Autor Thema: 2016-01-22 24h Burgenland Extrem - Josefstädter  (Gelesen 1626 mal)

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2016-01-22 24h Burgenland Extrem - Josefstädter
« am: 22.01.2016, 00:00:00 »
Datum: 2016-01-22
Event: 24h Burgenland Extrem
Distanz: 117.900 km

Ersteller: Josefstädter

Offline Josefstädter

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2016-01-22 24h Burgenland Extrem - Josefstädter
« Antwort #1 am: 22.01.2016, 00:00:00 »
24h Burgenland Extrem

24H BURGENLAND EXTREM TOUR '16 oder 24H Spirit TOUR 2016, Oggau am 22.1.2016

Der Lauf 24H BURGENLAND EXTREM TOUR '16 wird vielen in bester Erinnerung bleiben. Ausgezeichnete Wetterbedingungen, hervorragende Betreuung, viel von dem beschworenen "Spirit" und die großartige Landschaft rund um den Neusiedler See.
Ein paar Tage vorher wollte ich noch rasch 2 Übernachtungen in Oggau buchen. Aber keine Chance, alles ausgebucht. Statt der Option Rust habe ich dann die direkte Anreise gewählt. Abfahrt von Wien um 2 Uhr morgens, Ankunft in Oggau kurz nach 3 Uhr.
Parkplatz in unmittelbarer Nähe war rasch gefunden, das Abholen der Startunterlagen im Nu erledigt. Als Startnummer ein kleiner herzförmiger Karton, keine 10 cm, der mit einem Kabelbinder irgendwo sichtbar (bei mir am Rucksack) befestigt werden soll. Des Weiteren ein Papierarmband als Ausweis für die Verpflegungsstellen (wurde natürlich nirgends gecheckt) und ein Startsackerl.

Frühstücksräume gab es auf drei Etagen, ich landete in einem Kellergewölbe mit ausgedienten schönen alten Weinfässern. Hier herrschte eine fröhliche unaufgeregte Drängelei. Es wurde geplaudert, getrunken (Tee, Kaffee, Säfte, Wasser), gemampft (Bagel, Aufstrichbrote, Kekse) und Trinkflaschen aufgefüllt.
Niemand war besonders erpicht auf die Startaufstellung draußen in der Kälte.
Schließlich musste man trotzdem raus, eine dichte Ansammlung von Radlern, Läufern, Walkern und Gehern, die Frage an den Nachbarn, in welche Richtung man laufen wird, eine knappe Ansprache vom Bürgermeister und dann geht es kurz nach 4h30 mit einem Startschuss los.

Die schnellen Läufer preschen los, bei den anderen geht es gemütlicher zu. Ich ordne mich von der Seite her kommend mitten unter Wanderern und Walkern in den Strom ein. Es ergibt sich, dass die Läufer seitlich auf dem Gehsteig vorbeilaufen und sich so bereits in der Ortschaft Oggau selektieren.
Bald geht es in die Weinberge hinaus. Meine Lampe brauche ich nicht, weil einerseits leuchtet der Mond voll und andererseits gibt es ausreichend Licht von den Stirnlampen der Läufer um mich herum. Ich nehme an, dass etwa 60% der Läufer ihre Lampen eingeschaltet haben.
Mein Tempo wird durch einen Läufer mit auffallend blinkenden V-förmig angeordneten LEDs auf dem Rucksack bestimmt. Er läuft gemeinsam mit einem Partner ein angemessenes Tempo und ich beschließe, mich von ihm so lange wie möglich leiten zu lassen.

Bald ist Rust erreicht, ich versuche vergeblich ein ansprechendes Foto von Mond und Weinbergen, oder von der Läuferkolonne zu machen. Da muss ich an JM und seine Kamera denken, die könnten das.
Bei Mörbisch habe ich schon längst die Betriebstemperatur erreicht und ich beginne zu schwitzen.

