Autor Thema: 2013-03-23 6h Lassee - dogrun  (Gelesen 1717 mal)

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2013-03-23 6h Lassee - dogrun
« am: 23.03.2013, 00:00:00 »
Datum: 2013-03-23
Event: 6h Lassee
Distanz: 72.285 km

Ersteller: dogrun

Offline dogrun

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2013-03-23 6h Lassee - dogrun
« Antwort #1 am: 23.03.2013, 00:00:00 »
80% Kopf - 20% Leistung

Es war eine spontane Entscheidung. Nachdem im Forum anfangs anscheinend keine Staffel zustande kommt, entscheide ich mich spontan für eine Anmeldung als Einzelläufer beim 6 Stundenlauf in Lassee. Eine wahnwitzige Entscheidung, aber irgendwie wollte ich was ausprobieren, ich hab zwar keine Marathonvorbereitung in den Beinen und auch sonst ist das Training eher Wischiwaschi als strukturiert, aber probieren geht über studieren und bei einem 6 Stundenlauf bin ich sowieso Finisher, auch wenn ich irgendwann einfach stehen bleib. Seit Anfang Jänner sind sich aber dann doch fast jede Woche ein langer Lauf, entweder über 30km oder über 2 - 3 Stunden jede Menge Höhenmeter und eine Tempoeinheit ausgegangen.

Die Woche vor Lassee schauen die Wettervorhersagen grauenhaft aus. Kalt, Schneeregen, Wind,… alles was man bei einen 6 Stundenlauf nicht braucht wird prognostiziert. Aber es kommt ja meist anders als man denkt und so scheint am Samstag am Weg Richtung Lassee die Sonne, der Wind weht mäßig und auch die Temperaturen dürften sich in einem akzeptablen Bereich von 5° eingependelt haben. Ich lese noch Timo auf der Lassalleestraße auf und kurz vor 10 treffen wir in Lassee ein und holen unsere Startnummern. Dort treffen wir auf die Erdpresser Staffel mit Carola und Winfried. Nach der Startnummernabholung noch den Standplatz hergerichtet, im Gegensatz zu den erfahrenen Ultraläufern die mit Klapptisch, Versorgungskiste, Schirm, Zelt usw. ausgerüstet kommen, borgen wir uns eine Heurigenbank aus und ich leg meinen Rucksack davor.

Mein Proviant auch spartanisch, einige Gels, 1 Sackerl Snickers, 2 Dosen Cola, fertig. Ich hätte auch gar nicht gewusst was ich noch einpacken sollte, gebraucht hab ich im Endeffekt eh nur die Gels.

Nachdem der 5km Lauf erfolgreich über die Bühne gebracht wurde stellen wir uns an den Start, kurze Besprechung und pünktlich um 11:00 startet das Abenteuer 6 Stundenlauf.

Erste Runde in 5:10 anlaufen, so der Plan. Das gelingt auch, ich überquere das erste Mal nach 9:53 die Matte. In der zweiten Runde die erste Überraschung, da fangen wirklich schon die ersten zu Essen und zu Trinken an. Auch eine interessante Taktik. Ich verzichte gerne drauf und trabe locker Runde für Runde vor mich hin. Fad ist das. Mühsam ist das. Voll zach ist das. Was mach ich eigentlich hier? Interessant wenn man bei einem 6-Stundenlauf gleich nach der ersten halben Stunde ins Tief rasselt. Die Rundenzeiten aber passen, alles so um den 5er Schnitt herum. Aber Wettkampffeeling oder ähnliches kommt bei mir nicht auf. Nach 4 km läuft jemand ständig hinter mir, ein M30-Konkurrent wie sich herausstellt, das Tempo ist für ihn angenehm und so laufen wir zu zweit. Blöderweise muss ich just in dem Moment pinkeln, also das Dixiklo anlaufen und den Kollegen ziehen lassen. Im Endeffekt richtig und wichtig, denn nur wenn ich mein Tempo laufe und mich nur auf mich konzentrier werde ich nicht zu schnell.

Nach 6 Runden bzw. ca. 11km steuere ich erstmals die Verpflegung an, das Iso schmeckt gut und dürfte auch ganz gut gemischt sein. Ebenso fange ich an Bananen zu essen. Weiter geht das öde Dahintraben durch Lassee. Nach eineinhalb Stunden der Blick auf die Uhr, gibt’s doch nicht. Die Zeit vergeht überhaupt nicht. Nachdem der Kopf anscheinend gar nicht will, hat der Körper das Ruder übernommen, dem geht’s nämlich hervorragend, der signalisiert „Alles im grünen Bereich, worauf wartest du, Gas an!“ Das verleitet mich schneller zu werden, ich muss aber aufpassen nicht zu überziehen, und so trabe ich weiter knapp unterm 5er Schnitt meine Runden.

