

Bald beginnt auch der Untergrund s zu wechseln, von Forststrasse zu single-Trail, und man spürt und sieht dass es auch schon die letzten Tage viel geregnet hat. Das ist ja vielversprechend für den Rest des Laufes :oah: Und es dauert nicht lange bis wir am ersten Gipfel angekommen sind. Mittelweile auch schon schön schwitzend und daher von innen nass. Das macht aber noch keine Sorgen. Außerdem ist es jetzt finster. Finsterkeit am Berg kenne ich vom Trauseemarathon, aber da war es nur bewölkt, und wir sind in den Tag hineingelaufen. Das hier ist komplett anders, wenn man in die Nacht hineinläuft, und die Wollen sehr dicht sind, und es noch dazu regnet. Nun ja, eigentlich sind schon die ersten Schneeflocken dazwischen, und es dauert auch nicht mehr lange bis es richtig schneit. Irgendwann geht´s aber wieder unter, und wir laufen durch ein Bergdorf. Inzwischen ist es Mitternacht, und siehe da, das ganze Dorf ist auf den Beinen und macht Stimmung, unglaublich, dass die sich das um die Uhrzeit bei dem Wetter antun.
 
Und schon geht´s auf den nächsten Berg, jetzt geht´s richtig hoch hinauf und wir kommen weit über die Schneefallgrenze, alles ist weiß, die Stirnlampen bringen trotzdem recht wenig, weil nebelig ist es auch noch, und wenn ich die Lampe stärker aufdrehe, sehe ich wegen dem Nebel noch weniger. Aber das stellt sich als mein Vorteil heraus. Weil jetzt ist die Streckewirklich schwierig. x-Mal geht es 1-200 Bergauf und ab, jedes Mal in einem Gatsch-Schneegemisch, das Ganze bei diesem nebeligen Schneesturm. Links und rechts rutschen Läufer aus und sind schon zu diesem Zeitpunkt voll mit Gatsch bedeckt. Ich rutsch die Hänge runter, aber ohne auszurutschen ! Ich lasse mich einfach von der Schwerkraft runterziehen. Genial. Und es ist wie bei Kindern, was man nicht sieht, macht einem auch keine Angst;). Hierbin ich erstmals  der King of downhill und überhole rutschend dutzende Läufer.

Auf dem col du bonhomme lachen die dort Anwesenden freiwilligen Helfer, weil ich als einziger sauber daher komme, und dann zeigen sie mir wo´s weiter geht. Sehr steil hinab durch eine Gatschhölle, und versprechen mir dass das jetzt mit der Sauberkeit vorbei ist. Die schwierige Gatschpassage ist ca. 2 km lang, wobei die steilen Passagen immer wieder einzeln eingestreut sind. Dort finden sich dann auch einige Überreste von abgebrochenen Stöcken. Da hat einiges an Material gelitten !

Das Laufen im Dunkeln auf dieser Höhe geht 3-4 Stunden weiter, und mittlerweile bin ich schon sehr erschöpft.  Die andauernde Kälte und der  Schnee und Regen ist längst in die Schuhe eingedrungen. Jetzt schon kommen die Gedanken: Wozu das Ganze?  Was mache ich als Flachländler mitten in der Nacht um 4 Uhr früh in finsterer Dunkelheit bei -5° auf dem höchsten Gebirgszug Europas?  Kalt ist mir. Ich würde so gerne meine Sachen wechseln. 4 Schichten sind Pflicht, ich habe nur 3 angezogen. Ich spekuliere darauf dass ich dann noch 2 Schichten zum wechseln habe.

4:10: Ich schaue auf die Uhr:  Es ist 4Uhr 10 ! :D
Ich finde das zu dem Zeitpunkt lustig und lache darüber. Das wird sonst niemand verstehen, ich muss es trotzdem hier verewigen =)

Bei irgendeiner Laabstelle gibt es ein Lagerfeuer - und Suppe Die Verpflegung ist ganz OK, es wir alles geboten, auch Käse, Wurst, Kuchen, Kekse, Getränke aller Art von Wasser, Cola, Iso, bis zu Kaffee und Tee. Die Verlockung beim wärmenden Lagerfeuer stehen zu bleiben ist groß, aber ich will auch wieder so schnell wie möglich runter vom Berg.