Das Gewand: Schuhe und Socken sind neu. The North Face Ultra TR II und Icebreaker Socken auf Empfehlung von Ulrich. Eine Traumkombination für mich und diesen Zweck. Ich hatte zu keiner Zeit ein Gefühl der Kälte oder Hitze in den Schuhen. Jeder Untergrund wurde problemlos bewältig. Guter Halt und passend. Keinerlei Blessuren, nicht das kleinste Bläschen.
Lange, nicht eng anliegende Hose mit Innenhose mit großen, bequemen Seitentaschen von Asics. Zusätzlich eine weitere, sehr leichte lange Hose, ebenfalls von Asics im Rucksack, die ich allerdings nicht verwendete.
Ein Langarmshirt mit kleinem Zipp vorne am Hals, das ich der Auswahl des alten 100 MCA Vorstandes Toni verdanke. Sehr angenehm zu tragen. Darüber meine zu allererst gekaufte Laufjacke, ich glaube eine Eigenmarke "AS" oder so von selig Intersport. Die hat den Vorteil der langen Ärmel, die man über Hand und Handschuhe ziehen kann. Guter Schutz bei Kälte. Zwei weitere Jacken hatte ich im Rucksack. Eine davon, eine extrem leichte Asics, habe ich in Neusiedel zwischen dem verschwitzten Shirt und der ebenfalls nassen Jacke angezogen. Darüber, von Beginn bis zum Ende, eine Warnweste. Die ist in der Nacht Vorschrift auf Ungarns Landstraßen.

Kurz nach Mörbisch und in 75 Minuten Laufzeit ist die Grenze zu Ungarn erreicht. Die ist unspektakulär: ein Umkehr- und Abfahrtplatz für Linienbusse und ein paar Grenztafeln. Nach einer weiteren Viertelstunde durchlaufe ich Fertörákos, die erste Ortschaft auf ungarischer Seite. Alle achten auf das Gebell der Hunde, weil es im vorjährigen Bericht extra erwähnt worden ist. Ja doch, es ist vorhanden. Und es ist noch immer dunkel. Fein, dass es nur geringfügigen Verkehr gibt, weil die Landstraße hier ist nicht gut zu laufen. Sie ist gewölbt mit unscharfen Rändern, das heißt, seitlich ausgebrochenem Asphalt. Am besten läuft man in der Mitte. Inzwischen beginnt es leicht zu dämmern und das schwache Morgenrot im Osten kündigt einen herrlichen Tag an. Den Läufer, der mir lange Zeit als Orientierung diente, habe ich inzwischen verloren. Jetzt warte ich eigentlich nur auf ein schönes Sonnenaufgangsfoto.

Kurz nach der Halbmarathondistanz (21.9km, 2:33 Laufzeit, 7h05 Tageszeit) komme ich zur ersten Verpflegungsstelle. Ich nehme Tee und 2 Scheiben Bagel, die ich weitergehend verzehre. Die Ortschaft Balf ist im Gähnen und sich strecken. Hier verlässt man die südliche Laufrichtung und biegt ab nach Südost. Das Läuferfeld ist bereits beachtlich auseinandergezogen und man muss einen Blick mehr nach vorne riskieren, um sich zu versichern, dass man den richtigen Weg einschlägt.
Obwohl es keine echten Orientierungsprobleme gibt. Ich habe auf meiner Uhr ein paar waypoints gespeichert, die ich aber während des gesamten Laufes nicht benötige. Auch nicht für die Frage, wann kommt die nächste VP. Die generelle Abfolge habe ich sowieso im Kopf. Ich bin die Strecke vorher ein paarmal in Google Earth anhand des zur Verfügung gestellten Tracks abgegangen. Bei Unsicherheit geben die Laufkollegen Auskunft. Aber Vorsicht, das ist manchmal nichts anderes als reine Mutmaßung.

Nach Balf verläuft der Weg neben einer Straße einher, leicht wellig, zum Teil mit einer dünnen Schneelage, nicht eisig, auch Bäume und Buschwerk. Und so habe ich den richtigen Sonnenaufgang versäumt. Erst kurz vor 8 Uhr, bei Hidegség, konnte ich die Sonne begrüßen. Im Nachhinein gesehen, hätte sie einen "Sonnengruß" verdient. Aber danach war mir zu diesem Zeitpunkt, bei -11 Grad oder weniger, nicht. Die nächste Labestelle erreichte ich nach knapp 4 Stunden und 32.8km bei Hegykö. Vorher hatte ich den Tee aus der 0.45l Thermosflasche, aufgefüllt in Rust, getrunken. Vor allem weil er Salz enthielt und ich muskulären Bedarf danach fühlte. Ich war erstaunt, wie heiß der Tee war, nach dieser langen Zeit im Frost. Bei der Labe gab es offenes Feuer und ein paar Tische. Wirkte recht urig, einige wärmten sich den Rücken am Feuer. Andere berichteten, dass sie die feuchten Handschuhe für das Manipulieren von Speis und Trank abgelegt hätten und nachher wären sie steif gefroren. Ich war etwas verwundert über den Raureif auf meinem Rucksack. Ich gab Salz in meine Thermosflasche und ließ sie mit heißem Tee auffüllen. Mit ein paar Keks in der Hand verließ ich den VP.

