Autor Thema: 2017-06-24 31. Veitscher Grenzstaffellauf - Ulrich  (Gelesen 1439 mal)

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Datum: 2017-06-24
Event: 31. Veitscher Grenzstaffellauf
Distanz: 54.000 km

Ersteller: Ulrich

Offline Ulrich

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2017-06-24 31. Veitscher Grenzstaffellauf - Ulrich
« Antwort #1 am: 24.06.2017, 00:00:00 »
Veitsch 17 - Drama ist auch nur Komödie

Drama ist auch nur Komödie

Auf diesen Bericht habe ich mich wirklich schon sehr  gefreut. Schon unterm Lauf, schon mitten auf der Veitsch. Nicht einmal primär, weil ich ja gerne Berichte schreibe, nein, hauptsächlich  deswegen, weil mit Beginn des Berichts der Lauf vorbei ist.

Begonnen hat´s ja eigentlich unmittelbar nach dem Wienmarathon, von dem ich mich muskulär nicht ganz so schnell erholte, wie ich das eigentlich erhofft hatte. Kleine Wehwehchen begleiteten mich in den Folgewochen, eigentlich bis eine Woche vor der Veitsch. Keine 3 Läufe gelangen hintereinander nach Wunsch, nur selten konnte ich ohne Blockaden durch den Wienerwald  laufen. Ein einziges Mal ging sich die Nase aus. Dennoch machten mir jene wenigen Läufe Mut. Stimmte die Form wie auch die Muskulatur, so gingen die Läufe richtig gut von der Sohle. Ach, überhaupt ist  für mich ja die Veitsch mehr als ein Lauf, irgendwie ist sie ein Anliegen.
Dennoch, ein nicht unbeträchtliches Anliegen war es auch, nach dem Lauf wieder nachhause zu kommen, weswegen ich argwöhnisch die diversen Wetterberichte im Vorfeld studierte. Gewitter brauchte ich wirklich keins! Glücklicherweise aber sollten meine Ängste hier völlig unberechtigt sein.
Am letzten Samstag im Juni nun, traf ich mich mit Tobias und Jerome, schon ging´s in Richtung Veitsch. Ja, jetzt war der Weg klar, jetzt ging’s in Richtung Start. Hinterm Semmering eine kleine Überraschung, das Wechselgebiet lag unter einer dicken Nebelschicht versteckt. Ich hatte ja mit vielem gerechnet, damit nicht unbedingt.
Am Start angekommen erschienen bald bekannte Gesichter zu Hauf. Karin und Thomas machten den Anfang, bis hin zu meinem Freund, der mich letztes Jahr so genial beim Rundumadum begleitet hatte. Hier ist wirklich eine Lauffamilie versammelt, deswegen ist der Grenzstaffler mehr als eine Laufveranstaltung. Passend dazu auch das Gespräch auf den ersten Metern mit Poldi Eigner. Wenngleich nicht zu 100% austrainiert, so scheint er guter Dinge und geht mit bewundernswerter Gelassenheit in den Lauf. Beweisen muss er sich ja wirklich nichts mehr. Stetig geht´s im Gehschritt die ersten Steigungen zur ersten Labe rauf, ich unterhalte mich ein wenig mit Nasmorn und Mister, beide wirken sehr fokussiert und machen einen sehr guten Eindruck, was sich ja auch später bestätigen sollte.
Auch treffe ich auf den ersten Metern  auf einen alten Veitsch-bekannten, dessen Namen ich mir nur leider ebenso wenig merke, wie er sich Gesichter merkt. Ein sehr positiver Kollege, der im weiteren Verlauf auch mein „Man of the Veitsch“ werden sollte.

