Autor Thema: 2016-04-17 Hamburg Marathon - Diana11  (Gelesen 922 mal)

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2016-04-17 Hamburg Marathon - Diana11
« am: 17.04.2016, 00:00:00 »
Datum: 2016-04-17
Event: Hamburg Marathon
Distanz: 42.195 km

Ersteller: Diana11

Offline Diana11

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2016-04-17 Hamburg Marathon - Diana11
« Antwort #1 am: 17.04.2016, 00:00:00 »
Hamburg - ein Wechselbad der Gefühle

Nach dem letzten update im März war die Freude hinsichtlich weiterer Berichterstattung im blog sehr überschaubar. Einerseits war ich enttäuscht & andiniert ob meines angeschlagenen Fußes und hatte folglich wenig Bock dies noch großartig breitzutreten, andererseits wollt ich auch nix frühzeitig "verschreien" - hab ich schon öfter erlebt, dass ich kleinste Fortschritte freudig kundgetan hab und bei der nächsten Trainingseinheit gleich der nächste Dämpfer kam, weil ich eigentlich doch noch nicht laufen konnte/durfte/sollte. Oder, fast noch schlimmer, sich der rote Faden in meiner Läuferkarriere, die Husten-Schnupfen-Heiserkeit Hysterie einige Tage vorm Wettbewerb, wieder einstellen würde. Wenn schon ein Anfall von Hypochondrie, dann diesmal wenigsten unbemerkt im stillen Kämmerlein. Aber - Überraschung! - diesmal kam es anders, ich blieb gänzlich verschont. Vielleicht ist ja damit das Muster durchbrochen, mal schauen.

Schließlich hat sich der beleidigte Fuß wieder beruhigt, die Wehwehchen sind vollständig abgeklungen, allerdings hat sich das Prozedere 2-3 Wochen hingezogen und anschließend durfte ich das Lauftraining  nur "dezent" wieder aufnehmen. Somit hatte ich einen Trainingsausfall von gesamt 4-5 Wochen in der eigentlich heißesten Phase der M-Vorbereitung. Schöner Schaden! Sandrina hat mir zur Schadensbegrenzung einen Alternativtrainingsplan mit Radeln/Ergometer und Aquajoggen erstellt. Damit kam ich zwar auch auf bis zu 8h Training in der Woche, aber es war trotzdem "nur" Alternativtraining und mir war klar, dass ich mein ursprüngliches M-Ziel bis auf Weiteres ad acta legen konnte. Aber genauso klar war mir, dass ich, wenn der Fuß bis Mitte April belastbar wäre, AUF JEDEN FALL starten würde, selbst wenn's der berühmte Wandertag werden würde. Eine erneute Absage unmittelbar nach Berlin kam für mich nicht in Frage. Wobei, diesmal waren die Voraussetzungen auch andere, hatte ich ja bis dahin schon einige lange Läufe - vier davon um die 30km - in den Beinen.

Die Wochenumfänge der letzten 6 Wochen vor M sahen dann so aus: 11km - 19km - 41km - 68km - 46km - Wettkampfwoche, ein Großteil davon in Marathonpace oder ein bissl flotter um mich an das Tempo zu gewöhnen. Am Ostermontag (3 Wochen vor M) bin ich Rahmen der Thermentrophy den Osterlauf HM gelaufen. Der war seitens Sandrina nicht vorgesehen und ihre Begeisterung hielt sich sehr in Grenzen, dass ich trotzdem gestartet bin. Aber ich war bereits angemeldet und wollte es mit der Option, jederzeit aufhören zu können und ggf. nur gemütlich à la longjog zu laufen, probieren und schauen, wie's der Fuß verträgt. Mit der Zeit von 1:54:xx war ich sehr zufrieden, weil a) der HM nicht einmal annähernd auf Anschlag gelaufen, b) die Strecke etwa 280hm bietet und c) ich 3-4 Wochen nur minimalstes Training intus hatte. 10 Tage vor M noch ein letzter 30er LL und gleichzeitig der erste seit 5 Wochen ... oje-oje, ein Fiasko! Was genau das Problem war, weiss ich nicht - Hungerast, spinnerter Kreislauf, Hormonchaos, eine Kombination von allem... jedenfalls kannte ich sowas in der Art noch nicht. Nach 2h der Puls in überirdischen Regionen, Tempo rausnehmen hat nicht viel bis gar nix gebracht, selbst im Gehen wollte er nicht mehr wirklich runter. Nicht gerade aufbauend, andererseits ein gutes Mentaltraining und die Gewissheit, dass ich's auch unter bescheidenen Umständen durchziehen kann. Wie auch immer, alles in allem fühlte ich mich (trotzdem) um Welten besser vorbereitet als im Okt. 2014 in München.