Immer wieder dieselbe Runde… Überqueren der Matte – bis zur ersten Rechtskurve wo auch unser Standpunkt war - vorbei an der Labestelle und geradeaus an den Zelten und Klapptischen der anderen Teilnehmer vorbei – am rauchenden Haus vorbei leicht links, steile langgezogene Rechtskurve und geradeaus vorbei an den orangen Hütchen – erstes Dixiklo und dann scharfe Linkskurve – durch die erste Wohnsiedlung mit Grünfläche als Mittelstreifen, zwei 90° Rechtskurven und durch die zweite Wohnsiedlung mit Grünfläche als Mittelstreifen, Rechtskurve am zweiten Dixiklo vorbei, Linkskurve durch den Acker und zweite Linkskurve an den Isländerpferden vorbei, Rechtskurve und geradeaus wieder an Klapptischen und Autos der Staffelteilnehmer vorbei, Rechtskurve und Zielgerade – Überqueren der Matte. Ja, irgendwann hat man die Strecke dann intus.

Nach ca. 23km fällt mir ein dass Verpflegung nur aus Bananen und Iso nicht reichen wird und ich vielleicht auch Gels zu mir nehmen sollte. Ich esse seit langem nicht mehr beim Laufen, weiß also nur dass mein Körper Bananen (noch von früher), Gels, Iso und Wasser verträgt. Also zum Standplatz, blöderweise hab ich mir die Sachen aus dem Rucksack nicht rausgelegt, und so krame ich mal eine Zeit lang in meinem Rucksack um an das Gel zu gelangen. Nach der kurzen Pause geht’s gut versorgt in die nächsten Runden, das Tempo wieder etwas erhöht und langsam fängt es an auch Spaß zu machen. Eine Runde nach der anderen wird absolviert, ich laufe ohne Anstrengung, die Musik die jetzt spielt ist zwar nicht meins, bringt aber wenigstens ein wenig Abwechslung. Im Zielbereich feuern auch einige Zuschauer an, vor allem zwei Damen sind mir in Erinnerung, die haben 6 Stunden lang angefeuert und geklatscht, ganz großen Respekt!

Nach ca. 30km das nächste Gel, und nach 3 Stunden sind auch schon ca. 36km geschafft. Jetzt funktionieren Kopf und Körper, es läuft einfach, ohne viel nachzudenken von Runde zu Runde, kurze Plaudereien mit den grade gestarteten 3 Stundenläufern bringen Abwechslung, ich amüsiere mich im Gegensatz zu anderen köstlich über die holprige Musik der Volksmusik-Band, ansonsten bin ich voll im Laufen. Es rollt einfach. Immer wieder achte ich bewusst auf einen ordentlichen Laufstil, nur nicht den Schlendrian reinkommen lassen. Bei ca. km 40m wieder zum Standplatz und das nächste Gel rausgekramt. Keine Gedanken an Müdigkeit oder Schmerzen, einfach nur laufen und schon bald überquere ich die Marathonmarke in ca. 3:30.

Ab dem Zeitpunkt lege ich mir einen 2-Runden Rhythmus fest, jede zweite Runde zur Labe, einmal kurze Pause: Iso fassen, Anfangs laufen, später gehen und trinken bis zum ersten Mistkübel nach der Labe – weiterlaufen beim nächsten mal lange Pause: Iso und Banane fassen – gehen, essen und trinken bis zum zweiten Mistkübel ein Stück weiter – weiterlaufen Ich weiß ehrlich gesagt nicht wieviele Becher Iso und Bananen ich zu mir genommen habe, eine Bananenstaude geht sich sicher aus. Der Rhythmus klappt perfekt, die Rundenzeiten werden immer flotter und das Laufen geht immer noch ganz locker und leicht.

Nach 4:10 oder ca. 51km das nächste Gel, das nächste Ziel ist das Überlaufen der Veitschmarke, meiner längsten je gelaufenen Strecke. Das motiviert und ich ziehe jetzt meine Runden bis zum 4:33 Schnitt (schnellste Runde bei km 53,2). So überlaufe ich auch diese Marke locker und fange langsam an zu rechnen. Nach 4:55 Stunden bin ich bei km 60 und nun ist für mich klar dass ich mein Ziel, 70km zu erreichen schaffen werde. 10km in 1:05 sollte locker zu schaffen sein, ich fühl mich gut und renn einfach mein Tempo weiter. Jetzt ändere ich den Rhythmus und laufe jede Runde die Labe an, wieder im Wechsel, lange Pause – kurze Pause. Nach 5:15 nehme ich noch ein Gel, erstmals merke ich, dass nun langsam die Kraft weggeht.

