Autor Thema: 2020-10-31 Wien Rundumadum - Die Ganze G'schicht - Pizzipeter  (Gelesen 10739 mal)

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Datum: 2020-10-31
Event: Wien Rundumadum - Die Ganze G'schicht
Distanz: 130,000 km

Ersteller: Pizzipeter

Offline KITTY

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Antw:2020-10-31 Wien Rundumadum - Die Ganze G'schicht - Pizzipeter
« Antwort #1 am: 04.11.2020, 17:29:09 »
Ich kann leider keinen Bericht sehen.  :denk:
lg
peter

Offline Ulrich

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Antw:2020-10-31 Wien Rundumadum - Die Ganze G'schicht - Pizzipeter
« Antwort #2 am: 04.11.2020, 17:40:27 »
es ist mir eine  :welle1: den Bericht für Peter reinzustellen  :applaus2:

Rundumadum 2020

Nachdem ich 2019 verletzungsbedingt aufgeben musste, war klar, dass da eine Rechnung zu begleichen sein würde – ich bekam auch sofort das Ok von zu Hause J. Einen Tag nach meinem Geburtstag im März war ich angemeldet, als 3. Oder 4., also ziemlich zügig. Im März hatte ich erstmals seit dem letzten Rundumadum über 200 Monatskm erreicht. Daran wollte ich anknüpfen. Plan zu diesem Zeitpunkt war die Umfänge zu steigern, noch nicht wirklich lange Läufe. Auch sollte immer ein Lauf im Gelände dabei sein, denn letztes Jahr hatte ich das vernachlässigt wegen des lästigen Fersensporns. Ahja den hatte ich ja auch noch…ob es jetzt die Übungen waren oder die Neurosocks, ich weiß es nicht. Tatsache ist, dass ich seit Mitte April oder so schmerzfrei bin. Übungen mach ich nicht mehr seither.
Irgendwo in der ersten Phase des Lockdowns sprach ich mit Angelika wegen eines Laktattests bei ihr. Als dies wieder möglich bzw. erlaubt war, hatte Klemens das Vergnügen diesen bei mir durchzuführen. Dieser verlief ganz gut und er meinte danach, „ich denke, du hast Potential“. Ein paar Tipps für ein Rundumadum-Training bekam ich dazu, vorallem Umfang steigern und Intervalle, um die Laktatkurve zu verschieben. In weiterer Folge Back-to-back-Läufe am Wochenende. Da ich wusste, dass er schon Trainingspläne geschrieben hatte, hab ich, nachdem ich auch ermuntert wurde – danke, Gaelle -, angefragt, ob er mich trainieren wolle. Das Ja kam Mitte Juni, Mitte Juli sollte das Training starten. Bis dahin hatte ich Zeit meine Umfänge weiter zu steigern.
März: 212km
April: 214km
Mai: 237km
Juni: 265km
Juli: 282km
August: 322km
September: 404km
Oktober: 468km (inkl. Rundumadum)
Wie das Training verlaufen ist, hab ich eh regelmäßig dokumentiert. Unterm Strich ist zu sagen, dass ich bis auf ein paar Kleinigkeiten schmerzfrei geblieben bin und die Wochenumfänge sehr gut verkraftet habe. Am Ende stand WRU sub 18:xx. Zwei andere Ziele hatte ich vor dem Training Klemens gesagt, am gleichen Tag ins Ziel kommen und bis zum Schluss laufen können. Zweiteres wollte er mir nicht versprechen ;-). Immer am Ende einer Woche gabs ein Resümee von mir, manchmal auch schon unter der Woche…einmal wurde die Geschwindigkeit der Intervalle erhöht, da ich meinte, ich hätte mich „gespielt“ – selbst Schuld ;-). Jeweils am Sonntag erhielt ich den Plan für die Folgewoche. Zwei Dinge passierten noch, mein Lieblingsschuh Saucony Ride hatte die 1000km erreicht, ebenso hatte der Salomon Sense Ride keine Sohle mehr. Zeit zum Einlaufen der Schuhe blieb noch. Einen kurzer Exkurs auf Altra ließ ich bleiben. Dann wars endlich soweit, Tapering, in der letzten Woche als Boost 4x1km in 4:30 und dann war er da der Tag X.
Wetter war die Tage zuvor eher bescheiden, sodass klar war, dass es gatschig werden würde an den eh schon bekannten Stellen (aber noch an vielen anderen). Deshalb war ein Schuhtausch beim Gütenbachtor (Labe 2) fix eingeplant. Zur Versorgung hatte ich selbst gemachte Wraps mit Hummus-Avocado und Oliven, sowie Chia-Charge, Iso-Gummi, Apfelsaft gespr. mit Salz (bei jeder Labe) und zwei Tuben Gels von Aktiv3 (Labe 4 und 6). Gestartet bin ich ohne Flüssigkeit im Rucksack, da ich das so gewohnt war in den Trainingsläufen und auf offenen Brunnen hoffte. Zum Frühstück Tee und ein Proteinriegel.