Wie geht´s denn eigentlich  mir? Naja, ein wenig träger als erwünscht, ein bisserl weniger spritzig als erhofft. Alles eins wenig unter Optimum, aber das kann ja noch alles besser werden. Ich habe mir vorgenommen, die Anstiege so energiesparend wie möglich zu bewältigen um mich auf meine Stärke beim Bergablaufen zu verlassen. Nur…. unerfreulicher Weise gelingt mir auch das Runterlaufen heuer nicht so optimal, wie ich es gewöhnt bin.  Ach, ist zwar nicht optimal, aber…. Schauen wir uns das an. Rauf, runter, rauf, runter…. Ich bin sehr unstetig unterwegs, was 2 Damen, die sich lange Zeit in meiner unmittelbaren Umgebung befinden offensichtlich nervt. Sorry, ist mir aber jetzt nicht so wirklich wichtig, ich kümmere mich primär um mich heute.
Ich habe mir ja vorgenommen, mich auch wetterbedingt hauptsächlich auf die 2.Wechselstelle zu konzentrieren. Hier wollte ich spätestens nach 5Stunden sein, danach halt im besten Falle etwas überholen. Also nur keinen unnötigen Stress. Ich freue mich, als ich die 1.Wechselstelle nur wenige Minuten nach jenem Durchlauf bei meiner Bestzeit vor 2 Jahren durchlaufe und bereite mich nun langsam gedanklich auf den Teufelssteig vor.
Erst noch zur Rotsohlalm, deren Namen mich immer wieder an die Strophe erinnert: „Rotsohl auf´n Teuflsteig, wennst da oben ned speibst, hast a Chance, dass´D bis zum Ziel auf der Strecke bleibst“. So, jetzt rauf, jetzt einfach nur beißen, nur gehen. Aber hier merke ich, dass ich leider wirklich keinen guten Tag habe. Mir fehlt heute einfach die Kraft, mir fehlt der Biss. Ich steige langsam aufwärts, muss aber auch immer wieder Pausen machen, was mir gar nicht so recht ist. Dennoch überhole ich das eine oder andere Mal. Und trotzdem. Gerade diese Passage ist dermaßen einzigartig, dass ich sie eigentlich sehr gern hab. Ich mag die Aussicht nach unten ebenso, wie auch das Wissen, dass selbst, wenn es noch steil aussieht, das Ende des Steiges nicht so fern ist.
Ja, nun bin ich oben und kann  nun sicher endlich ein paar Schritte laufen. Naja, ein paar wenige zumindest. Sehr wenige…. . Beim Graf-Meran-Haus treffe ich auf Michael, der sich einen Finger verletzt haben dürfte, sonst jedoch trotz Schilderungen leichter muskulärer Problemchen sehr zielstrebig und konsequent seines Weges läuft. Ich bitte ihn auch einfach, Tobias von mir auszurichten, dass ich mich nach Kräften anstrenge um die Rückfahrt nicht zu sehr zu verzögern. Und gehe ein wenig. Hier oben ist auch die Temperatur durchaus erträglich. Nicht umsonst halten sich in so einigen Löchern noch Schneefelder. Circa auf der Hälfte des Plateaus staune ich ungläubig über unzählige abgebrannte Flächen. Hat hier der Blitz eingeschlagen? (Später erklärt mir Tobias, dass manchmal die Latschenfelder kontrolliert abgebrannt werden). Eine weitere, (aus der Sicht des Wanderers/Läufers) schlicht nicht gut gelungene Neuerung ist die Schotterautobahn am Plateau. Spitze grobe Schottersteine machen halbwegs flüssiges Laufen eigentlich unmöglich. Dass meine Inov8 Trailtalon hier auch nicht die perfekten Schuhe sind, ist halt auch ein Aspekt. Am Ende der Schotterstraße dann ein Anlass zur Ärgernis: Um ein paar wenige Meter abzukürzen laufen 2 Kollegen mitten durch eine Kuhherde und schrecken die Kälber und Kühe auf. Ein paar wenige Meter machen das wirklich nicht wett.
Kurz unterhalte ich mich mit einem Wanderer, dem ich nur die Zustandsbeschreibung „ auch ein Drama ist eine Komödie“ gebe. Nein, reiner Spaß ist das heut nicht.
Mehr oder weniger schicksalsergeben trotte ich dann über jene Meter, die mich zur Wechsel-und Labestelle bei der Klein-Veitsch führen. Hier eine spaßig-absurde Konstellation. Ich werde fast von den weißen Tellern geblendet, als unmittelbar neben dem Kuchen-Tisch der Sprecher verlautbart: „In 5 Minuten fährt ein Bus ins Zielgebiet, 2 Plätze sind noch frei“. Ich bedanke mich für die Meldung, die sich aber leider in meinem Kopf festgesetzt  hat. Auch ein Bergretter erscheint am Tisch. Die Omen werden langsam bedenklich.
Ich steige und trotte die paar Meter durch den Wald, spüre die Hitze und eine  nicht unbeträchtliche Unlust. Hey, jetzt noch 20 KM, was für eine absurde Vorstellung. Aber ich habe nicht nur schon so oft in diversen beruflichen Unterhaltungen gemeint, dass doch immer nur die nächsten Schritte zählen, und darüber hinaus Heidi´s Vorbild im Kopf. Sie hat mir beim Rundumadum gezeigt, was Zielstrebigkeit heißt. Danke Dir, Traumfrau.
