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Titel: 2019-11-02 Rundumadum - Ganze Gschicht - Ulrich
Beitrag von: Berichte am 04.11.2019, 11:56:00
Datum: 2019-11-02
Event: Rundumadum - Ganze Gschicht
Distanz: 130,000 km

Ersteller: Ulrich
Titel: Antw:2019-11-02 Rundumadum - Ganze Gschicht - Ulrich - Heidi's Geschenk
Beitrag von: Ulrich am 04.11.2019, 11:59:22
 
 
 
Heidi´s Geschenk

 
Danke Heidi!
Erst war ich ja nicht sicher, ob Heidi‘s Geburtstagsgeschenk etwas von einem Trojanischen Pferd hatte, zu lebhaft waren mir noch die Frustrationen jener Momente im Hirn, als ich mich 2017 in der Lobau und 2018 vor Süßenbrunn entschieden hatte, an der nächsten Labestation auszusteigen. Doch  … einem geschenkten Start schaut man nicht ins Maul.. man bereitet sich vor!

 
Das heurige Laufjahr war ja eigentlich nicht unbedingt von vielen Bewerben geprägt. Ich bin nicht mehr sicher, weswegen wir nicht beim LCC starten konnten (wahrscheinlich beruflich bedingt), eins meiner Mindestziele für heuer konnte ich dann bereits im Mai erledigen, ich setzte meine 25 Jahre Marathonserie beim Salzburgmarathon fort. Dann starteten wir die Vorbereitung auf den Großglocknerberglauf, was mir in weiterer Folge zwar nicht zwingend für den Lauf selber helfen sollte, doch die in diesen Tagen erworbene Kraft half mich im Endeffekt bis zum Rundumadum.
Das war‘s dann schon wieder mit den „Unterdistanzen“ gewesen, ab sofort wurde das Laufjahr am 2.11. gemessen. Da waren keine Hintertüren mehr.
Michi, meine Osteopathin erwies sich wieder als Dreh und Angelpunkt meiner Vorbereitung, ebenso auch Selbstläufer-Alex, der mich zwar durchaus schmerzhaft aber zielgerichtet auf Spur hielt.
5 Wochen mit über 100 KM, davon einmal irgendwas mit 125 oder so waren zwar nicht ganz ohne, aber dafür erfolgversprechend. Keine wirklichen Probleme, meine Fersen und Sehnen, mein Rücken und der Allerwerteste entschlossen sich, mehr oder weniger gnädig zu bleiben.
Neben den vielen Kilometern sammelten sich aber auch so manche psychische Sicherheitshaken an der Strecke, die mir im Verlaufe des Rennens noch sehr helfen sollten.
So bin ich ja grundsätzlich kein Freund der Kilometer zwischen Hüdorf und dem Einstieg dann in die Schotterstrecke um den Lainzer Tiergarten. Zu öde kommt mir dieser Asphalt neben der Autobahn vor, zu langweilig. Doch… irgendwie sind es einfach, billige Kilometer. Sie fordern nicht sonderlich, daher erfand ich für mich den Begriff der „billigen Kilometer“. Im Gegensatz zu den Höhenmetern der Nase, der 3 Hufeisen oder am Ende auch des Bisamberges sind die billigen KM‘s zwar fad aber einfach.
 Nachdem wir ja das Glück haben, im Grätzl zwischen Wienerwald und Donauinsel zu wohnen, liegt ein nicht unbeträchtlicher Teil der Rundumadum-Strecke im laufbaren Umfeld unserer Wohnung. Heidi und ich waren daher öfter auf den Strecken zwischen Gerasdorf (wobei ich hier eher allein unterwegs war) und Laaber Tor unterwegs. Auch eine Wanderung mit meinem Bruder von Hüdorf nach Alterlaa half mir, die Strecke mit vielen positiven Gedanken zu versehen.

 

 
Klar... die Aufmerksamkeit, die ich dem Rundumadum widmete ging vielleicht in dem einen oder anderen Bereich verloren, doch stellten sich netterweise auch beruflich in dieser Zeit ein paar positive Überraschungen ein, die mich stimmungsmäßig oben hielten.