 
Lauftag:
Schlaf stellte sich um ca. 23:00 ein. Im Stundenrhythmus wurde ich munter, um halb vier stand ich dann auf und hörte…keinen Regen. Dank eines Lauffreundes – Andy -  wurde ich zum Start gefahren, volles Gepäck für die Laben und Wechselstellen mit dabei. Im Gelände zuerst das Suchen des Startes und des Checkins. Dann erstes bekanntes Gesicht, Roman, beim zweiten Mal Hinsehen erkannt, die Maske war etwas im Weg. Gemeinsam suchten wir die Garderoben; diese waren zuerst versperrt, doch Florian kam angefahren und sperrte sie auf: kurze Hose, kurzes Kompresionsshirt, darüber eine dünne Windjacke von Salomon, Bufftuch am Kopf, Zehensocken und Salomon Sense Ride an den füßen. Zurück zum Start Tracker abholen. Weitere bekannte Gesichter Josef, Andi Michalitz, Angelika und Klemens, Heidi („meine Wade(?) tut weh, hoffentlich kann ich lange laufen“) und Ulrich („ich bin heute überhaupt nicht motiviert“). Dann fing der Countdown für die einzelnen Läufer an…im 20sec-Takt liefen wir los. Um 5:41 startete ich. Als Taktik hatte ich zuvor mit Klemens vereinbart bis Lobau nach Puls zu laufen, max 130. Bergauf durfte es schon mehr sein, 150 ca.. Als Musik hatte ich Bloodhound Gang gewählt. Vielleicht war das der Grund, warum mein Puls etwas höher als sonst war. Im Training noch 5:45 mit 115 Schlägen am Anfang gelaufen, waren es jetzt 6:20-30 bei 125. Irgendwie seltsam, doch ich fühlte mich durchaus gut. Beine noch locker. Bei Nussdorf wartete ein bekanntes Gesicht (Brunnentest positiv, also geöffnet) und begleitete mich bis zum Leopoldsberg. Ruhigen Schrittes rauf, oben Zeit für ein Foto von der schon erhellten Stadt. Da fiel mir zum ersten Mal eine Läuferin auf, die auch ein Foto machte. Ich überholte sie, bergab Richtung Kahlenberg überholte sie zurück. Die leichte Steigung darauf überholte ich wieder. Dies sollte sich laaange wiederholen, auch da ich alleine laufen wollte, sprich mein eigenes Tempo. Markus, ein Mitstreiter schon vom Rundumadum 2018 bekannt, hatte auch aufgeschlossen. Wir liefen abwechselnd gemeinsam oder allein.
Beim Hameau runter läutete plötzlich mein Handy, welche Überraschung, meine Frau rief mich an! Allerdings etwas in Sorge, ob es mir eh gut gehe, denn ich würde bei km14 seit einer halben Stunde stehen. Ich konnte sie beruhigen und schob es auf den Tracker. Der Anruf von Florian folgte rauf durch den Gatsch Richtung Schottenhof, Reset und Neustart dürfte geholfen haben. Rauf mit den schweren Schuhen zur Labe 1. Hunger und Durst hatte ich nicht, trotzdem aß ich ein wenig und trank, füllte aber nicht meine Softflasks (Brunnen bei Steinhof war ja nicht weit). Hier fiel mir Marianne, so hieß die bergabüberholende Läuferin, auf, die als Proviant Chips hatte J J J. Bei dieser Labe langte ich auf ihr Angebot hin noch nicht zu.