Wenn ich aber wenigstens runter halbwegs so laufen könnte, wie ich es gewöhnt bin! Nein, nicht einmal meine sonst so geliebten Downhills klappen, manchmal muss ich sogar bergab gehen. Was ist denn heute los???? Die Hitze stört mich massivst, auch das Wasser in meinen Softflasks schmeckt mehr oder weniger widerlich. Und rauf. Und runter-…gehen. Na, so macht das keinen Spaß mehr, eigentlich ist das heute frustrierend. Ich muss gelegentlich stehenbleiben, werde am laufenden Band überholt, wenngleich auch jene, die mich überholen nur langsam gehen. Nein, so mag ich das eigentlich nicht. Nur selten kann ich mich an jemanden kurz anhängen, bis ich dann nach wenigen Metern wieder abreißen  muss.
Ein ganz entscheidender Punkt, den ich so in meiner ganzen Lauferei noch nie erlebt habe kommt an einer Labe bei ca. km 40 auf mich zu. Da steht ein Auto, ein richtig bequem ausschauendes Auto, mit breiten, weichen Sitzen und wahrscheinlich auch Getränken an der Labestelle. Noch nie habe ich mit einem Lauf dermaßen abgeschlossen, doch heute frage ich die Leute an der Labestelle, wann denn der Wagen hinunterfahren würde. Ich will aussteigen, das bringt überhaupt nix mehr. Was? Erst in einer Stunde geht´s runter? Da kann ich auch gleich noch ein wenig laufen. Schließlich steht  bei der nächsten Labe sicher auch wieder eine Mitfahrgelegenheit. Ich lege mich kurz auf den Boden, lagere die Beine hoch… . Nach einer kleinen Ewigkeit geht´s  dann endlich weiter. Ein paar Meter laufe ich sogar. Naja, wirklich nur ein paar wenige….Hatschen, schleppen, schwitzen, aber was soll´s ein bisserl was geht immer noch! Wanderer, glaub einfach an das, was Du anderen erzählst. Einfach nur der nächste Schritt ist wichtig. Ich zähle darauf, dass Tobias nicht ungeduldig im Ziel auf die Uhr schaut, wenn es sein muss, wandere ich durch. Weiter und jetzt auch mit Musik. Ich krame die Kopfhörer raus und lasse mich antreiben. Ja, ein wenig wird mein Schritt schneller, die eine oder andere  Stehpause kann ich unterdrücken. Sogar hinunter kann ich wieder laufen, also nicht wie sonst, aber immerhin trotten…
Dann treffe ich meinen „Man of the Veitsch“ wieder. Locker und gelassen läuft er auf mich auf, fordert mich auf, ihn doch zu begleiten. Keine  Chance, ich halte keine200m mit. Doch er meint irgendwas Nettes zu meinem Laufstil, er würde locker aussehen. Diese positiven Worte sind nicht nur Balsam für meine Nerven, sie sind auch Power für mein´ Akku. Vielleicht geht´s ja doch! Rauf wandern, runter – hey, ich kann ja wieder laufen, nicht ganz so locker, wie es gehört, aber doch. Auch in den ebenen Waldpassagen komme ich wieder in den Laufschritt. Unglaublich, ich bin wieder unterwegs! Undankbarerweise überhole ich sogar meinen Motivator und freue mich schon auf die letzte Labe beim Mirl-Bauern. Hier endlich, das erste kalte Getränk des Tages, ein kaltes Bier! Noch ein  Schluck Cola und mit einem lauten Schrei runter auf „meine“ Forststraße. Hier kann ich doch sonst so gut laufen, auch jetzt gelingen mi die ersten Kurven sehr gut, ich kann auch viermal überholen. OK, übertreiben geht auch nicht, ich muss zweimal stehenbleiben, die Hitze macht zu schaffen. Nun kommt auch mein MisterX, mein Motivator, überholt mich locker. Niemanden hätte ich je gerne auf dieser Strecke vorgelassen, ehrlich gesagt kann ich mich auch nicht erinnern, dass ich in den letzten 10 Jahren jemals hier überholt worden wäre. Ihn lasse ich gerne vor. Dankbarkeit, Freude und auch Glück. Ich wollte schon aussteigen, ich wollte es hinschmeißen, zum allerersten Mal. Und NEIN!! NEIN und noch einmal NEIN! Ich geb nicht auf.
Auf den letzten Metern sehe  ich ihn recht knapp vor mir, doch nein, das mach ich  nicht. Vielmehr freue ich mich über den Wasserbrunnen beim Park neben der Kirche. Endlich einmal kann ich meinen Kopf kühlen,  kann mich ein wenig erfrischen.
Gross ist auch  meine Freude, als ich Fredmann im Ziel sehe. Ein freundliches Gesicht tut gut! Ebenso auch, der Empfang durch die im Ziel versammelten Foris! Susu, danke für Deine fürsorgliche Frage und dass Du mir gleich Wasser geholt hast!