In meinem Kopf hat sich aber ein DIN A4 Zettel der an der Strecke hängt eingebrannt: 80% Kopf/20% Leistung, d.h. selbst wenn nur mehr 20% Leistung da ist, wenn der Kopf noch will, dann geht’s noch. Runde für Runde, zwischendurch immer zur Labe und weiter. Mein Schnitt geht wieder knapp unter den 5er, und prompt nach ca. 70km fängt mein linkes Knie innen an dumpf zu schmerzen. Ich kenn den Schmerz nicht und bin stark verunsichert. So laufe ich dann noch eine Runde um sicher über die 70km zu kommen und laufe das letzte Mal nach 5:51 über die Matte. Bei der Labe bleibe ich stehen und beschließe keine Runde mehr anzuhängen, das Knie schmerzt ganz seltsam und ich will bei einem Lauf der bis jetzt so optimal verlaufen ist und den ich nur aus Experimentierfreude gemacht habe keine gröberen Verletzungen davontragen. Carola versucht kurz zu motivieren weiterzulaufen, dürfte aber gleich merken dass ich nicht mehr will. Ich genieße die Labe und sehe noch meinen Konkurrenten aus der M30 vorbeilaufen, einen Klassenrang also verloren.

Zu dem Zeitpunkt vollkommen wurscht, Ziel erreicht, sicher über 70km, und ein gutes Gefühl den Lauf ohne Einbruch beendet zu haben.
Nach dem Duschen dann die Bestätigung. 72,28588 km 6. Gesamt und 2. Klassenrang. Zu Hause auf der Couch muss ich mich dann doch ein wenig ärgern nicht wenigstens weitergegangen zu sein, nachdem das Knie aber stark angeschwollen ist, war es wohl die bessere Entscheidung.

Der Lauf ansich war wirklich klasse, ob ich gefallen an dem Ganzen Ultra-Stundenlauf-Gschichtl gefunden hab kann ich noch nicht wirklich sagen…
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Offline Richy

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2013-03-23 6h Lassee - dogrun
« Antwort #2 am: 28.03.2013, 18:58:47 »
Starke Leistung beim Ausflug in den Ultra-Wahnsinn. Respekt.

Wobei 6 Stunden mit flotten Laufen ja noch Sinn macht. Ultras mit > 6 Stunden und nur mehr irgendwie bewegen -> da wird mir der Sinn wohl ewig verborgen bleiben.

Offline CobbDouglas

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2013-03-23 6h Lassee - dogrun
« Antwort #3 am: 28.03.2013, 21:19:37 »
6 Stunden zu unter 5/km sind schon eine tolle Sache, da gibt es gar nix. Ähnlich wie bei Richy (und bei Dir wohl auch) sind 6 Stunden auch für mich die absolute gedankliche Schmerzgrenze, bei allem darüber hab ich zwar den größten Respekt vor der Leistung, aber für mich wäre es definitiv nix. Wie auch immer, gratuliere!
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Offline helga

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2013-03-23 6h Lassee - dogrun
« Antwort #4 am: 29.03.2013, 07:55:50 »
Tobias du bist so schön gelaufen, locker leicht und sehr schnell, bravo!
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Offline Pizzipeter

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2013-03-23 6h Lassee - dogrun
« Antwort #5 am: 02.04.2013, 08:38:29 »
Es war echt ein Genuss, dich beim Laufen zu sehen - sehr locker und leichtfüßig - super!
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Offline run4fun

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2013-03-23 6h Lassee - dogrun
« Antwort #6 am: 06.04.2013, 23:03:27 »
hab leider erst jetzt deinen bericht gesehen - was soll ich sagen, du warst super drauf, ich hatte nie das gefühl, dassdir die kraft ausgeht (wahrscheinlich sollte ich auch mehr bananen essen) hut ab vor deiner leistung - ich glaube, du wirst es aber irgendwann trotzdem nochmals probieren
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Offline heitzko

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2013-03-23 6h Lassee - dogrun
« Antwort #7 am: 07.04.2013, 22:10:47 »
sehr lässiger lauf! und das eigentlich ohne großartige ultra-vorbereitung, super! du hast talent für diese sachen!

Offline dogrun

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2013-03-23 6h Lassee - dogrun
« Antwort #8 am: 09.04.2013, 15:41:10 »
Ultra Wahnsinn ist der richtige Ausdruck! Und 6 Stunden sind für mich definitiv die absolute Schmerzgrenze. Und auch wenns während dem Lauf super gegangen ist, bin ich mittlerweile fast 2 1/2 Wochen von diesem Lauf außer Gefecht gesetzt da meine Knie mir das anscheinend ziemlich übel genommen haben. Zum glück sind die Knie mittlerweile wieder fast ganz wiederhergestellt.
In absehbarer Zeit tu ich mir sowas aber sicher nimmer an, und wenn dann nur mit einer Vorbereitung die sich so ein Ultralauf auch verdient. ;)
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Offline Wolf

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2013-03-23 6h Lassee - dogrun
« Antwort #9 am: 18.04.2013, 10:15:31 »
Ein wirklich toller Lauf und auch Bericht!
Unglaublich viele Km für 6h!!!

LG Wolf
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Offline JM

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2013-03-23 6h Lassee - dogrun
« Antwort #10 am: 20.04.2013, 14:55:37 »
Hoffentlich geht´s den Knie schon wieder besser.
Ich glaube dir liegen die schnellen kurzen Sachen mehr als die Ultrasachen. (Vielleicht will ich ja einfach nur die schnelle Konkurenz auf den langen Distanzen (noch) fernhalten ;) )
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