Nach vielen weiterenHochs und Tiefs (Höhenmeter ;)) kommen wir endlich im Tal an, es ist mittlerweile gegen 5 Uhr früh, und hier beschließe ich nun die Kleidung zu wechseln. Hätte ich nur eine Wechselschicht aufbewahrt hätte ich eine der nassen Schichten anbehalten müssen um genug Stoff auf der Haut zu haben, aber sokann ich 2 neue trockene Schichten anziehen, und das tut sooo gut. Vor lauter Freude darüber nehme ich kurz das Handy heraus um meiner Frau mitzuteilen dass e mir noch gut geht, und schaue dabei auch kurz ins Forum. Viel schrieben kann ich aber nicht, da meine Hände zu aufgeweicht sind um den Touchscreen sinnvoll bedienen zu können. Handschuhe hatte ich zwar auch 2 Paar dabei, aber obwohl eines davon sehr  dicht ist, kommt dann doch ab und zu Wasser von der offenen Seite hinein. Mit nur einem Paar hätte ich wahrscheinlich ein Problem gehabt. Die Pflichtausrüstung ist halt auch nur eine Minimalausrüstung. Ein bisschen mehr hat nicht geschadet. Aber für noch mehr hätte ich keinen Platz mehr im Rucksack gehabt.  

Mittelweile haben wir anscheinend schon 50 km gemacht. Das war noch nicht so anstrengend. Nur Lust hatte ich schon gar keine mehr. Die Sinnfrage habe ich mich bis dahin schon öfters gestellt. UTMB zu laufen kann „sinnvoll“ sein, wenn man das Ziel hat den Mont-Blanc komplett zu umrunden. Aber so? Ich bin 50km gelaufen, bin schon ziemlich ausgelaugt durch die Kälte und Nässe, und habe nur Dunkelheit und Gatsch gesehen. Wozu ? Wenn ich traillaufe, dann um schöne Landschaft zu genießen und zuerleben. Aber so ist es nur km-Schinderei in kompletter Finsternis. Hätte ich es schon in Wien gewusst dass die Originalstrecke nicht gelaufen wird, ich wäre nicht mal angereist.

Meine Hoffnung setzte ich nun auf die Kraft der Sonne, sofern sie überhaupt zum Vorschein kommt, bei dem Regen. Immerhin wird es hell, und ich kann nach und nach schemenhaft die Umrisse der Landschaft erkennen. Das gibt tatsächlich wieder Kraft und Motivation, und ich sage mir dass es ja schon peinlich wäre wenn man zu einem 168km anreist und nicht mal die 100 km finisht.Außerdem habe ich nichts Besseres vor an dem Tag. Bin ja alleine angereist, habe Urlaub und so mache ich einfach weiter. Erfahrung sammeln für nächste Abenteuer?

Mittelweile bin ich 15 Stunden in Regen und Schnee unterwegs gewesen und jetzt beginnt es endlich ein wenig nachzulassen. Ganz leichter Schnürlregen , damit kann ich leben, und nach und nach lässt auch der nach und die letzte 6-7 Stunden sollen meist trocken bleiben. Aber der Regen hat leider schon längst seine Spuren an meinen Füßen hinterlassen. Die Füße wurden schon sehr  früh nass, und jetzt tun sie schon sehr weh. Bei der ca. jeder 2ten Verpflegungsstelle gab es Treffpunkte für Verwandte. Da haben die meisten Läufer nicht nur frisches Gewand bekommen, sondern auch neue trockene  Schuhe. Da wurde dann schon klar, dass wir da 2 verschiedene Rennen laufen. Wenn ich wen dabei gehabt hätte der mir jedes Mal komplett frische Sachen gegeben hätte, dann hätte ich den Rucksack viel leichter packen können, wäre viel besser weitergekommen, weil eben auch immer wieder mit trockenen Sachen. Aber so gehöre ich hat zu dem Teil der Puristen die das Ganze ganz auf sich gestellt bestritten haben. Aber dann brauch ich eigentlich auch keinen offiziellen Lauf, das kann ich auch so haben, und zur Verpflegung in Hütten einkehren….