 
Angelika, Dir bin ich auch sehr sehr dankbar! Ich durfte 2 mal anrufen, als ich Fragen zu der Vorbereitung der letzten 3 Wochen hatte. Die Erfahrung der Großmeisterin der Ultrastrecken war freilich Goldes wert!

 
Nun, der Tag X rückte näher, die kleinen Psychospielchen des Körpers brachten zwar etwas Nervosität, doch standen Heidi und ich am 2.11.2019 um 4:45 bei der Trackerausgabe, saßen bei der  Besprechung, als Flo uns die letzten Basicinfos mit auf den Weg gab und uns mahnte, die StVO zu beachten….

 
START in 1 Min!

 
Was schon? Dachte es ist noch Zeit zum plaudern.. Ach passt schon. Ich verabschiede ich von Heidi, entschließe mich diesmal meine Stirnlampe noch im Rucksack zu lassen, schlicht auch, um jede Sekunde Akku zu sparen. Zwar habe ich Wechselbatterien eingesteckt und auch an den Laben hinterlegt, aber… sicher ist sicher.
Gemeinsam mit Roman Nasmorn geht‘s die ersten Kilometer Richtung Nordsteg, bis ich kurz austreten muss und dann auf Heidi auflaufe. Gemeinsam geht‘s bis in den 19, wo ich dann ungefähr ab der Schemerlbrücke (der Löwenbrücke) mein eigenes Tempo anschlage und in dämmrige Dunkelheit stapfe. Bald treffe ich auf Michael MiSter, wir plaudern uns die Nase hinauf (https://www.flickr.com/photos/146070841@N04/49011855552/in/album-72157711634753912/ (https://www.flickr.com/photos/146070841@N04/49011855552/in/album-72157711634753912/)) während langsam die Sonne irgendwo hinter den Wolken aufgeht.
Frisch ist es, außerdem ist der Wind doch ein wenig stärker als erst gedacht. Gut, dass ich mich drauf verlassen kann, dass meine Merinoleiberl  schnell trocknen und warm halten. Hey, was ist mit meinem rechten Fuß? Irgendwie sticht mein Ballen und zwickt‘s an jener Stelle, an der ich einen erst vorgestern entdeckten Riss (nach weniger als 200 KM!!!) an meinen Inov8 Parkclaw  geklebt habe. Das kann‘s aber bitte nicht sein! Hoffe, alles geht gut. Ich behalte das einmal im Auge.
MiSter ist großartig drauf, wir laufen dann bei der Josefinenhütte auf JM, Pizzipeter und Nico auf. Hier herrscht Stimmung, hier ist die Hetz zuhause. Dennoch… irgendwann schon nach weniger als einem Kilometer trennen sich unsere Wege wieder, eigentlich unabsichtlich, aber Mister und ich sind plötzlich um den entscheidenden Meter vorne, Michael setzt sich dann noch vor Schönstatt bereits nach vorne ab, ich trotte die folgenden Anstiege dann alleine durch den Wald.

Wie geht‘s mir eigentlich heute? Ein erster Rundruf erstaunt mich sehr.
Eigentlich mag ich nicht. Irgendwie rufen grad einige Teuferl auf meiner Schulter nach dem Aussteigen. Mir tut zwar nix weh, ich fühle mich auch ganz gut, dennoch aber schreit die Faulheit unüberhörbar und verschreckt die Vorfreude ein wenig.
Naja, irgendwie wär‘s aber auch eine Blödheit der Sonderklasse, wenn ich jetzt rein nur aus Faulheit aussteige. Ich hab heute die Chance, meine Rechnung mit diesem Lauf zu  begleichen, kann mich für die Aufgaben revanchieren. Außerdem bist du gut trainiert, das Wetter wird passen.
Geniess den Schmarrn heute gefälligst! Mach Dir heute einen geilen Tag, Du hast lang genug drauf gewartet!

Na gut

 
Rauf den Hermannskogel.. beim Agnesbrünnl grast ein Pferd, ich versuche nicht zu sehr zu stören und mache mich auf zum Hermann. Keine besonderen Vorkommnisse, wenn nicht hinter mir 2 recht laute Stimmen fast ein wenig nerven würden. Ich drehe mich um und mache noch weit hinter mir einen Laufkollegen mit Radlbegleitung aus. Gut ich kann verstehen, dass man am Bike etwas lauter redet.. aber … wurscht. Ich nutze die Situation und höre ab sofort bis auf weiteres Radio.