Nach Hegykö geht es mit einer leichten Linkskurve Richtung Osten weiter. Man läuft entlang zugefrorener Fischteiche, Felder, Wiesen und Viehweiden. Da treffe ich auch die Freunde vom Heustadlwasser wieder, die länger bei der Labe verweilten. Auf Güterwegen geht es weiter bis Sarród, dann biegt unsere Laufstrecke rechtwinkelig links nach Norden. Das bleibt die generelle Richtung bis Weiden am See.

Bei Sarród gäbe es die nächste Labe (39.6km, 4h50). Ich laufe hinter den Freunden vom Heustadlwasser daran vorbei, obwohl ich das Zeichen gesehen habe. Ein Fehler, wie sich später zeigt. Nach 5:08 überquere ich die Marathondistanz. Jetzt komme ich in ein Gebiet, dass wenig besiedelt ist, natürlich trotzdem landwirtschaftlich genutzt wird und sich zum Teil als Naturpark ausweist. Die Mühsal hat sich eingeschlichen und die Schritte werden zunehmend zäher und kürzer. Die Landschaft zeigt einen Gegensatz von eben und eintönig, aber trotzdem abwechslungsreich. Hier ein Gehöft, da eine Rinderherde, dort ein Kanal. Läufer, die ich überhole (selten) und andere, die mich überholen (häufiger). Jedem Kanälchen stelle ich die Frage, ob es der Einser Kanal sei. Dann überquere ich ihn (44.2km) und stelle fest, dass er größer ist als ich gedacht habe ("Glaube nicht, was du denkst"). Kurz danach treffe ich auf den vom Hexenschuss gequälten Tino Gazelle Griesbach.

Und dann macht sich die zu geringe Nahrungsaufnahme bemerkbar. Ich kann keinen ordentlichen Laufschritt mehr machen. In einem Gespräch diesbezüglich später meint Martin, es sei mangelnder Wille. Nun ja, auch das ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Ich beginne, wie andere auch, wie ich feststellen kann, Gehpausen einzulegen. Nur wenige, aber selbst beim "Laufen" nähere ich mich vor mir Gehenden nur sehr zögerlich. Sobald sie mich hören und wieder ein paar Laufschritte einlegen, entfernen sie sich erstaunlich rasch. Auch ein nettes Spiel. In solchen Momenten halte ich mich immer für eine echte läuferische Luschn.

It's a long way to Apetlon, der nächsten VP mit angekündigtem Würstel. Da denkt man natürlich sofort an die Essener Furt von rundumadum der beiden letzten Jahre. Aber zuerst die Grenze (50.7km, 6:18, 10h20), wo einem ein paar nette Leute die Richtung zeigen und versichern, dass man gut drauf sei. Ich laufe jetzt auf einem Fahrradweg neben der Landstraße zwischen den Ortschaften Pamhagen und Apetlon. In der Apetloner Gastwirtschaft Weinzettel (55km, 6:52, 10h54) gönne ich mir bei einem 10-minütigen Aufenthalt einen halben Liter Apfelsaft mit Leitungswasser und fülle meine Thermosflasche mit Tee nach. Auf die Würstel verzichte ich blöderweise, um rascher weiterzukommen. Andere Snacks gibt es hier nicht und im Rucksack habe ich nur Fruchtsirup "fruit snack machland" von Hofer, zum Beispiel "Apfelmus mit Banane und Erdbeere". Köstlich und stärkend.

Illmitz ist nicht weit entfernt und danach kommt bis Podersdorf eine wunderbare Landschaft. Es ist wahrscheinlich der Nationalpark, aber jedenfalls ein Landschaftsschutzgebiet, weil das Verlassen des Weges untersagt ist. Das hindert einen Radfahrer vor mir aber nicht, ein paar Meter auf die Eisfläche des "Oberer Stinkersee" hinauszufahren. Nach der Stärkung in Apetlon geht es mir wieder etwas besser. Ich höre lautes Geschnatter in der Luft. Ein Blick nach oben zeigt, dass es, wie vermutet, nicht Gänse sind, sondern irgendetwas größeres, das mich in Formation überfliegt. Vogelgeschrei ist nah und fern zu hören. Es nennt sich Ortsteil Illmitz - Hölle (66km, 8:30, 13h02). Für Besucher wurden Beobachtungshochstände errichtet, einer davon, viel niedriger, mit einer Rampe rollstuhltauglich gemacht. Hier habe ich auch die Schweine- und Ziegengehege gesehen.

