Autor Thema: 2017-05-26 48 Stundenlauf Gols - Josefstädter  (Gelesen 898 mal)

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2017-05-26 48 Stundenlauf Gols - Josefstädter
« am: 26.05.2017, 00:00:00 »
Datum: 2017-05-26
Event: 48 Stundenlauf Gols
Distanz: 224.854 km

Ersteller: Josefstädter

Offline Josefstädter

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2017-05-26 48 Stundenlauf Gols - Josefstädter
« Antwort #1 am: 26.05.2017, 00:00:00 »
48h Lauf Gols am 26.5.2017


Am Ende des 48h Lauf Gols vor einem Jahr habe ich gesagt, das mach ich niemals wieder. Diesmal weiß ich, dass ich nächstes Jahr wieder Teil dieser Horde von Verrückten sein möchte. In Wahrheit ist jedoch niemand von uns verrückt.
Manchmal wird scherzhaft behauptet, ein Stundenlauf sei ganz einfach: rechtzeitig am Start sein, zumindest eine Runde laufen, beim Ende-Signal an der Piste stehen und auf das Messrad warten (oder ins Ziel laufen, falls es so vorgesehen ist). Man muss nur aufpassen, dass das Reglement nicht anderes vorsieht. In Oberwart zum Beispiel wurde erwartet, dass ein 6h Ultra (!) Läufer zumindest mehr als die Marathon-Distanz von 42,195 km läuft.

Eine Woche vor Gols absolvierte ich den Oberwart Marathon. In den Tagen bis zum Start beim 48h Lauf war Tapering angesagt. In der Nacht vor dem Lauf habe ich nur 2 Stunden geschlafen und bin um 7h mit dem Auto nach Gols gefahren. Ich habe es neben dem "Pavillon" des ULT Heustadlwasser (Erwin und Martin) abgestellt.

Die Vorbesprechung (Magdi) war um 9h30. Wolf ist es gelungen, erst 10 Minuten vor dem Start einzutreffen. Unter den Rotoren einer Drohne sind wir um 10h auf die langen Reise gestartet.

Jede Läuferin, jeder Läufer hat ein perösnliches Ziel. Ich habe mir ein stressreduzierendes gewählt: zuerst 50 km in einem Tempo, mit dem ich den 100 km Lauf in der vorgegebenen Zeit von 12h absolvieren könnte, nämlich 6:30 - 7:00. Dann eine Stunde Pause in der Form von Gehen, also 5 - 6 Kilometer. Danach die nächsten 50 Kilometer. Später flexibel weiter, je nach Können, Wetter und sonstigen Zuständen. Für die Gesamtkilometer wollte ich keine Zahl nennen, aber 200 km sollten es schon sein.

Warmes Wetter war angesagt. Zum Laufen hatte ich eine kurze Hose und ein kurzärmeliges ULT Heustadlwasser Shirt gewählt. Laufschuhe waren meine Puma Speed 100 R IGNITE. Anfangs ging es ja recht gut, aber schon bei km 26 wurde es schwierig. Das Tempo reduzierte sich auf über 7 Minuten pro Kilometer. Die Marathon-Distanz in 5 Stunden, für die ersten 50 Kilometer schließlich 6 Stunden und 8 Minuten. Das ist ein Pace von 7:22, also den Plan doch deutlich verfehlt. Es war inzwischen sehr heiß geworden.

Bei der Verpflegung erhält man mehr als 10 unterschiedliche Getränke. Für die Runde nach dem ersten Heat (50km) wählte ich ein Fläschchen kalter Radler alkoholfrei und ging langsam weiter. Auf den Fußsohlen spürte ich ein unangenehmes Kribbeln und behandelte sie deshalb mit ein wenig Nivea an unserem "Basislager" (Zelt und Auto). 50 Minuten später, um 17 Uhr, gab es bereits die erste Mahlzeit. Suppe, Schnitzel und Salat. Man kann sich in ein kleines angeschlossenes Zelt mit Tischen und Bänken setzen. Ein paar nette Gespräche mit Teilnehmern, Betreuern und Begleitpersonen führen. Es rennt der Schmäh, wie man so sagt. Was sich aber ebenfalls gesehen habe: Läufer mit Teller und Gabel in der Hand weitergehend.