 
Roman kommt knapp vorm Häuserl am Roan wieder, wir plaudern bis… ein unangenehmer Stich im Fuß. Gut.. vergeht gleich wieder, doch Roman ist nach vorne weg. Ich zottle langsam zum Hameau, auf dem Downhill zum Schwarzenbergpark überhole ich ihn dann wieder, hier fühle ich mich eigentlich richtig gut und locker.

 
Auf der Allee im Schwarzenbergpark treffe ich auf meinen Cousin Philipp, eine nette Überraschung.
 Ich habe zwar bereits bei der erste Labe einen Riegel deponiert, doch vergesse ich ihn und fülle nur meine Flaschen mit Iso und Wasser. Noch darf das nix machen. Weiter Richtung Steinhof. Ab der Kreuzeichenwiese unterhalte ich mich nett mit einem Kollegen der erst beim WUT-Lauf eine beachtliche Zeit geschafft hat, unsere Wege bleiben bis zu den Steinhofgründen beisammen, beim Dehnepark reiße ich etwas nach vorne ab. Ich erinnere mich dass mir einmal im Rahmen unserer Vorbereitung die Überlegung entkommen war.. wenn ich in Hüdorf halbwegs locker drauf bin wär das ein gutes Zeichen. OK hoff ich hab Recht mir geht‘s gut, alles locker bis dato.
Melde mich in einem kurzen SMS bei Heidi und freue mich über den feinen heutigen Tag

 
Ich vergleiche einmal den heutigen Tag mit 2017 bzw. 18. Damals zeichnete der folgende Kampf schon in der Auhofstraße ab, heute laufe ich hier locker und ohne Probleme durch. Schön. Gleich kommen auch die „billigen Kilometer“ an der Autobahn. Gut, spannend sind sie ja nicht, doch eben… einfache Kilometer.
Vorne, noch lang vor Beginn der Schotterstraße  mache ich wieder 2 Mitstreiter aus. Irgendwo vor Beginn der Trails rund um die Tiergartenmauer hole ich die beiden ein, unterhalte mich mit ihnen. Er scheint ein unglaubliches Laufviech zu sein, ist bereits das 5. Mal hier dabei und hat auch den ARAB des Öfteren bestritten. Hoffe ich bin nicht zu schnell, wenn ich bei den beiden laufe…
Wir stapfen die Hufeisen rauf, ich freue mich über die Brombeeren die witterungsbedingt immer noch an den Büschen hängen, wartend gepflückt zu werden… gut, die Freude mach ich ihnen. ;)

 
Wenige Meter nach dem 2. Anstieg der 3 Hufeisen ein Schrei… der ARAB-ianer stürzt über eine Wurzel. Ich biete ihm ein Tape an, doch er rennt gleich tapfer weiter. Der Boden ist ein wenig rutschig hier, die Blätter machen die Geschichte nicht zwingend sicherer… Ich überlege, Heidi per SMS zu warnen, aber ich will sie auch nicht verunsichern.
Runter die herrliche Schotterstraße, kaum woanders kann ich mich so gut erholen wie auf diesem Stück. Ich liebe die Aussicht, genieße den Downhill, hier fühle ich mich lauftechnisch sehr zuhause. Rauf zum Laaber Tor… Scherzhaft haben Heidi und ich noch betont hier eben nicht wie bei unseren Trainingsläufen abzubiegen und durch den Tiergarten nach Hüdorf zu laufen. Nichts bzw. wenig liegt daher näher als hier reinzugehen… und die Wasserflasche aufzufüllen. Hey, was ist denn heute für ein geiler Tag, was wird das heute? Ich glaub heut passt es gut.
In absehbarer Zeit beginnt auch der Planetenweg, ein untrügliches Zeichen, dass ich mich der großen Wiese vor dem Gütenbachtor und somit ebendiesem nähere. Wie habe ich in den letzten Jahren hier schon gelitten. Heute alles Hakuna Matata, alles bestens. Ich esse eine Kleinigkeit, fülle die Flaschen nach… „Servus“…. Hä? Wer….. Ah … HI! Der Typ, der die letzten beiden Jahre an der Labe bei Gerasdorf meinen Niedergang live mitverfolgt hatte betreut heute das Gütenbachtor. Ein nettes Zeichen. Heute geht‘s mir so unvergleichlich besser.. ich freu mich sehr, ihn zu sehen. CU in 2020!
Der Park beim Pappelteich wird wieder zum Großteil gewanderert, zu sehr freue ich mich schon drauf, „in der Klausen“ zu laufen und auch dem Liesingbach entlang einmal nicht gehen zu müssen.
Die folgenden Kilometer habe ich mir mit meinem Bruder damals im September gut eingeprägt, ich erinnere ich gut an seine Erzählungen von einer Brasilienreise.. so bebildere ich mir die Strecke bis zum Traildog-Supperl. Ich freue mich, Carola hier zu sehen, ebenso wie ich mich auch freue, einmal nicht von den Trailwauzis gefragt zu werden, ob ich wirklich weitermachen möchte...(ich dürfte 2017 und 18 eher schlecht ausgeschaut haben…). Heiter weiter…