Von der Labe weg starteten wir zu dritt, Marianne, Markus und ich. Rauf zur Jubiläumswarte, runter nach Steinhof, durch und Richtung Dehnepark. Dort fehlte ein Schild, doch der Weg war ja eh bekannt, außer für Marianne, sie hatte keine Streckenkenntnis vom Rundumadum. Ich dachte bei mir, da werden noch ein paar Stellen kommen, die nicht so einfach sind. Egal, weiter gings zum Bahnhof Hütteldorf. Dort die erste große und sehr erfreuliche Überraschung: Niko wartete auf mich, er war bereit mich lange zu begleiten (60km waren es am Ende, die er gelaufen/gegangen ist). Letztes Jahr waren wir noch gemeinsam bis zu meinem Abbruch gelaufen und er war ins Ziel gekommen, wie ich es geplant gehabt hatte. Heuer war nach anfänglichem guten Laufstart seine Laufsaison etwas verkorkst, doch zur Begleitung hat es voll und auf gereicht J. Die anfangs erwähnten höheren Pulswerte konnte ich in der Ebene vorm Dreihufeisenberg nicht verringern – 150 plus, minus 5 -  viel zu hoch bei Tempo 6:30. Was solls, ich fühlte mich trotzdem halbwegs gut, auch wenn jetzt die Beine schwer wurden (was?!? Jetzt schon?).

Unsere Gruppe war zersplittert – Niko und ich vorne weg, hinten Marianne und Markus. Dann ein erstes Überholtwerden von zwei Läufern, beide in Rapiddressen J. Kurz vorm Einstieg zum Dreihufeisenberg hab ich mich umgesehen und Marianne alleine hinter uns gesehen – wir warteten, denn hinter Lainz den Weg nicht finden, wollte ich ihr nicht zumuten. Zu dritt ging es hinten bei Lainz vorbei, ein Bachüberquerung „nutzte“ ich, um meine Schuhe vollständig vom Dreck bis dahin zu waschen, nützte aber wenig, da sich sogleich wieder eine Schlammpackung darüber sammelte. Nach dem 3fachen Berg konnte ich mich die lange Straße abwärts tatsächlich etwas erholen – Pulscheck – naja, ein bisschen besser. Labe 2 kam, Schuhwechsel war fix, auch neue Socken brauchte ich, sie waren zu nass und dreckig; das Anziehen der Socken im Stehen brachte einen Oberschenkelkrampf (den einzigen, nur das wusste ich zu diesem Zeitpunkt ja nicht) – damit hatte ich nicht gerechnet. Dankend nahm ich jetzt das Angebot von salzigen Chips an – über 20min verbrachten wir an der Labe – das war auch der Zeitpunkt, an dem Ulrich an uns vorbei gelaufen ist und ich meinen Bruder anrufen sollte, denn er wollte mich mit dem Rad begleiten. Dass dort kein Handyempfang ist, hatte ich ganz vergessen. Erst ein Jahr zuvor war ich hier ausgestiegen. Diesmal nicht – weiter gings – ein paar 100 Meter weiter konnte ich telefonisch ankündigen, wo ich bzw. wir waren und dass ich jetzt drei Punschkrapfen bräuchte („und ein Gintonic“ rief Marianne). Kurz danach trafen wir auf Martin, der uns fotografierend entgegenkam.Dann kam km50, dort hatte ich zwei Jahre zuvor zu gehen begonnen, da ich nicht mehr laufen konnte, diesmal ging es laufend weiter.

Vor Kalksburg kam uns Mischa entgegen J - hab ich schon erwähnt, dass ich mich über jedes einzelne bekannte Gesicht gefreut habe? Entlang der Liesing trafen wir einen Begleitradfahrer, der unsere zwei  Rapidler suchte; wir meinten, die seien vor uns; von hinten sahen wir, dass er in der Seitentasche des Rucksackes eine Weinflasche hatte – er sei Mitorganisator des Blaufränkisch Ultra im Burgenland – 80km mit 32 Weinbauern J.Thomas kam uns kurz nach Liesing mit dem Rad entgegen, drei Punschkrapfen und drei Pariser Spitz im Gepäck. Ich bin ja kein Freund von süßen Sachen, doch das hat richtig gut geschmeckt; als mein Bruder dann auch noch einen doppelten Espresso für mich holte, fühlte ich mich wirklich gut. Zu erwähnen ist, dass wir bei jeder noch so kleinen Steigung gegangen sind – Marianne hat sich da durchgesetzt – ich war auch nicht so abgeneigt, muss ich zugeben. Ein Auge hatte ich aber schon auf die Durchschnittspace, diese lag noch bei knapp 8:15 pro km. Also eine Endzeit unter 18h war da noch möglich. Schleichend aber doch sanken auch meine Pulswerte, ich lief lockerer. Wie schon in den letzten beiden Jahren hatte ich mehrere Whattsapp-gruppen, die mich verfolgten. Was mich sehr gefreut hat und mir viel Energie gegeben hat, war, dass meine Frau mich bis zum Schluss getrackt hat J. Sie war es auch die bei km124 erneut angerufen hat, da ich dort wieder einmal „gestanden“ bin. Zwei andere aus einer anderen Gruppen wollten mich treffen, verfehlten mich aber mehrmals aufgrund der Ungenauigkeit des Trackers.
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Offline Ulrich