Gut, mit dieser Vorgeschichte ging es Freitag früh Richtung Hamburg. Ich hab mich riesig auf das lange Hamburg-Wochenende gefreut. Michi würde am Sonntag an seinem Geburtstag seinen ersten Marathon laufen, mein Fusserl war wieder hergestellt, sonstige Wehwehchen sind ausgeblieben und wir waren fit, im Sinne von gesund. Gebucht haben wir im Hotel St. Annen in der Annenstraße, das ich uneingeschränkt weiterempfehlen kann, für unsere Zwecke in super Lage - zwischen Reeperbahn und Hamburger Dom (kein Kirchengebäude sondern ein Rummelplatz!) nur ca. 15 Gehminuten von der Event Arena entfernt. Freitag und Samstag wurden mit den, wie ich vermute, üblichen Vor-Marathon-Aktivitäten verbracht: im Hotel häuslich einrichten, Startnummer abholen, M-Messe besuchen, ein bissi (aber nicht zu viel) Stadt erkunden, gut essen, ein kurzer Auslockerungslauf, so gut es geht ausruhen, x-mal Wetterbericht checken und unendliche Plaudereien über Renn- & Verpflegungsstrategien, Trainingsphilosophien, angestreben und nicht-angestrebten PBs usw. ....blablabla eben :-)

Der Sonntag Morgen hat sich mit blauem Himmel und Sonnenstrahl präsentiert, konträr zu den Vorhersagen, lediglich die Temperaturen von 8-11° entsprachen den Prognosen. Den angekündigten (stärkeren) Wind hab ich die meiste Zeit kaum wahrgenommen ... zusammengefasst: perfektes Marathonwetter ... jööö! Wie bereits erwähnt, hatte ich mich 6 Wochen zuvor schon von meiner Wunschzielzeit verabschiedet, hingegen die 3:59:xx waren sehr wohl noch in meinem Kopf, nicht als ultimatives Ziel, nicht auf Biegen & Brechen, aber ich hielt es für möglich und wollte es probieren. Michi hat die Tendenz etwas überambitioniert davonzuhirschen und früher oder später einzugehen (unvergesslich die Trainingseinheit 5x 2min voll, wo er beim 1. Durchgang losgesprintet ist wie ein Einser, ich fassungslos ob seiner wundersamen Formentwicklung hinterher und er nach ca. 50sec. nach Luft ringend in den Wandermodus verfallen ist. Die Definition "voll" in Kombination mit Zeit oder Distanz haben wir danach noch längere Zeit ausdiskutiert). Ergo hab ich ihm gebetsmühlenartig eingetrichtert, mit 5:40 anzulaufen, einfach schauen wie's geht und was passiert . Es war ja Michi's erster Marathon und seine Vorbereitung wegen Wohnungsumbau/Übersiedlung, ein-zwei Infekten und einer spinnerten Achillessehen ebenfalls von optimal weit entfernt. Somit waren Überraschungen am langen Weg quasi vorprogrammiert.