Bei einer Verpflegungsstation bei km 6xkm, genau weiß ich es nicht, sehe ich am Horizont schon die Stadt. Ich frage die Leute wie weit es denn noch ist, und eine nette Helferin erklärt mir dass es nur mehr 30 km sind. Und Berge?, frage ichnoch. Nur mehr 2x 400m. Super, denke ich mir. 10 mal zur Gloriette hoch, und das 2x das ist ja nichts mehr :) Ein Franzose der neben mir steht sieht das genau so, und ist ganz begeistert. Jetzt wird er es fertig laufen und wenn er es auf allen Vieren machen muss. Nur, so einfach soll es nicht kommen. Der erste 400m-berg ist so hoch dass wir wieder auf Schneegrenze kommen.

Komplett fertig sage ich mir dass es vielleicht statt 2x 400, nur ein 800 Meter-Berg war. Aber danach sind noch 5x 400 Meter-Berge gekommen. Und dann geht es endlich runter nach Chamonix, ich höre die Lautsprecher, sehe sogar schon, wenn auch noch ganz weit weg den Zielbogen, und bin ganz fertig als es dann wieder bergauf geht. Und wie ! Der Ersteller der Strecke muss ein Sadist sein ! Das hat mich psychologisch echt fertig gemacht. In Ermangelung einer genauen Streckenkenntnis oder GPS-Uhr, habe ich nie genau gewusst wo ich gerade unterwegs war. Aber das war 3 Stunden nach der 30km-Aussage, und da hatte ich halt schon Hoffnungen. Die 30 km-Aussage war wohl ein Missverständnis, weil 30 km waren es bis zur nächsten Verpflegungsstelle!

Da kann doch was nicht stimmen ! Ich frage dann einige Leute die gerade in meiner Gegend mitlaufen, und alle stimmen mir zu  dass das nicht stimmen kann.  Außerdem geht es schon wieder bergauf, und wie, sehr steil. Alle fluchen.  Einer sogar einen Plan der Strecke dabei, aber dieser Abschnitt war darauf gar nicht eingezeichnet. 500 Extrahöhenmeter, die uns fast alle zur Verzweiflung gebracht haben.Irgendwann waren auch die 30 km vorbei ;) und die letzte Verpflegungsstelle erreicht. Hier wird mir gesagt dass es nur mehr 7 km sind, juchu, das schaffe ich,  obwohl ich wegen der geschunden Füße nicht mehr auftreten kann und daher nur mehr einen Anschein von laufen mache.  Ich laufe ca. 5 km, immer wieder von neuen Läufern( mittlerweile sind alle schon ein wenig redseliger geworden)  begleitet weiter und dann bekommen wir die Info von einem Helfer dass es nur mehr 10 km sind. Haha. Das kommt mir bekannt vor, wie bei der Veitsch. Umso weiter ich laufe umso weiter entferne ich mich vom Ziel. Bin ich denn Sisyphos ?

23 Stunden auf den Beinen, ohne Schlaf, und dann noch die wachen Stunden direkt vorm Rennen haben auch geistige Probleme gebracht. Ich bin übermüde. Wir laufen nur mehr ganz einfaches Terrain, mit schönen Felsen, und viel Laub am Boden.  Mein Hirn zeigt mir aber jetzt immer öfter  Trugbilder. Ich sehe wunderschöne Häuser, Skulpturen, Gesichter  und Schriftzüge  in und auf den Felsen. Wenn ich dann näher komme, sehe ich dass es keine Skulptur ist, nur reiner Fels. Die Blätter am Boden erscheinen mir als funkelnde Münzen. Ich bin komplett klar im Geist, ich weiß dass das nicht stimmen kann was ich das sehe, aber ich sehe es trotzdem. Total schräg ! Dann am Horizont ein Wahnsinns-Sportwagen. Das hat wohl ein Fan extra mit seinem Sportwagen  einen Ausflug zum UTMB gemacht um sich das Spektakel anzuschauen. Ich komme dem Wagen näher und muss enttäuscht feststellen dass es nur ein 2CV ist, ich laufe weiter komme der „Ente„näher und sie entpuppt sich als 2 Felsen. Spätestens jetzt hätte ich beim „richtigen„ UTMB wohl eine Schlafpause einlegen müssen :D  Schon verrückt solche Halluzinationen! Aber schön war´s auch irgendwie :)