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Antw:2020-10-31 Wien Rundumadum - Die Ganze G'schicht - Pizzipeter
« Antwort #3 am: 04.11.2020, 17:45:18 »
 
Wir waren beim Wienerberggelände durch und ich hielt immer wieder Ausschau nach Uschi und ihren Mädels. Kurz vorm Volkspark trafen wir sie und wurden kulinarisch verwöhnt – danke, danke, danke! Auch dass sie ohne zu fragen meinen Mitstreitern etwas angeboten haben J. Bewor wir weiter durch Favoriten starteten, meinte sie noch, dass kurz vor uns Ulrich dagewesen wäre; er schaue gar nicht gut aus, wir würden ihn sicher bald treffen, vielleicht könnten wir ihn ja aufbauen oder mitnehmen.

In der Bitterlichstraße dann ein Highlight für Marianne, ein Lauffreund wartete und begleitete uns bis zur Steinspornbrücke in weiterer Folge. Auch kam von hinten ein junger Läufer heran, der uns zuvor überholt hatte. Er war ein bisschen verzweifelt und fragte, wo denn endlich die nächste Labe käme – Labe3. Seine Uhr zeigte schon 79km an, er wusste, dass die Labe bei 74k sein sollte, wir waren aber erst bei km67. Seine Uhr war also sehr großzügig, er hat sie anschließend gestoppt und sich uns angeschlossen. Im Volkspark hatte er sich verlaufen, davor auch schon ein-, zweimal – es war der von Ulrich erwähnte Ultraneuling Martin. Richtung Zentralfriedhof wurden wir zweimal durch diese kleinen Jungs und deren Benzin betriebenen Gefährte verpestet. Angekommen bei der Labe verabschiedete sich mein Bruder, unser Quintett blieb beisammen – hier trafen wir auch auf Ulrich, allerdings brach er schon wieder auf, er machte durchaus wieder einen guten Eindruck – sehr gut.

Am Weg Richtung Kraftwerk lief es für Marianne nicht mehr so gut – der Magen machte Probleme – so liefen Martin und ich ein Stück vor den anderen, auf einmal waren sie weg. Telefonisch teilte mir Niko mit, dass sie sich aufs gehen verlegt hatten, wir sollten weiter laufen. Gesagt getan bis zu dieser einer Kreuzung, die scheinbar selten auf Grün für die Fußgänger schaltet. Das Trio lief/ging wieder zu uns…ich muss zugeben, dass ich jetzt etwas ungeduldig wurde, denn mir ging es wirklich sehr gut und die Zeit verging halt…meine Ziele hatte ich noch immer vor Augen.