Das alles bei leichten Minusgraden in prallem Sonnenschein. Eigentlich ein Grund zum Jubilieren - wenn ich nicht meine Kraft einteilen müsste. Seit einiger Zeit praktizierte ich die Methode, bei einem vollen Kilometer während der nächsten 200m ins Gehen zu fallen und die folgenden 1.8km wieder zu laufen. Das ist peinlich und ich empfinde nur noch Sehnsucht nach der kommenden VP, um diesmal wirklich kräftig zu futtern. In der Ferne sehe ich etwas, das Podersdorf sein könnte. Dann erscheinen die ersten Häuser. Es sind wahrscheinlich Ferien- oder Wochenendwohnungen. Jetzt im Winter wirken sie irgendwie ausgestorben, ich kann mich aber auch täuschen. Ein Läuferpaar sucht, ebenso wie ich, die VP Seecafé. Beinahe wäre ich, einem Hinweis folgend, weitergezogen, aber ein Freund stürmt aus dem Café und ruft, ob ich nicht einen warmen Tee wolle (71.6km, 9:23, 13h55).

Bereits seit einiger Zeit, ich glaube unmittelbar nach Apetlon, wo ich beim Essen leer ausgegangen war, hatte ich den starken Wunsch, genau in diesem Café in Podersdorf einen Toast zu essen. Glücklicherweise wurde mein Wunsch entgegengenommen und somit war das mein erster längerer Aufenthalt bei einer VP. Diese 23 Minuten, die 30 von Neusiedl und die 27 Minuten von Purbach summierten sich später auf insgesamt 1 Stunde und 20 Minuten. Kürzere Aufenthalte hätten es wahrscheinlich auch getan.
Den einen Käse-Schinken-Toast habe ich sofort verzehrt, dabei Tee getrunken, frische Fäustlinge mit Innenhandschuh hervorgekramt und, den anderen Toast in der Hand, gemeinsam mit meinem neuen Freund aus Mattersburg, das Café verlassen. Nach ein paar Kilometern war ihm mein Tempo zu langsam und er zog nach vorne weg.

Im letzten Mail der Veranstalter vor dem Start baten sie um ein Selfie, das sie verwenden wollten. Ich mag Selfies von mir überhaupt nicht, aber will andererseits kein Spielverderber sein. Das Selfie, gemacht vor dem Start, vom Start empfand ich als nicht geeignet, deshalb fabrizierte ich zwischen Podersdorf und Weiden zwei weitere. Für eines davon wurde extra die Brille hervorgeholt (die macht es aber auch nicht besser). Das Fotografieren war bis dahin überhaupt ein Problem. Die Hände aus dem schützenden Ärmel herausstrecken, den feuchtkalten Handschuh von der rechten Hand abziehen und verstauen. Das Mobilphone aus der Tasche ziehen, es und die Kamerafunktion aktivieren, stehenbleiben und Foto schießen. Danach ausschalten, zurückstecken und wieder anlaufen. Eiskalte Finger wieder in die noch immer feuchtkalten Handschuhe zwängen und versuchen, den Jackenärmel darüber zu ziehen (wobei die Backup-Uhr im Weg war).

Jetzt war ich gesättigt, aber trotzdem war es weiterhin kein lockerer Lauf. Bei 75km steht zur Abwechslung eine mobile VP - ein Service Auto mit offener Heckklappe und der Service Mann bietet an, was er hat. Zum Beispiel Tee und Banane. Nebenbei erklärt er, dass man "dort drüben" Gols sieht. Das erinnert sofort an den letztjährigen 48-Stunden Lauf und an den rührigen Laufclub Gols.

Beim Weiterlaufen weiß ich, dass ich das Ziel, wenn es so weitergeht, jedenfalls erreichen werde, weil keine wesentlichen Schmerzen vorhanden sind. Ich spüre dennoch ein leichtes Ziehen auf beiden Seiten des Rückens, vermutlich knapp über den Nieren. Zuwenig Rückentraining! Die Kälte ist erträglich (sage ich mir schwitzend) und ich hätte noch 2 Jacken, zwei Shirts und mehrere Hauben und Handschuhe im Rucksack. Die veranschlagten 16 Stunden sind nicht mehr erreichbar. Und wenn schon, es war ja nur ein reiner Schätzwert.