Ein Stunde zuvor bin ich noch an 2 Verletzten vorbeigelaufen. Einer war bewusstlos. Beide wurden mit Hubschrauber geborgen. Wenn ich bedenke dass man da in sehr anspruchsvollem Terrain bei derartiger Müdigkeit herumläuft, dann ist das eigentlich schon eine fahrlässige Gefährdung der eigenen Gesundheit. Von diesen Erlebnissen geprägt, gehe  ich die letzten km zu Fuß, ist mir ja wurscht wie ich ins Ziel komme, Hauptsache ich bin unverletzt und gesund. Ob ich jetzt noch laufe und noch 30 Minuten schneller bin ist ja egal. Kurz vor Chamonix werde ich dann von einem Pensionistenehepaar wandernd überholt :oah:. Da wurde es mir dann doch schon ein wenig peinlich und ich bin zumindest wieder ein wenig schneller gewandert :D

Der Zielein“lauf“ in Chamoix hat alle Anstrengungen davor vergessen gemacht. Sobald man die Stadtgrenze überschreitet wird man als Held gefeiert. Unglaublich!  Jeder, aber wirklich jeder bleibt stehen um dich mit Namen anzufeuern und abzuklatschen. Autos bleiben stehen, winken zu.( keine Halluzinationen ;) ) Und das steigert sich immer mehr bis man dann endlich den Zielbogen erreicht.

Alles in allem war es eine interessante Erfahrung. Ein bisschen Selbsterkenntnis hat´s gebracht. Die Grenzen wieder ein wenig weiter verschoben. Aber leider ist dies halt doch kein UTMB-Bericht. Den Start und das Ziel des UTMB habe ich erlebt. Alles dazwischen war ein 109km-Ulra mit vielen
Höhenmetern. Aber eigentlich sinnlos.

Was mich am aber sehr gestört hat ist dass das, von dem die Trailrunner zum Teil weglaufen, Kommerz, Massenveranstaltungen etc.,  genau hier wieder geboten wird. Naturerlebnis hin und her, wenn 1000 Leute vor und hinter dir mit Stirnlampe unterwegs sind, alles in komplettem high-end-lifestile-equipment unterwegs sind, dann hat das nicht mehr viel damit zu tun was trailrunning wirklich bedeutet. Das ist auch der Grund wieso ich solchen Massenveranstaltungen im Trailbereich lieber fernbleiben werde. Der RLTG oder der Veitsch-Lauf sind mir da schlussendlich einfach doch viel sympathischer.

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Offline KITTY

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2012-08-31 UTMB - JM
« Antwort #2 am: 05.09.2012, 06:52:46 »
Ich kann nur mit offenen Mund staunen und recht herzlich Gratulieren zu deiner grandiosen Leistung. Für mich absolut unvorstellbar wie man sich sowas antun kann. Sehr schöner Bericht, sehr kurzweilig.
Hast trotzt Kommerz schon Lust bekommen irgendwann die "Originalstrecke" zu laufen?
lg
peter

Offline heitzko

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2012-08-31 UTMB - JM
« Antwort #3 am: 05.09.2012, 06:58:43 »
wow der bericht ist seeeeehr beindruckend! da hast du wirklich unglaublich viel erlebt in diesen fast 24 h vom king of downhill hin zum halluzinierenden luxemburger und dann noch dieser tolle zieleinlauf den du dir da mühsam erarbeiten musstest! schade, dass das trailrunning zunehmend eine cash cow wird...

danke für den tollen bericht, hatte schon gespannt darauf gewartet!

Offline Richy

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2012-08-31 UTMB - JM
« Antwort #4 am: 05.09.2012, 07:25:49 »
Kompliment.
Sowohl zur Leistung als auch zur Sicht auf die Dinge.

Offline dogrun

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2012-08-31 UTMB - JM
« Antwort #5 am: 05.09.2012, 08:47:09 »
Unglaubliche Leistung und ein super Bericht!
Du bist und bleibst ein Viech, Jean Marie!