Einen wunderschönen Sonnenuntergang hatten wir nach dem Kraftwerk, allerdings war jetzt auch klar, dass Lobau ohne Stirnlampe nicht möglich sein würde. Mariannes Magen wurde nicht besser, ein Soda beim Roten Hiasl sollte Abhilfe bringen, nur bedingt. Am Anfang der Lobau Dämmerung, nach 10min ging die erste Stirnlampe an, so konnten wir wenigstens die unzähligen Wasserlachen sehen. Etwas verstörend war, dass uns viele Radfahrer zum Teil ohne Licht entgegen kamen, sogar eine Staffelläuferin hatte keine Stirnlampe und lief mit uns, um etwas zu sehen. Immer wieder unterbrachen wir das Laufen durch gehen. Als dann nach der Imbisshütte Marianne ihre Stöcke auspackte und meinte, „Burschen, hauts rein!“, fing ich an zu laufen, mit eingeschalteter Stirnlampe mittlerweile. Angeblich ist mir Martin gefolgt, doch er dürfte das Tempo nicht gehalten haben, denn als ich mich nach 5min umdrehte, war ich allein unterwegs. Juhu – ein (Alp)traum wurde wahr – allein durch die finstere Lobau, km85 wars ca.. Ich wusste von den paar Malen, dass es einfach lang und auch irgendwie fad ist. Ich zwang mich aufmerksam zu laufen, um ja kein Schild zu übersehen, der Laufschritt war locker, nicht allzu schnell, um die 7min pro km, Puls war endlich dort, wo ich ihn haben wollte. Wie es so ist im dunklen Wald, gibt es da allerlei Geräusche von Tieren, die ich nicht kannte oder kennen lernen wollte – ein gaaanz seltsamer Schrei erschreckte mich ziemlich – was es war? Ich weiß es nicht, vielleicht doch die Kopfhörer aufsetzen und Musik hören? Nein, bald bin ich draußen, dann kommt die nächste Labe, außerdem vielleicht treffe ich bald auf Ulrich. Beim Schild „2,5km Essling“ freute ich mich, das war absehbar. Als ich nach gefühlten 20 Laufminuten noch immer nicht dort war, war ich mir sicher, mich verlaufen zu haben. Diese eine Abzweigung vorhin, war nicht doch ein Pfeil gewesen? Ich lief weiter darauf vertrauend, dass ich am richtigen Weg sei – war ich auch. Ich war echt heilfroh aus der Lobau raus zu sein und zur Labe zu kommen. Etwas umgestellt, verständlich da der Bus direkt beim Haus der Labenbetreiber stand – zwei Schluck Bier konnte ich mir erschnorren, etwas gegessen (1.Gel), getrunken, gesessen dabei – ein großer Fehler! Das Aufstehen danach war furchtbar und ich musste danach etwas gehen, bis laufen wieder möglich war. In diesem Siedlungsgebiet waren viele Halloweener, vorallem Kinder, unterwegs. Ein Mädchen bekam zu ihrer Freude einen Chia-Riegel. Kirschenallee rauf, links, rechts, wieder links und rechts rein neben der Baustelle.
Kurzer Exkurs: ich hatte immer wieder das schlechte Gewissen, dass ich die anderen drei „verlassen“ hatte, vorallem weil ich den Weg kannte, Niko theoretisch auch, die beiden anderen nicht. Und eben genau hier sind alle drei gerade gelaufen, eh nicht lang, aber doch. Auch zuvor in der Lobau waren sie einmal oder zweimal falsch unterwegs.
Ich näherte mich Aspern Nord, wo ich nicht den Originalweg nahm, sondern über die Rolltreppe rauf fuhr. Darauf hatte ich mich schon letztes Jahr gefreut, war aber nicht so weit gekommen gewesen. Weiter Richtung Breitenleer Straße. Hier überholte mich Wolga mit einer Begleitläuferin, war sehr nett, auch ein gemeinsames Foto bei „seinem“ Traktor neben dem Mielegeschäft wurde gemacht. Hier sollte irgendwo die private Labe von Michael sein – ah – dahinten blinkte eine Stirnlampe. Salzbrezeln, Apfelsaft, zwei Orangenvierteln und…werde ich mir merken fürs nächste Mal…Pocket Coffee. Für mich als Kaffee-Junkie ein Traum, eines behielt ich für den Bisamberg. Ja, Ulrich sei nicht weit vor mir. Na dann los J. Ein Foto bei km100 musste allerdings schon sein. Unmittelbar dahinter meine nächste Änderung des Weges. Die Azaleenstraße war gesperrt, also Umleitung, ich lief schon vorher geradeaus und dann rechts. Mit dem Überschreiten der 100km-Marke war das Ziel schon sehr nahe gerückt und ich fühlte mich nachwievor sehr gut. Puls bei 130/35. Obacht geben hieß es dann nach der Autobahnüberquerung, dort hatte ich mich schon einmal im Training vor zwei Jahren verlaufen, diesmal ging alles glatt. Tja und dann war ich in der „Alten Straße“ und war mir sicher, dass ich da noch nie gelaufen bin – eine lange breite Gerade ohne die Ampel von Süßenbrunn – ich musste falsch abgebogen oder nicht abgebogen sein. Unschlüssig lief ich noch etwas weiter, vielleicht ja doch richtig? Wenns falsch wäre andererseits…hm…gut, ok, das Streckenbuch musste mir helfen…tat es auch…ein kurzer Blick…ja, eh klar, da hinten statt links rechts gelaufen, wie in der Probe mit Gaelle. Also zurück? Nein, rüber und dann rechts müsste auch gehen, Laufschritt in die Parallelgasse, das war aber immer noch nicht die richtige…Mist…Karte raus…ah, noch eine weiter…paaaast! Jetzt nur schauen, dass ich nicht zu schnell laufe, weil ich Zeit verloren habe. Auf die Ampel wollte ich nicht warten, sondern querte etwas später in die Gerade Richtung Golfplatz. Weit und breit übrigens keine LäuferInnen zu sehen. Doch halt, davorn, ah die Labe. Hunger und Durst hielten sich in Grenzen, allerdings war die nächste Labe schon ein Stück weiter weg als sonst. Also Softflasks aufgefüllt, Riegel eingesteckt. Die Dame bei der Labe hatte meine Verirrungen gesehen mittels des Trackers, deshalb wusste sie auch, dass eine Vierergruppe „eben vorhin“ aufgebrochen sei, drei 30-er und die Nummer 67 – genau, Ulrich. Also weiter laufen. An diesem Punkt bot mir Angelika an, dass sie mich die letzten km begleiten