 
Gut.. wir haben Flo bei der morgendlichen Besprechung versprochen, die StVO zu beachten.. aber langsam nerven die Ampelphasen gewaltig. Ich kann mir vorstellen, dass ich die Leute auch ein wenig verwundere.. schließlich beginne ich immer an den Ampeln zu tanzen, um de Rhythmus der Lieder im Radio nicht nur im Laufschritt zu folgen.. aber who cares.. also …… ich nicht.

 
Eins meiner Ziele, nämlich zwischen Liesing und Alterlaa zu laufen und eben nicht gehen zu müssen, erfülle ich mir quasi nebenbei. Ich wundere mich dabei, dass ich im Radio gerade das Mittagsjournal höre (also zumindest bis ich auf MP3 umschalte) bin ich denn wirklich so flott unterwegs…, nicht übel
Bald geht‘s Richtung Wienerberg. Hier laufe ich auf einen Kollegen auf, der sein Erstlingswerk ab sofort ein wenig gemächlicher anzugehen plant, ich muntere ihn auf, dass bei Ultras eine jede Geh-Pause nur der Erholung für baldiges Laufen dient… und gehe mit ihm ein paar Meter.
Ach ja… nett ist das heute!
Wenn nur die Ampeln nicht dauern rot wären…

 
Egal… weiter.
Bald sollte ja Uschi mit den Ihren kommen. Ich muss gestehen, ich werde langsam ein wenig durstig. Meine Softflasks leeren sich fast von selber, da muss ich mir was überlegen. Schon seit längerem versuche ich, aus jedem Trinkbrunnen noch einen Tropfen rauszuquetschen, aber da gibt‘s leider nix.. alle schon in Winterpause.
Ich rufe einmal unsere Freundin Dagmar an. Wie auch schon in den letzten Jahren unterstützt sie uns aufopfernd und vor allem verlässlich. Diesmal war der Treffpunkt ungefähr um 17:00…. bitte was? Es ist erst 14:30?  Ich rufe sie an, warne vor, dass sich unser Zeitplan massiv ändern wird.
Nachdem mich heuer auch unser afghanischer Freund Ahmad durch die Lobau begleiten wird, gibt es einen zusätzlichen Organisationsaufwand für Dagmar. Aber… sie strahlt sogar durch‘s Telefon Ruhe und Zuversicht aus.. „Ich mach schon“.
Uschi!!! Ich glaube ich erkenne sie früher, als sie mich, was für eine tolle Unterstützung! Bier, Cola , Baumstämme?.. sie fragt.. also wollte ich aus der Vielfalt auswählen… nix da.. von allem bitte etwas!
Frisch gestärkt bitte ich sie noch, Heidi auszurichten, dass ich heute einen genialen Tag habe und mache mich weiter auf zur Bitterlichstraße bzw weiter zum Laaer Berg und dem Zentralfriedhof.
Schon wieder eine Ampel. Ihr mögt mich heut nicht wirklich oder? Meistens komme ich grad die entscheidenden paar Sekunden zu spät, vertreibe mir aber die Zeit mit leichten Dehnungsübungen und .. ja.. Tanzen.
Bitterlich? Nein, ganz und gar nicht.. heute heißt Du Leiwandstraße! Kurzes SMS an Heidi und rein zum Laaer Berg. Runter zum Bahnhof, Dagmar versichert mir, dass wir alles schaffen werden und meint, von meiner jetzigen Position wären es nur noch 11 KM zur Steinspornbrücke…. HÄ? Es ist doch früher Nachmittag , was soll das?
Wieder ein rotes Amperl bei der Simmeringer Hauptstraße, langsam nehme ich es mit Humor.