Um 9:09 war's dann für uns im Startblock G soweit ... herrlichstes Laufwetter, supertolle Stimmung und wir beide glücklich, dass wir (überhaupt) laufen konnten. Die ersten 1-2km leicht bergab Richtung Reeperbahn empfand ich recht praktisch, weil gscheites Einlaufen vor dem Start kein großes Thema war und ich immer so 2-3km brauch bis ich auf Betriebstemperatur bin - bergab gings definitiv leichter. Gleich im Anschluss dafür ca. 3km leicht bergauf und prompt wurde ich etwas langsamer. Ich meine einen leichten Anstieg, keinen Berg, und kurz hatte ich die Befürchtung, dass es mir ähnlich wie in München ergehen würde und nicht einmal für kurze Zeit die minimum pace halten würde können. Diese Sorge war vorerst unbegründet, weil bald fand ich wieder mühelos ins gewünschte Tempo ... zumindest so ungefähr halt, weil die pace, die Garmin ausspuckt, ist bestenfalls ein Märchen. Gut, das wusste ich bereits vom Training. Michi und ich liefen rund 10km miteinander quasi im Gleichschritt. Bei der zweiten Labstelle trennten sich aber fürs Erste unsere Wege. Diesmal ist es mir dank dem Trinkschlauch-Trick problemlos gelungen, Wasser, Iso und Gel im Laufschritt zu konsumieren, Gehpausen waren nicht notwendig. Michi hat sich etwas mehr Zeit gelassen und so kam's, dass ich mich ein bissl absetzen konnte. Ich blieb in meinem Trott, weil wir vereinbart hatten, dass jeder im Zweifelsfall sein Ding durchzieht. Wie sich später herausstellen sollte, war er aber eh nur ein paar Meter hinter mir und hat mich ständig im Blick gehabt, bis er mich im Tunnel aus den Augen verlor. 

So ging's bis zur HM-Marke relativ flüssig dahin. Die Strecke und Mitläufer haben mir sehr zugesagt - es gab überhaupt keine Drängeleien, massig Raum zum ungehindert laufen, ich hatte sogar Gelegenheit der Blauen Linie für einen Großteil der Strecke zu folgen. Die gelegentlichen bergauf Passagen hab ich gar nicht mitbekommen, im Gegenteil, am Ende blieb der Eindruck, dass der Kurs mehr bergab ging (in diesem Punkt unterscheiden sich Michi's und meine Wahrnehmung). Und das Publikum ist dort sowieso sensationell - entlang der ganzen Strecke massenhaft Leute, die dich anfeuern, mit Wassermelone und Getränken versorgen und sogar zwei Kaffee & Kuchen Buffets habe ich gesichtet. Schon alleine für diese Stimmung lohnt sich die Reise nach Hamburg - echt Hammer! 
Bis zum HM, wie gesagt, alles gut, aber dann machte sich leichtes, in weiterer Folge heftigeres Unbehagen breit - ein Boxenstopp wurde notwendig. Geh bitte!!! Wie sollte sich mit einer Klopause sub 4h ausgehen? Ich hatte Null Zeit-Reserve und es war klar, dass der Besuch in der Dixibox nicht in 30sec. erledig wäre. Alles hadern nützte aber nix, also ran zum nächsten Klo bei ca. km25. Hier war gerade besetzt, eine andere Dame wartete bereits und dann war ich dran ... das Ganze kostete mich, weil ich mich extra beeilt hatte, in etwa 5 Min. Hudeln bringt aber bekanntlich nix, weil einige km später sollte ich nochmals "einkehren" müssen, da war aber wenigstens "nicht besetzt". Herrje, so eine Unform! Danach war die Motivation für einige Zeit im Keller, es folgte die härteste Phase wegen mentaler Krise bis ungefähr km35. Nach dem 1. Klogang hab ich mich noch in aller Ruhe umgesehen, ob ich irgendwo Michi finden würde - ich hatte es ja nimma eilig, weil sub4h spielt's sowieso nicht mehr. Jedenfalls setze ich mich dann doch wieder in Bewegung und siehe da, nach ein paar hundert Metern sah ich doch tatsächlich das "Sportfreunde Scholler - Michael" T-Shirt vor mir. Das gibt's ja gar nicht, so ein Glück ... juhuuuu! Ich hab rasch aufgeholt und beschloss spontan, den weiteren Lauf mit Michi zu bestreiten - noch ca. 15km. Na, mehr hab ich nicht gebraucht! Ich wurde nach einer kurzen Diskussion regelrecht "weggeschickt" ... und das war sehr gut so. Die nächsten km waren wirklich hart für mich, der Kopf wollte nicht mehr und die Haxen wurden schon ein bissi steif. In dieser Phase sagte ich mir "nie wieder, nie wieder tu ich mir das an, den mach ich noch fertig und das war's dann" - nonsens natürlich! Andererseits wollte ich in dieser Misere auch nicht länger als unbedingt nötig verweilen und schon gar nicht wollte ich eine langsamere Zeit als in München mitnehmen. So hab ich mir selbst eingetrichtert, dass es nun nur mehr Kopfsache sei und einfach nur weiterlaufen angesagt sei. Naja, letztendlich hat es gewirkt und ich hab den Biss wiedergefunden. Ab km35 ging's wieder merkbar bergauf mit meiner Laune und ich konnte wieder ein bissl Land gewinnen. Bei km37 dachte ich, "nur mehr 5 depperte km, die renn' ich mit links". Auch die aufmunternden Worte der Zuseher und dass ich noch viele Läufer überholen konnte, hat mich unglaublich motiviert. Wobei, am letzten km hab ich schon ziemlich vor mich hin geächzt, da war's schon sehr anstrengend. Egal, das Ziel in Griffweite, die jubelnde Menge, bald würde ich's geschafft haben ... und die Tränen kullerten schon, mahhh, hab ich mich gefreut! Nach 4:06:22 war ich im Ziel - von der Zeit völlig unbeeindruckt, weil Ziel ja verfehlt, aber trotzdem glücklich, weil ich mich durchgebissen habe.