könne, wenn ich wollte. Natürlich hab ich ja gesagt, gleichzeitig auch meinem Nachbarn geschrieben, dass er nicht mehr rausmüsse, um mich zu begleiten, wie ursprünglich ausgemacht. Kurz vorm Bahnhof Gerasdorf meinte Angelika, dass sie in einer Stunde am Hubertusdamm sei und ich solle doch etwas Gas geben. Erst etwas später hab ich realisiert, dass ich unmöglich in einer Stunde dort sein würde können – der Bisamberg wartete noch auf mich. Dann ausgerechnet als ich es „eilig“ hatte, war der Bahnübergang auf rot gestellt. Die Alternative wäre die Bahnunterführung gewesen, aber die Aussicht auf Stufen nach unten und wieder rauf, ließen mich gerne warten. Außerdem konnte ich mich auch ein wenig erholen. Grün, weiter lief ich. Und dann endlich wieder Läufer auf der Strecke kurz vorm Marchfeldkanal – eine Gruppe – drei Leute, Ulrich? Nein, nicht dabei. Weiter entlang des Kanals neben den Wasserlachen zuweilen auch mittendurch. Am Ende des Kanals rauf hab ich dann das zweite Pocket Coffee gegessen als Energiekick für den kommenden Bisamberg. Mittlerweile hatte ich zur Motivation die Kopfhörer auf und ließ mich vom Soundtrack Game of Thrones berieseln. Für die Ebene eine gute Musik, nicht wenns nach oben geht. Deshalb gewechselt auf Turbobier -  das war ein echter Antrieb. Gefühlt bin ich den ganzen Bisamberg gelaufen, zusätzlichen Auftrieb bekam ich, als ich weiter oben eine  Stirnlampe blinken sah. Ulrich? Um das zu erfahren musste ich weiter, geht schon – es machte unglaubliche Freude zu laufen. Die Trainingseinheiten gingen mir durch den Kopf – dafür also hatte ich trainiert und war an den Wochenenden immer so früh aufgestanden, ich lief noch immer, mir ging es sehr gut, es war eine Freude, Runners high mehrere. Doch halt, noch war ich nicht im Ziel. Entlang des Waldes wurde ich von einer Staffelläuferin überholt, sah dann vor mir zwei Läufer, die offensichtlich gingen. Ich dachte sofort an meine zwei Rapidler, dass das Ulrich mit Begleiter Bernhard war, bemerkte ich beim Überholen nicht. Erst kurze Zeit später bei der Labe sah ich, wen ich überholt hatte. Ein Gel runter gespült mit gespritzten Apfelsaft, weiter gings die Kellergasse runter. Ganz ehrlich, so wie Ulrich ausgesehen hatte, dachte ich nicht daran, dass sie mich einholen würden. Wie sollte ich mich täuschen J. Die Pflastersteine waren echt eine Qual für die Füße und wollten kein Ende nehmen, doch ich wollte schnell weiter, wollte ich doch Angelika nicht allzu lange warten lassen. Unten vorm Kanal 2 die nächste Überraschung, der Mann von der Cousine meiner Frau hatte mich den ganzen Tag virtuell verfolgt, da sie genau dort wohnen, war es für ihn klar, dass er mich ein bisschen begleiten wollte. Großartig! Er schrieb dann in die Gruppe, dem Krauti geht’s sehr gut, ich bin nach diesem km hin J. Beim Verabschieden huschten zwei Läufer vorbei…das gibt’s doch nicht! Letzte Reserven von Ulrich – hat mich echt beeindruckt. Sollte ich nachlaufen? Wollte ich? Nicht wirklich. Deshalb in Ruhe austreten, damit sie weit genug weg sind. Das Telefon läutete, „wo bist du? Ich bin schon da J“ Angelika. Ich war noch nicht ganz so weit, noch ein bisschen Marchfeldkanal, dann endlich draußen, dort wartete sie schon. In den zwei, drei Stunden zuvor hatte ich immer wieder gerechnet, welche Endzeit möglich sein könnte. Nach der letzten Labe hatte ich für 12km 75min Zeit. Klang machbar. Nachdem Angelika meinte, ich sehe noch gut aus, lief eine Pace zwischen 6:00-50. Nicht nur auf der Geraden und runter bei den Brücken, sondern auch danach rauf. So kam es, dass das Blinklicht von Ulrichs Rucksack näher kam, vielmehr kamen wir immer näher. Nach dem Anruf meiner Frau, warum ich nicht mehr laufe, bekam auch Angelika einen Anruf, Klemens. Er saß daheim nach seinem wohlverdienten Sieg und sah mir dabei zu, wie wir Ulrich und Bernhard immer näher kamen. „Wann ich ihn den endlich überholen werde“. Für mich lagen da noch ein paar hundert Meter. Doch der Abstand schrumpfte zusehends, auch weil ich merkte, dass ich bergauf viel Zeit gut machen konnte. 6:00 am vorletzten km, Linkskurve, rechts, kurz gerade, wieder links, dann war plötzlich niemand vor uns. Hatten wir uns zu guter Letzt verlaufen? Nein, nicht wir, denn bei Ulrichs „oba sicher ned“ von hinten, wusste ich, dass es umgekehrt war. Na gut, dachte ich mir, zeitlich ist er sowieso vor mir, weil später gestartet, warum also beschleunigen und mitgehen. Noch einmal ging es runter in die leichte Rechtskurve, Angelika verabschiedete sich von mir für die letzten, weiß nicht, 200m? Auf jeden Fall habe ich mit dem Rad meine Geschwindigkeit erhöht und merkte, da geht noch was. Was dann passiert ist, kann ich schwer beschreiben. Es war ein Zielsprint, und was für einer. 10m hinter Ulrich schaltete ich meine Stirnlampe, damit er den Lichtkegel nicht sieht, und zischte vorbei. Die zwei, drei Stufen rein in das Gelände übersprang ich und eilte dem Ziel entgegen. Was für ein Lauf – 17h50min – ich war sowas von fertig und zufrieden. Es war mir ein bisschen peinlich, dass sich Ulrich vor mir verneigt hat, doch es war schon sehr schön ins Ziel gekommen zu sein. Immerhin war er nicht doch mitverantwortlich, dass mich das Virus Rundumadum angesteckt hat – danke dafür J .
Im Ziel warteten Gaelle und Florian mit einem Bier – das tat gut, ich war dann etwas bedient, da ich schon längere Zeit nichts bis wenig Alkohol trinke.
Resümee: es war sehr schön, ich bin überglücklich und sehr zufrieden. 
 