Vergiss die Zeit, vergiss die peinliche Vorstellung. Veitsch ist Veitsch. Und Laufen ist geil!

Weil 42 die Antwort ist und 130 der Sinn

Offline heitzko

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2017-06-24 31. Veitscher Grenzstaffellauf - Ulrich
« Antwort #2 am: 25.06.2017, 14:19:32 »
Du bist ja sowieso immer ein Vorbild für mich, aber jetzt erst recht. Ich habe mir dort mein erstes DNF "geleistet", Du warst da viiiiiiiieeeeeeel zäher. Bravo Ehemann!

Offline nasmorn

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2017-06-24 31. Veitscher Grenzstaffellauf - Ulrich
« Antwort #3 am: 25.06.2017, 14:42:21 »
Danke für die gemeinsame Strecke. Hat mir sehr geholfen das Rennen aus einer Position der Stärke zu starten. Hut ab vor dem harten Finish, ich hatte letztes Jahr wenigsten am Ende kühles Wetter, heuer ist es ja immer heißer geworden.

Offline karinr

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2017-06-24 31. Veitscher Grenzstaffellauf - Ulrich
« Antwort #4 am: 25.06.2017, 15:11:53 »
Und im Nachhinein ist man dann doch Stolz wenn man über sich selber gesiegt hat. Ich glaube menschlich macht es einen stark wenn man trotztdem weiter macht obwohl es nicht einfach ist.  BRAVO!!!
Laufen bedeutet für mich: Freiheit zu spüren, Gelassenheit zu erleben

Offline Barbara

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2017-06-24 31. Veitscher Grenzstaffellauf - Ulrich
« Antwort #5 am: 25.06.2017, 16:28:19 »
Weil ich selbst dabei war, trau ich mir mit einem freundschaftlichen Zwinckern zu sagen: "Ulrich, bissi eine Dramaqueen bist schon."

Offline Fredmann

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2017-06-24 31. Veitscher Grenzstaffellauf - Ulrich
« Antwort #6 am: 25.06.2017, 20:29:22 »
:-)
Dramaqueen ?
-> nein !
ich freu mich dass du dich wenigstens im Ziel gefreut hast !
. . . aber wie du richtig schreibst:  Veitsch im Juni . . . ist  . . . Veitsch im Juni
Silberrücken Fredmann

Offline Pizzipeter

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2017-06-24 31. Veitscher Grenzstaffellauf - Ulrich
« Antwort #7 am: 26.06.2017, 07:04:01 »
Bravo, Ulrich! ...und danke für deinen Bericht...wird mich nicht davon abhalten nächstes Jahr dort zu laufen...im Gegenteil  :-)) - vielleicht gemeinsam? ;-)
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Offline Anna

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2017-06-24 31. Veitscher Grenzstaffellauf - Ulrich
« Antwort #8 am: 27.06.2017, 05:23:53 »
Das war definitiv nicht dein Tag - aber du hast ihn bravourös gemeistert. Super!

 

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