Und die Erkenntnise die du aus so einem Lauf ziehst sehr interessant und lesenswert!
Bin auf weitere Erzählungen gespannt! Vorallem das mit den Halluzintionen möcht ich genauer wissen! :)

Und jetzt.... SCHLAF GUT! :D
„Sport stärkt Arme, Rumpf und Beine / Kürzt die öde Zeit / Und er schützt uns durch Vereine / Vor der Einsamkeit.“ (Joachim Ringelnatz)

Offline Pizzipeter

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2012-08-31 UTMB - JM
« Antwort #6 am: 05.09.2012, 08:47:16 »
Wow, uih, hurra, arghh, grandios!
Gratuliere, Verbeugung!

Rund um Wien, nächster Lauf? ;)
Fit-RABBIT-Gutscheincode: ODB-587

Offline KiB

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2012-08-31 UTMB - JM
« Antwort #7 am: 05.09.2012, 09:12:23 »
Hut ab vor der Leistung - und wirklich toller Bericht!!

Offline cbendl

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2012-08-31 UTMB - JM
« Antwort #8 am: 05.09.2012, 09:30:54 »
Ich bin schwer beeidruckt! Dass du die ganze Vorbreitung auf dich genommen hast dun dann noch den schwierien Lauf unter so schwierigen Bedingungen durchgezogen hast.
Ds Thema mit der Bekleidungsversorgung hatten wir ja schon. Das ist eine "leichte" Sauerei und sicher besonders bitter zu sehen, dass es andere so viel angenehmer hatten.
Jetzt mal wirklich gute Erholung!
hippocampus abdominalis

Offline Wolf

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2012-08-31 UTMB - JM
« Antwort #9 am: 05.09.2012, 10:08:26 »
Toller Bericht! Du hast einen grenzwertigen Lauf wirklich toll bewältigt.

LG Wolf
Der Tod holt dich nur einmal ein.

Online Ulrich

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2012-08-31 UTMB - JM
« Antwort #10 am: 05.09.2012, 10:18:27 »
Du hast beeindruckende Erfahrungen gemacht und schwärmst am Ende von Veitsch und Lainz! Danke für diesen Einblick in Dein Erlebnis!
Weil 42 die Antwort ist und 130 der Sinn

Offline Tschitschi

  • Stehaufmanderl
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2012-08-31 UTMB - JM
« Antwort #11 am: 05.09.2012, 14:02:32 »
Ganz feiner Bericht, danke. Das mit den Halluzinationen beim UTMB hab ich schon in einem anderen Bericht gelesen und geglaubt: der übertreibt. Interessant. Gratuliere, JM!!
"man muss wissen bis wohin man zu weit gehen kann" jean Cocteau

Offline Anna

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2012-08-31 UTMB - JM
« Antwort #12 am: 05.09.2012, 18:34:13 »
ein wirklich lebensnaher Bericht; da kann man deine Strapazen, deinen (inneren) Kampf aber auch die kleinen Erfolge richtig nachvollziehen. Deine Leistung ist für mich unvorstellbar und einfach beeindruckend. Wie sagt man so schön: du hast deinen tollen Lauf mit einem fantastischen Bericht gekrönt.

Offline boenald

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2012-08-31 UTMB - JM
« Antwort #13 am: 06.09.2012, 12:08:35 »
Ganz ehrlich, ich bin zwiegespalten. Auf der einen Seite bewundere ich deine Ausdauer, deinen Einsatz und deine unvorstellbare Leistung (und nicht zuletzt: deinen grandiosen Bericht!!). Auf der anderen Seite gibt es schon zu denken. UTMB ist "Formel1 und Weihnachten zusammen", mit anderen Worten Materialschlacht und Konsumterror, dazu die von dir auch im Bericht geäußerte Sinnfrage, warum man im Stockdunkeln durch den Gatsch klettern soll. Ich hab sie mir ja letztes Jahr unter vergleichsweise harmlosen Kindergarten-Bedingungen in Tirol auch gestellt - und anders beantwortet. Wir werden sicher nicht bestimmen können was Berg- und/oder Traillaufen "wirklich" bedeuten. Das muss klarerweise jeder selbst beantworten. Ich finds beeindruckend, wie du auf die Widersprüche hinweist und wie differenziert du damit umgehst. Super!
Paragraph eins: jedem sein´s.

Offline jsegal

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2012-08-31 UTMB - JM
« Antwort #14 am: 09.09.2012, 23:37:26 »
Gerade gelesen, GRATULIERE und DANKE f. die Mitteilung von deinen Gefühlen und Gedanken!

 

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