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Offline Ulrich

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Antw:2020-10-31 Wien Rundumadum - Die Ganze G'schicht - Pizzipeter
« Antwort #4 am: 04.11.2020, 17:48:00 »
Peter, Hut ab!Danke für Deine Schilderung auch unseres Matches am Schluss! Dass Du über die Stufen gesprungen bist, habe ich gar nicht gesehen, das ist ja noch besonders :applaus2: Danke, dass ich den Lauf so auch noch aus Deiner Sicht erleben durfte.und @Uschi... wir reden einmal  :bierchen:
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Offline Pizzipeter

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Antw:2020-10-31 Wien Rundumadum - Die Ganze G'schicht - Pizzipeter
« Antwort #5 am: 04.11.2020, 18:19:30 »
Danke! Danke fürs Reinstellen 😀😊😉
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Offline uschi61

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Antw:2020-10-31 Wien Rundumadum - Die Ganze G'schicht - Pizzipeter
« Antwort #6 am: 04.11.2020, 20:33:11 »
Auch dein Bericht ist genauso toll wie dein Lauf - danke dafür und herzlichen Glückwunsch! Die Fotos dazu sind ein Wahnsinn! Es war uns eine Freude dich und deine MitstreiterInnen "bewirten" zu können - 2021 gerne wieder  :) !
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Offline AppleCakeRunner

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Antw:2020-10-31 Wien Rundumadum - Die Ganze G'schicht - Pizzipeter
« Antwort #7 am: 04.11.2020, 20:35:48 »
Ein wahnsinniger spannender Bericht! Gratuliere dir zum Finish!