Michi hat nach 4:23:xx gefinished - er hatte es um ein Eckhaus schwerer als ich, weil schmerzende AS/Fersensporn ihm einige Gehpausen bescherten. Das hat ihn aber nicht sonderlich abgeschreckt, ein paar Stunden später hat er schon was von Florenz oder so gefaselt :-) 
Ihn im Zielbereich heil, wohlbehalten und glücklich zu sehen, war der schönste Moment des ganzen Marathons.
WETTKAMPFSCHWAMMERL
Shit happens! Mal bist du Taube, mal bist du Denkmal. (Dr. Eckhart von Hirschhausen)

Offline Josefstädter

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2016-04-17 Hamburg Marathon - Diana11
« Antwort #2 am: 22.04.2016, 01:16:00 »
Ja, sehr jung und gut beschrieben. Alles nachvollziehbar - besonders die Probleme von Michi mit der AS.
Anhand deiner Zeiten hat man gesehen, dass du dem Ende zu, wo viele eingehen, viel Kraft hattest.
Sub 4 das nächste Mal.
Nochmals Gratulation!
75. Wiener Höhenstraßenlauf 7.10.2023     Int. Wiener Herbstmarathon 8.10.2023     WRU Ganze G'schicht 4.11.2023     Adventlauf Tulln (Marathon) 3.12.2023

Offline Anna

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2016-04-17 Hamburg Marathon - Diana11
« Antwort #3 am: 22.04.2016, 10:37:05 »
Schöner Bericht über dein Marathon-Schicksal. Trotz idealer Planung gibt es Unvorhergesehenes - du hast das Beste draus gemacht. Gratuliere zu deinem Kampfgeist und Durchhaltevermögen.

Offline Pizzipeter

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2016-04-17 Hamburg Marathon - Diana11
« Antwort #4 am: 22.04.2016, 13:38:28 »
...ich hab mit dir mitgelitten...so ein Sch... aber toll gekämpft und durchgehalten! Bravo!
Danke für deinen Bericht!
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