 
Die beiden an der Labestelle erinnern sich an meine letztjährige Verzweiflung.. heuer geht's so, wie ich es mag! Irre… ich laufe, ich kann sogar hier noch genießen! Beim Kraftwerk Freudenau locker drüber und mitten am Nachmittag auf der Insel. Sonst kenn ich das ja fast nur in der Dunkelheit!
Dagmar und Ahmad warten bei der Steinspornbridge.
Eigentlich wollte ich mich hier umziehen, eine wärmere Jacke für die Nacht, doch au contraire.. ich ziehe mein Gilet aus und laufe ab sofort nur noch in meinem Merino-Hoody. Sicherheitshalber aber jetzt mit einer Reflektorenweste.
Ahmad ist die Verwunderung ein wenig anzumerken. Er der leidenschaftliche und ausgezeichnete Kicker muss plötzlich neben einem Lauf-Wanderer hertrotten. Glücklicherweise begeistert ihn die Lobau so, dass er sich auf mein Tempo einlässt. Ich nehme mir vor, gerade hier im Wald ein wenig auf‘s Tempo zu drücken.. jeder Meter, den ich bei Tageslicht laufen kann, ist ein Gewinn. Gehen kann ich in der Dunkelheit auch noch.

 
Jö… da stehen ja plötzlich Christl und Elisabeth mitten in der Lobau und fotografieren. Ich freue ich unglaublich die beiden zu sehen, von Euch geht immer so eine positive Energie aus!!! Danke!

 
Ein wenig macht sich mein Bauch bemerkbar, mir ist ein wenig schlecht, aber nichts ernstes. Ach, der Bua ist genial darauf, alles macht er richtig! Wir unterhalten uns kurz mit einem Kollegen, der gerade seinen Abendlauf macht. Ansonsten treffen wir bis wenige KM vor Essling keine Läuferseele. Ich bin recht einsam (also bis auf Ahmad) unterwegs und genieße es. Ein spannendes Feeling. All diese Passagen, auf denen ich in den Vorjahren gelitten habe fühlen sich so anders heute an, als wären all die Lehrer der mühsamen Kilometer zu Freunden geworden!
Bei Essling fehlt zwar mein Dropbag, aber ich habe eigentlich eh nix Wichtiges drinnen… egal.

 
So, jetzt noch der letzte 40er. Und still running. Also meistens zumindest.
Ich bitte Ahmad, seine Stirnlampe anzulassen, damit ich zumindest auf den Straßenzügen meinen Akku noch sparen kann. Links, Rechts, Gradaus und schon sind wir bei der Ostbahnbegleitstraße. Hier mache ich mir ein wenig Sorgen um unsere Sicherheit. Wir laufen schlicht an einer befahrenen Hauptverkehrsroute neben Bussen und Autos, die manchmal nur einen Meter an uns vorbeibrausen.

 
Bei Aspern Nord steigt Ahmad dann (ich glaube ein wenig müde aber sehr tapfer) in die U2 ein.. ich  ziehe nun meine Laufjacke an und mache mich auf die letzten 30 km.

 
Interner Rundruf: Wie geht‘s Euch? Haxn OK, Bauch OK, Freude… OOOOOOKKKKK. Meine Stirnlampe sollte auch passen. Sicherheitshalber esse ich schnell noch einen Happen und schalte auf einen mir sonst eher selten bekannten Modus. Ich fokussiere auf GEMMA!
Sehe ich wen vor mir, so will ich nicht gleich überholen, sondern weiß, dass ich wohl besser drauf sein werde, ich hab keinen Stress, ich werde schon bald dran sein. Von hinter mir droht keine Gefahr mehr, außerdem geht es heute nicht um Platzierungen sondern ums Feeling. Die Zeit weiß ich nicht.. keine Ahnung…
Da schickt mir Bernhard ein SMS und lobt meine Konstanz. Hmmm, danke.. aber was heißt das nun doch für meine Zeit? In der Dunkelheit kann ich überhaupt keine Zeit schätzen und bin sehr verwundert, als ich sehe… 18:30!!! Hätt mir wer von 23 Uhr gesprochen, hätt ich es auch geglaubt!
Was wird denn das heute?