Offline run4fun

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Antw:2020-10-31 Wien Rundumadum - Die Ganze G'schicht - Pizzipeter
« Antwort #8 am: 04.11.2020, 22:05:05 »
an dieser Stelle nochmals Gratulation für das Durchhalten, Finishen und für den ausführlichen Bericht.  :applaus_klatsch: :applaus_klatsch: :applaus_klatsch:
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Offline Pizzipeter

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Antw:2020-10-31 Wien Rundumadum - Die Ganze G'schicht - Pizzipeter
« Antwort #9 am: 05.11.2020, 07:12:05 »
...ich wusste, dass ich etwas vergessen hatte im Bericht, danke Michael für Köstlichkeiten an deiner Labstelle  :) :good:
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Offline Anna

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Antw:2020-10-31 Wien Rundumadum - Die Ganze G'schicht - Pizzipeter
« Antwort #10 am: 05.11.2020, 09:01:45 »
Bravo Peter! Du punktest nicht nur mit einem tollen Ergebnis sondern auch noch mit tollem Bericht. Selbst auf den Fotos sieht man dich nur lächelnd :) Es war ein großartiger Tag für dich - danke, dass du uns so teilhaben lässt.

Offline mister

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Antw:2020-10-31 Wien Rundumadum - Die Ganze G'schicht - Pizzipeter
« Antwort #11 am: 05.11.2020, 09:33:50 »
Gratulation zur tollen Leistung!
Der Trainer war sicher auch zufrieden ;-)

Bei unserer Labe (km 100) hast du jedenfalls sehr fröhlich gewirkt. Dürfte dann noch besser geworden sein.

...ich wusste, dass ich etwas vergessen hatte im Bericht, danke Michael für Köstlichkeiten an deiner Labstelle  :) :good:

Steht eh da:
Zitat
Hier sollte irgendwo die private Labe von Michael sein – ah – dahinten blinkte eine Stirnlampe. Salzbrezeln, Apfelsaft, zwei Orangenvierteln und…werde ich mir merken fürs nächste Mal…Pocket Coffee. Für mich als Kaffee-Junkie ein Traum, eines behielt ich für den Bisamberg.

Offline Diana11

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Antw:2020-10-31 Wien Rundumadum - Die Ganze G'schicht - Pizzipeter
« Antwort #12 am: 05.11.2020, 11:51:59 »
Danke Peter für den ausführlichen Bericht! Es rührt mich, wenn ich lese von der Unterstützung deiner Familie/deinen Freunden und dem Zusammenhalt innerhalb der Läufergemeinschaft. Einfach nur schön ... genau so schön, wie deine Freude am und Einstellung zum Laufsport!

WETTKAMPFSCHWAMMERL
Shit happens! Mal bist du Taube, mal bist du Denkmal. (Dr. Eckhart von Hirschhausen)

Offline KITTY

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Antw:2020-10-31 Wien Rundumadum - Die Ganze G'schicht - Pizzipeter
« Antwort #13 am: 05.11.2020, 17:28:31 »
Danke für den ausführlichen Bericht. Nach so einer Vorbelastung noch so einen Zielsprint hinzulegen ...  da würde ich auch vor dir niederknien. :)
lg
peter

Offline heitzko

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Antw:2020-10-31 Wien Rundumadum - Die Ganze G'schicht - Pizzipeter
« Antwort #14 am: 06.11.2020, 08:53:37 »
Vielen Dank für den spannenden Bericht!Ich freue mich sehr, dass das so super gelaufen ist (war auch höchstverdient nach der harten Vorbereitung!)
 Wenn man Ulrich´s und Deinen Bericht "zusammenliest" kommt beim Schlussteil ein richtiges Krimi-Gänsehaut-Feeling auf  :D !!!

 

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