Dann komme ich nach Weiden. Hier fasziniert mich das gelbe Bahnhofshäuschen. Ein paar Kinder spielen Fangen. Irgendwo hier überholt mich auch Didi, nicht der Didi, der in ein paar Stunden in Senftenberg gemeinsam mit Martin und Andy verrückte Sachen machen wird. Jetzt bin ich bereits innerhalb der Marathondistanz für Oggau.

Dann kommt Neusiedl, da gibt es die nächste offizielle VP (82.6km, 11:30, 16h02). Eine sehr gepflegte Schulkantine. Drei Suppen zur Auswahl. Ich wähle die Kürbiscremesuppe. Dazu ein schwarzer Tee, den ich zuerst wegen seiner Farbe für einen Kaffee hielt. Auch er, so wie die Suppe, schmeckte wunderbar. Einige Bekannte hocken hier ebenfalls herum und können sich, ebenso wie ich, nur schwer zum Weiterlaufen aufraffen, so gemütlich ist es hier. Weil es inzwischen nach 16 Uhr ist, bereite ich mich auf die kommende Dunkelheit vor: Lampe und Haube (gegenwärtig trage ich noch Tuch) griffbereit und zusätzliche Jacke untergezogen. So machen wir uns um 16h32, nach genau 12 Stunden Laufzeit, wieder auf den Weg.

Ich hätte erwartet, dass es jetzt nach Westen geht. Anstatt dessen entfernen wir uns vom See und laufen nach Nordwesten Richtung Jois. Bei Einbruch der Dämmerung und im herrlichen Abendrot bin ich wieder allein. Ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich in Jois an der Abzweigung zum Hillinger vorbeigelaufen bin. Damit habe ich auf einen HILL-Glühwein verzichtet. Andererseits ist mein bevorzugter Wein eh der Wachauer (Entschuldigung Gols und rundumadum!).

Jois war der nördlichste Punkt der Umrundung, jetzt neigte sich der Radweg gen Südwesten. In der Finsternis entstand der Eindruck unendlicher Langwierigkeit. Tagsüber hat man von hier aus sicher einen schönen Blick über Äcker und den Schilfgürtel auf den See hinaus. Ich wurde immer langsamer, kein Ansporn da, lange Gehphasen. Nach 13:43 Laufzeit war der Akku so leer, dass die Uhr das GPS ausgeschaltet hat (der Timer lief weiter). Ich merkte das erst nach 1.75km und startete die Aufzeichnung der zweiten Uhr, das Backup auf der rechten Hand.

Knapp vor Purbach hörte und sah ich zwei Männer hinter mir, denen ich mich anschloss, um die nächste VP im "Gut Purbach" leichter zu finden, vor allem auch da einer von den beiden in Donnerskirchen zu Hause ist. Die Gulaschsuppe war nicht besonders überzeugend (viele Frankfurterstücke, wenig Fleisch) aber das Ambiente, die äußerst netten Wirtsleute und der Tee überzeugten. Die Gäste fanden sich wieder in ähnlicher Zusammensetzung wie bei den letzten VPs. Nach 25 Minuten startete der Aufbruch zu den letzten 14 Kilometern.

Der Vollmond beleuchtete wieder den Radweg. Deshalb musste ich nicht ständig die Handlampe halten. Eine Stirnlampe hatte ich im Rucksack als Backup bei Batteriewechsel, aber ich verwende lieber die kleine Handlampe. Sie hat kräftiges Licht, ist fokussierbar (zum Beispiel auf Wegweiser) und handlich. Nachteil bei diesem Lauf: wegen der Metallhülle liegt sie extrem kalt in der Hand. Besser wäre eine Gummiummantelung.

Kurz nach Purbach sah ich eine rot blinkende Lampe auf dem Rucksack eines Läufers vor mir. Daran orientierte ich mich auf den nächsten Kilometern. Einmal war ich gleichauf, grüßte, aber es entwickelte sich kein Gespräch. Ich dachte, die Lampe wolle alleine sein, was ja durchaus legitim ist, und ließ mich leicht zurückfallen, hängte mich weiterhin an sie an, was ebenfalls legitim ist. Wenn sie ging, ging ich. Wenn sie lief, lief ich. Immer Abstand bewahrend. Später, im Ziel, erkannte ich das Blinklicht - es war Adalbert (28 Marathons und 22 Ultras, allein in den offiziellen Listen von marathonaustria und D-U-V)! Später, wieder im Gewölbekeller des Gemeindehauses, wo ich mich mit 2 starken Espresso für die Fahrt nach Wien aufmunitionierte, hatten wir ein angenehmes Plauscherl.