Jetzt wäre das zweite 50km Paket an der Reihe gewesen. Das blieb aber Illusion. Statt dessen gab es zwischen 17h30 und 20h ein gemütliches Weitertraben (Pace 8:30 bis 9:30) um danach in ein flottes Gehen zu fallen. Beim Gehen rechnet man mit einer Stundenleistung von 5 bis 6 Kilometern. Mir wurde das so exempliert: wenn ich jetzt, um 20 Uhr abends, 10 Stunden nach dem Start und 72 zurückgelegten Kilometern, bis 6 Uhr früh durchhalte (wieder 10 Stunden), dann könnte ich weitere 50 bis 60 Kilometer machen, also auf 122 Kilometer gesamt kommen. Abzüglich Zeit zum Abendessen um 23 Uhr. Der mir das vorrechnet ist Fritz. Gesagt getan, die nächsten Stunden verbringen wir gehend und plaudernd auf der Strecke. Ich kann mich nicht erinneren, was wir alles getratscht haben. Hauptsächlich sehr Wichtiges, aber auch Belangloses. Meistens sehr Nettes über Laufkollegen, kann aber auch sein, dass die eine oder andere Gehässigkeit (aber daran kann ich mich überhaupt nicht erinnern!) geäußert wurde. Bei Ultraläufen muss man jederzeit damit rechnen, dass Pläne obsolet werden. Ausgenommen vielleicht bei den Spitzenläufern Michalitz & Co. In meiner Aufzeichnung sehe ich dann zwischendurch 4 Runden Traben oder eine Pause.

Um 23 Uhr, noch immer Freitag, gab es Suppe und Spätzle zum Abendessen (Suppe war eh immer dabei). Diese Runde, die neunzigste, dauerte 31 Minuten. Kurz nach 1 Uhr hatte ich dann die ersten 100km voll. Inzwischen hatten wir die Laufrichtung geändert. Um 3 Uhr morgens machte sich der Schlafmangel so richtig bemerkbar. Ich war allein unterwegs und torkelte unsicheren Schrittes dahin. Bei zwei Runden hintereinander legte ich mich für die Dauer von 10 Minuten mit dem Rücken auf die hinteren Sitze des Autos, die Füße blieben im Türrahmen verkeilt. Es half. Speziell für diesen Lauf hatte ich mir einen Walkman gekauft. Den benützte ich jetzt und die Rhythmen, der anbrechende Tag und später ein stärkender Toast halfen mir auf die Sprünge.

Eine Überlegung war, während der heißesten Zeit und wenn die 6h Läufer unterwegs sind, eine Pause zu machen. Um halb Neun habe ich das einfach vorverlegt, bin unter die Dusche und versorgte die Füße. Kurz nach zehn habe ich mich im Turnsaal hingelegt. Nicht ohne Fritz vorher zu bitten, mich um 12 zu wecken, damit ich nicht wie im Vorjahr verschlafe und nach 8 Stunden munter werde. Gleich im Anschluss gab es Mittagessen und so dauerte diese Runde insgesamt 4 Stunden. Danach waren 140km geschafft.

Mein Club ULT Heustadlwasser (beim Forum spricht man ja nicht von einem Club) war im 48h Lauf mit 3 Läufern gut vertreten. Leider war ein Zweidrittelausfall zu verzeichnen. Erwin und Martin hatten derart massive Probleme, dass sie aufgeben mussten und ich allein übrig blieb. Aber beim 6h Lauf gab es für das ULT Heustadlwasser starken weiblichen und verlässlichen Nachschub durch die Rasanten Tanten (Gabriele, Tanja und Claudia). Es war eine Gaudi, die Melange der flotten 6h Läufer mit den teilweise schon sehr ermattet wirkenden 48h Läufern zu erleben. Anhand meiner Aufzeichnungen ist zu erkennen, dass es doch einigermaßen motivierend auf mich gewirkt haben dürfte. Um 16Uhr30 gabs wieder Essen, ich glaube Kaiserschmarren, und eine längere Pause. Diese Runde dauerte fast zwei Stunden.

Ich wusste von meinen zum Teil offenen Blasen (selbst geöffnet). Irgendwann hatte ich die dünnen Puma Ignite gegen die etwas weicheren Brooks pure connect gewechselt. Der Gesamtzustand des Körpers war ein eher guter und der Geist war, abgesehen von übermäßiger Schläfrigkeit, fröhlich und heiter. Ich war jetzt, am späten Samstagabend, fest überzeugt, sowohl die 200km wieder zu schaffen, als auch eine neue PB (> 216km) zu erreichen. Als Nachtmahl gab es um 22Uhr30 das von Martin heißgeliebte Risotto. An sich mag ich den Gatsch ja eher weniger, aber in diesem Fall, unserem sowieso Benefizer zuliebe, habe ich es tapfer geschluckt.

Knapp vor 2 Uhr früh bin ich, trotz Johnny Cash im Ohr (Ring of Fire!), auf der Laufstrecke entlang getorkelt. Im Gegensatz zur Nacht davor waren jetzt wirklich nur mehr wenige Läufer unterwegs, die üblichen Verdächtigen halt. Deshalb entschloss ich mich, 3km vor der 200km Marke, den Beifahrersitz des Autos zu entern, den Wecker auf 3Uhr30 zu stellen und zu warten, was da kommen würde.