 
Peter, ich danke Dir für unseren gemeinsamen Lauf durch die Lobau bis nach Gerasdorf. So kenn ich die Straßenzüge weiß wo ich bin. Bei Süßenbrunn telefoniere ich mit Bernhard, der mir beim Rechnen hilft.. ich habe noch ca. 25 KM vor mir und noch weit  über 4 Stunden Zeit, will ich vor Mitternacht finishen.
Ich bin noch motivierter als vorher… Wer weiß, vielleicht schaffe ich doch, was unmöglich war.. vielleicht geht doch eine Bestzeit heute ??? ??? Besser als 2015? Doch noch einmal nicht zu alt sein?
Na dann… heiter weiter und die Musik laut.

 
Ein Kollege in gelber Kleidung mit unpackbar locker aussehendem Schritt begleitet mich meist ein wenig vor mir, dann wieder hinter mir bis nach Gerasdorf… Dort beeile ich mich, nicht zu viel Zeit liegen zu lassen, tausche den Stirnlampenakku gegen vorbereitete Batterien und .. stehe vor dem sich grad schließenden Bahnschranken…. Jetzt tanze ich aber nicht mehr ….. ich warte und warte…

 
Gerasdorf kenne ich nun schon ein wenig, weiß, wo rechts und wo links.. einzig der Marchfeldkanal  wird wohl nie mein Freund. Brauchst auch nicht, ich kenn Dich trotzdem gut genug.
Lampen nähern sich… ah, Staffel… gut so!

 
Bei der Brünner Straße schaffe ich es fast, in ein falsches Gassl rein zu laufen, doch in letzter Sekunde kann ich mich an einem Kollegen orientieren.
Also.. Bis am Berg ist nicht mehr weit. Nachdem ich die paar Male im Training den Bisamberg fast ganz gelaufen bin, versuche ich auch jetzt noch, den einen oder anderen Laufschritt einzubauen, es klappt. Lichter hinter mir werden wieder ein wenig dünkler. So… keine Ahnung, wie spät es ist, aber ich glaub, das wird heut ein Day to remember. Ich merke zwar langsam eine scheinbar lästige Blase an der rechten kleinen Zehe.. mehr aber nicht. WOW! Jetzt noch irgendwie rauf und dann diese ungute Stammersdorfer Straße hin zur Labe. Hier kann ich ein Gefühl der Unsicherheit nicht verhehlen, ich schalte die Stirnlampe auf stärksten Blink Modus und schaue, dass ich baldigst bei der Labe noch einen Schluck machen kann.

..........
Titel: Antw:2019-11-02 Rundumadum - Ganze Gschicht - Ulrich
Beitrag von: Ulrich am 04.11.2019, 12:01:00
....
 