Nach Donnerskirchen liefen wir ein paar hundert Meter parallel zur 50-er Bundesstraße. In meiner Kindheit eine der wichtigsten Straßenverkehrsverbindungen des Burgenlandes. Heutzutage wichtig für alle jene Narren, die am ARAB (Austria Race Across Burgenland) teilnehmen. An einem Verkehrskreis (inzwischen im Burgenland ebenso beliebt wie im Pröllland) biegt der Radweg nach Südosten (!) ab. Kurz vor Ende des Radweges schlug sich das Blinklicht in die Büsche und ich musste es überholen. Danach einen nächsten Läufer. Dann war der Radweg zu Ende und es ging auf der Landesstraße weiter. Sehr unangenehm, wenn ein Auto entgegen- und vorbeibraust.

Aber nach gut einem Kilometer weist ein Pfeil über die Straße in die Weinberge hinein. Andererseits irritierend, weil man geradeaus vorne die Ortschaft sieht und es geht rechts in die Hügel hinauf. Später, im Auto am Weg nach Hause, habe ich registriert, dass viele Teilnehmer den bequemeren aber gefährlicheren Weg der Straße entlang wählten. Da habe ich erst gesehen, wie lustig wir mit unseren reflektierenden Sachen im Scheinwerferlicht eines Autos für die Fahrer ausschauen.

Jedenfalls schienen sich die nächsten und letzten drei Kilometer bis zum Ziel endlos zu ziehen. Zwischen den Weingärten herumirrend, ständig auf der Suche nach Zeichen, wie es weiter geht. Schließlich war ich im Ziel und konnte Regina, die gerade von Martin fotografiert wurde, aus dem Sofa aufstampern, um mich selbst für das Zielfoto hineinfallen zu lassen. Die Uhr im Ziel zeigt 21h34, also 17:04 Stunden nach 4h30 angekommen.
75. Wiener Höhenstraßenlauf 7.10.2023     Int. Wiener Herbstmarathon 8.10.2023     WRU Ganze G'schicht 4.11.2023     Adventlauf Tulln (Marathon) 3.12.2023

Offline Barbara

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2016-01-22 24h Burgenland Extrem - Josefstädter
« Antwort #2 am: 29.01.2016, 21:51:58 »
Vielen lieben Dank für den Bericht Josef. Toll hast du das hingekriegt.  Deine Erfahrung merkt man an deiner sehr angenehmen Unaufgeregtheit. Gratuliere dir!  Besonders schätze ich an deinem Bericht die Hinweise auf die Ausrüstungsgegenstände und wo es Spielraum zur Optimierung gibt.

Offline run4fun

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2016-01-22 24h Burgenland Extrem - Josefstädter
« Antwort #3 am: 29.01.2016, 21:58:33 »
Schön erzählt (Wie kann man sich nur all das merken?). Und Gratulation zum Finishen.
Ernährung für Ausdauersportler
http://endurancefood.blogspot.co.at/

Offline Pizzipeter

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2016-01-22 24h Burgenland Extrem - Josefstädter
« Antwort #4 am: 30.01.2016, 09:53:50 »
Danke, Ultra-Josef :-))), für den eindrucksvollen Bericht und nochmals Gratulation!!!
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Offline dogrun

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2016-01-22 24h Burgenland Extrem - Josefstädter
« Antwort #5 am: 30.01.2016, 14:16:28 »
Gratuliere Josef, du bist und bleibst ein Phänomen!

Eindrucksvoller Lauf und Bericht! Danke!
„Sport stärkt Arme, Rumpf und Beine / Kürzt die öde Zeit / Und er schützt uns durch Vereine / Vor der Einsamkeit.“ (Joachim Ringelnatz)

Offline uschi61

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2016-01-22 24h Burgenland Extrem - Josefstädter
« Antwort #6 am: 06.02.2016, 11:48:19 »
Danke für den interessanten Bericht und Gratulation zu deiner Leistung - schaut bei dir alles so einfach aus, super!
Lebe deine Träume!

 

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