Es kam der tiefe Schlaf und ein gespenstisches Wachwerden. Leichter Schüttelfrost von der eingebildeten Kälte. Über der Wiese vor der Frontscheibe bei beginnender Dämmerung, zogen Läufer gehend, im Schlurfschritt oder laufend geräuschlos vorbei. Ich tief zufrieden und glücklich, weil nicht verschlafen habend und irgendwie ausgeruht seiend. Langsam herauszwängen (nur in dieser Situation vermisse ich einen SUV!) und zurück auf die Piste. Ein frühliches morgendliches Hallo den Betreuern an der Verpflegung. Die nächsten zwei Runden erledigte ich in einem "flotten" 8:30-er Schnitt zu Ehren der darauf folgenden 200km Marke. Das war um 4h13.

Jetzt hatte ich noch knappe 6 Stunden um irgendwas zu machen. Die 17km, um die neue PB zu erreichen, war wohl klar. Etwas darüber hinaus wohl auch, aber nicht viel mehr. Außerdem wußte ich aus Erfahrung, dass in der letzten Stunde von 9 Uhr bis 10 Uhr eine gewisse Leistung erwartet wird ("Die letzte Stunde"). Ich zog mich um 5Uhr30 für mehr als eine Stunde in den Turnsaal zurück und setzte mich anschließend zum Toast. Dann stieg ich bei 108km wieder in das Rennen ein. Die neue PB von 117km erreichte ich nach einer 6:33 Runde um 8Uhr53. Das war mir wieder einen gekühlten Radler (alkoholfrei gabs nicht mehr) wert. Die nächsten Runden wurden gemütlich gelaufen und jeweils kurz vor dem Zielbogen kräftig in die "Welle" hinein beschleunigt, dabei aufpassend, nicht zu nahe am Vordermann zu sein, damit nichts durcheinander gebracht wird. Dazwischen gab es Spielchen wie die einzige verbliebene Läuferin (Daniela) wird von männlichen Golser Groupies begleitet oder der älteste Läufer von Golser Girls. Die letzte Runde habe ich mir dann so eingeteilt, dass ich beim Schlusszeichen (war es Schuss oder Sirene?) ungefähr 200 Meter vor dem Ziel zum Stehen kam.

Und die anderen Läufer? Die werden ihre Eindrücke selber schildern. Es wäre mir nicht möglich, da einen Überblick zu bewahren. Jedenfalls der Sieger Andreas ist wie ein Uhrwerk immer wieder vorbeigezogen. Selten, dass er gegangen ist. Ebenso der "Lokalmatador Franz" (Sack), auf dessen Initiative der Lauf angeblich beruht. Unsere Helden Martin und Wolf. Jetzt schon zum zweiten Mal mein Buddy Fritz (vorher LCC Frühlingsmarathon). Unverkennbar Tino und Andy. Die Schweizer Stefan (der Geher) und Franz (Jahrgang 1941). Die unermüdliche Daniela aus Berlin (die mal kurz vom OP-Tisch weggetreten ist).

Dann wäre da noch das wunderbare Golser Betreuer-Team. Tag und Nacht anwesend, immer bereit, unsere Wünsche zu erfüllen. Immer guter Laune und die Leute aufmunternd. Die persönlichen Betreuer der Läufer in den Wagen- und Zelt-Kolonien am Rande der Strecke.
Wenn möglich, komme ich nächstes Jahr wieder.
75. Wiener Höhenstraßenlauf 7.10.2023     Int. Wiener Herbstmarathon 8.10.2023     WRU Ganze G'schicht 4.11.2023     Adventlauf Tulln (Marathon) 3.12.2023

Offline Anna

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2017-05-26 48 Stundenlauf Gols - Josefstädter
« Antwort #2 am: 01.06.2017, 07:19:33 »
Josef, ich bin ein Fan deiner Berichte. Oberflächlich gesehen handelt es davon, wie die Zeit zwischen Schnitzel und Risotto mit Freunden und ein paar Nickerchen herumgebracht wird. Aber Achtung: Dieser "Müßiggang" schafft 224 km. Von den anderen netten Details ganz zu schweigen. Große Klasse!

Offline Pizzipeter

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2017-05-26 48 Stundenlauf Gols - Josefstädter
« Antwort #3 am: 01.06.2017, 09:02:56 »
Topp!!! Und Schließe mich Anna an, ich freue mich jedesmal auf deine Berichte! (auf die von Anna übrigens auch  ;-) )
Weiter so  :-))
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