Krottenhofgasse… nicht mehr ganz so locker, doch…. Beachtlich, wie es geht. Ich überhole, Wanderer, überhole Läufer, überhole meine Erwartungen. Jetzt aber wird es klar. Wenn ich nicht für die letzten 12 KM mehr als 2 Stunden brauche, dann wird das eine Bestzeit.
Können sogar 17 Stunden möglich sein? Kann ein 16er vorn stehen? GEEEEILLLLL! Renn! Renn jetzt was geht, Du hast schon gewonnen heute. Mühlweg… dass ich Dich so flott laufen werde, hätt ich nie gedacht.. ich schalte jetzt aus Spaß meine Ambit ein, ich mag wissen, wie schnell ich jetzt bin. Nett.. vorn steht ein 5er ;)
Gut, beim Marchfeldkanal dosiere ich noch einmal, den mag ich nicht so sehr… aber ich weiß, er ist nach ca. 2 KM wieder vorbei. Brücke, Straße, Anstieg, Brücke über A22 und jetzt HEIMAT, mein Wohnzimmer, die Donauinsel, bzw der Hubertusdamm. Jetzt mach! Lauf! Du hast eine tolle Zeit, mach sie besser! Wenn sich mein ausgezuckertes Hirn nicht ganz irrt, können sich 16:xx ausgehen. Bist du deppat! Ich schau auf meine Uhr.. sehe ein Tempo von 5:20 stehen! Kann das sein? Why not, denk nicht, plärr ned, renn!
Musik laut, ich überhole alles, das ich mir bietet mit Ausnahme 2er Staffler. Die Endorphine dopen mich, ziehen mich, schieben mich, lassen fliegen. Nordsteg, Flodobridge, Brigittenauer Brücke. Da ist der Donauturm, da die UNO-City. Links rein, beeil Dich, das geht sich aus!!!
2 Kollegen ziehen an mir vorbei.. doch… als ich ihnen nachschreie, dass sie falsch abgebogen sind.. hören sie es nicht ….
von hinten ein Kollege mit 2 Radlern.. Du überholst mich nicht! Ich sprinte mit, doch muss ich knapp  vor dem Türl durch den Holzzaun in den Sportplatz ziehen lassen. Die Radler klären mich auf.. er läuft den letzten Staffelteil.

 
Sportplatz, da die Markierungen… Ich kenne den Weg…. Links, rechts…. Hier der Start, weiter… einmal noch um die Kurve.. runter…
ich weiß nicht, ob ich jemals so einen emotionalen Zieleinlauf hatte. Mit einem Brüller komme ich ins Ziel… die Uhr zeigt… 17:01… ich habe mich scheinbar um über 30 min verbessert!!! Was für ein Lauf, ich kann mir vorstellen, dass das der geilste Lauf meines Lebens war, ein Geschenk sondergleichen, ein Geschenk von Heidi!

 
Im Ziel gratuliere ich MiSter, der eine unglaubliche Zeit gelaufen ist, esse ein wenig, dusche und suche meinen Schlafsack. Bald sollte auch Heidi wieder da sein. Auch sie schafft eine geniale Bestzeit!
https://www.flickr.com/photos/146070841@N04/49005304726/in/album-72157711619470761/ (https://www.flickr.com/photos/146070841@N04/49005304726/in/album-72157711619470761/)

 
 Später lese ich in der Zieleinlaufliste, dass ich um 22:29 eingetroffen sein dürfte, scheinbar sind sich die 16(!!!!!!!!!!!):59 ausgegangen!
Die Auswertung meiner Ambit zeigt, dass ich am Hubertusdamm teilweise 5:20 gelaufen bin, bei Sprint mit dem Staffler vor dem Holztürl sogar 4:20
Titel: Antw:2019-11-02 Rundumadum - Ganze Gschicht - Ulrich
Beitrag von: nasmorn am 04.11.2019, 13:24:44
Gratuliere dir Ulrich. Freut mich ein Stück mit dir gelaufen zu sein an diesem super Tag für dich.


Dass du es nach zwei mageren Jahren einfach wieder versuchst und dann einen drauf setzt ist ultra motivierend.
Im wahrsten Sinne, das Glück des Tüchtigen.
Titel: Antw:2019-11-02 Rundumadum - Ganze Gschicht - Ulrich
Beitrag von: herbstzeitläufer am 04.11.2019, 14:23:33
Schöner Bericht, da bekommt man gleich Lust das mal selbst zu probieren!
Titel: Antw:2019-11-02 Rundumadum - Ganze Gschicht - Ulrich
Beitrag von: Selbstläufer am 04.11.2019, 16:54:26
Bravissimo Ulrich! "Lauf des Lebens" muss man erst einmal zusammenbringen  :applaus_klatsch:
Toller Bericht in dem offenbar noch ein paar Hormone Zuflucht gefunden haben die der Lauf hinterlassen hat. Super!
Titel: Antw:2019-11-02 Rundumadum - Ganze Gschicht - Ulrich
Beitrag von: KITTY am 04.11.2019, 20:39:28
Ich freue mich sehr für dich, dass dir so ein geiler Lauf aufgegangen ist. Sehr schön geschriebener Bericht.
Titel: Antw:2019-11-02 Rundumadum - Ganze Gschicht - Ulrich
Beitrag von: shiloh am 04.11.2019, 23:02:52
Wunderbarer Bericht, danke schön! Da taucht auch bei mir so etwas wie Lust darauf auf - wenn`s nicht sooo weit wäre ;-)
Titel: Antw:2019-11-02 Rundumadum - Ganze Gschicht - Ulrich
Beitrag von: Naturhexerl am 05.11.2019, 09:06:29
Grandios Ulrich! Was für ein Lauf muss das für dich gewesen sein. Schön, dass alles aufgegangen ist und sich dein Training gelohnt hat. Die Kirsche auf der Torte war dann natürlich die neue Bestzeit. Super :winke:
Titel: Antw:2019-11-02 Rundumadum - Ganze Gschicht - Ulrich
Beitrag von: Diana11 am 06.11.2019, 10:56:56
Wow, so ein schöner Bericht, ich kann deine Freude förmlich rausspüren!! Ich freu mich sehr für dich und mit dir :juhu:
Wahrscheinlich das beste Geburtstagsgeschenk ever von deiner Heidi!

Richte bitte auch Heidi meinen herzlichen Glückwunsch aus - ihr, und alle, die sich den Rundumadum zumuten, seid Laufhelden.
Titel: Antw:2019-11-02 Rundumadum - Ganze Gschicht - Ulrich
Beitrag von: heitzko am 07.11.2019, 21:21:46
ich war ja quasi live dabei (ok via sms ;) ) und habe mich über die zunehmend positiven nachrichten gefreut! toll wenn es so läuft. bei dem "trainingstempo" das du mit mir bei den long jogs laufen musstest, sehr erstaunlich, dass du am ende noch so aufs tempo drücken konntest  ;D !eine tolle "entschädigung" für die letzten 2 jahre!
gott sei dank war der startplatz heuer kein danaergeschenk  ;D !
Titel: Antw:2019-11-02 Rundumadum - Ganze Gschicht - Ulrich
Beitrag von: AppleCakeRunner am 08.11.2019, 07:31:48
Ulrich auch von meiner Seite höchste Hochachtung vor deiner Leistung! Man sieht, wenn man hartnäckig bleibt - auch wenn es drei Jahre dauert - was dann möglich ist. Dein Bericht ist ja ein richtiges Plädoyer für Ultramarathonlauf-Anfänger!
Titel: Antw:2019-11-02 Rundumadum - Ganze Gschicht - Ulrich
Beitrag von: Ulrich am 08.11.2019, 07:55:30
Ulrich auch von meiner Seite höchste Hochachtung vor deiner Leistung! Man sieht, wenn man hartnäckig bleibt - auch wenn es drei Jahre dauert - was dann möglich ist. Dein Bericht ist ja ein richtiges Plädoyer für Ultramarathonlauf-Anfänger!
Ob 5 Km oder 130... Liebt man das Laufen, so ist vieles möglich.
Titel: Antw:2019-11-02 Rundumadum - Ganze Gschicht - Ulrich
Beitrag von: run4fun am 08.11.2019, 08:14:08

Gratuliere zur neuen Fabelzeit.
Hast du gut gemacht.
Schön geschriebener Bericht (wie gewohnt)!


ach ja, ad Bahnschranken Gerasdorf: gibts da nicht eine Fußgängerunterführung?
Titel: Antw:2019-11-02 Rundumadum - Ganze Gschicht - Ulrich
Beitrag von: Ulrich am 08.11.2019, 09:22:03
Gratuliere zur neuen Fabelzeit.
Hast du gut gemacht.
Schön geschriebener Bericht (wie gewohnt)!
ach ja, ad Bahnschranken Gerasdorf: gibts da nicht eine Fußgängerunterführung?
Danke für die Blumen, Heinz!@ Unterführung.. ja, dachte ich auch, aber als ich gefragt habe, hat´s geheißen sie wäre geschlossen wegen Bautätigkeit. Ehrlich gesagt hätt ich die Unterführungen eher bei den ganzen Ampeln tagsüber gebraucht  :haha:
Titel: Antw:2019-11-02 Rundumadum - Ganze Gschicht - Ulrich
Beitrag von: Josefstädter am 08.11.2019, 12:08:29
Gratuliere und größten Respekt!  :welle1:
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