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berichte => berichte => Thema gestartet von: Berichte am 08.12.2025, 11:46:41
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Datum: 2025-12-06
Event: Lanzarotemarathon
Distanz: 42,195 km
Ersteller: Ulrich
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Und der Rest ist Dankbarkeit
Vor einem Jahr hat es ja irgendwie begonnen, da wollte die Ferse nicht mehr so richtig heilen, doch mir war die Tragweite nicht klar, so zog ich die Reizung meiner Achillessehne immer weiter, bekam Infiltrationen, Stoßwelle, Ultraschall und noch einiges mehr, was zwar weniger gut, doch immerhin teuer war. Ich stieg auf´s Rad um, kaufte mir ein Mountainbike, aktivierte meine Hanteln wieder, nur um immer wieder drauf gestoßen zu werden, dass auch weniger Belastung der Ferse schlicht nicht helfen wollte. Heidi hatte immer wieder versucht, mir Lösungswege aufzuzeigen, doch wollte keine der Ideen den so erhofften Erfolg bringen.
Im Juni dann riss mir der Geduldsfaden und ich vereinbarte einen Termin bei der Sportordi (genauer gesagt im „Sportambulatorium“ bei D.r Reuter, der mir als Spezialist für mein Problem genannt wurde. Zwar dauerte es dann auch wieder zu viele Tage, bis ich endlich den Termin hatte. Zuvor waren wir noch 3 Tage in einer Hütte den Bergen Hofgasteins (eher eine Schnapsidee, wenn man kaum ordentlich gehen kann, aber ich wollt einfach da rauf) wo ich mich gedanklich auf das Gespräch mit dem Doc. vorbereitete. Nun, es kam zum Termin, Heidi und ich saßen da mit einer langen Liste von Erinnerungen und Ansätzen und war plötzlich so optimistisch gestimmt, dass ich nervös wurde. Ich hätte zwar alles ablesen können, doch war es unnötig geworden, Reuter schilderte mir von sich aus meinen eigenen Leidensweg, als würde es ihn schon kennen. Bald unterbrach ich ihn, mir war klar, dass ich nun in den richtigen Händen war. „Herr Doktor und was machen wir jetzt?“ „Das kann man gut operieren, das mache ich öfter.“ „Ausgezeichnet, wann ist der erste Termin?“
„Am 1.August bin ich wieder frei.“ (damals ca. 3 Wochen in der Zukunft). Sofort loggte ich den Termin ein und wir erledigten die Formalitäten, wobei hier eine private Versicherung durchaus hilfreich war. Die Tage vergingen, ich kaufte mir in Vorfreude auf eine baldige Genesung ein sehr nettes Cube MTB und meine neue Suunto Race und sah der OP sehr optimistisch entgegen, Nun würde es besser werden, nun stehe ich am Anfang des Weges zum Ziel meines nächsten Marathons. Gedanklich warf ich einen Enterhaken aus dessen Haken an der Ziellinie befestigt waren, dorthin wollte ich, dorthin sollte mich das Seil ziehen.
Die OP verlief mit Anekdoten gespickt positiv, ich wachte aus der Narkose auf, erfuhr, dass alles gut gelaufen war und kam rauf ins Zimmer. Heidi zufolge war ich völlig wach und unterhielt mich mit ihr, mir selber fehlt jede Erinnerung an diese Stunden. Am nächsten Tag dann brachte mir die Physiotherapeutin des Hauses die Benützung von Krücken bei, worauf eine halbe Stunde später Dr. Reuter ins Zimmer kam und mit recht eindeutiger Stimme meinte „Krücken brauchen´S keine, gehen´S normal.“ Und siehe da, ich konnte vorsichtig aber doch schon auftreten. Ja, die Schmerzmittel wirkten noch, aber irgendwas war jetzt schon anders. Besser…..
Nun war Geduld angesagt, ich durfte zwar gehen, durfte Radfahren, Dehnen. Nur Laufen sollte ich nicht. 6 Wochen sollte ich dem Fuß zur Heilung geben, Ok, das ist nun auch schon egal, wenn auch nur eine kleine Hoffnung auf eine schmerzfreie Zukunft da ist. Ich nahm meine Physio-Stunden in Anspruch, hier formulierte ich meinen Wunsch, meine Marathonserie auch im 31. Jahr nicht reißen zu lassen, was Matthias (so der Name des Physio) noch mit leichter Skepsis registrierte. Ich entdeckte meine Liebe zum Mountainbike neu und genoss auch jeden noch so kleinen Fortschritt bei der Heilung meines Fußes.
Ein sehr wichtiger Schritt war im Rahmen der Entfernung der Naht bedingt durch die unwesentliche Optimierbarkeit der Fachkunde der Ärztin, die einen Teil der Naht in der Wunde zurückließ. Dieser Teil entzündete sich leicht, sodass ich erst wieder Probleme bekam. Doch behandelte ich diese Stelle mit Zugsalbe, was den gesamten Heilungsprozess massiv beschleunigen sollte. Wie ich später erfahren sollte, helfen Zugsalben bei Sehnenproblemen und dem Abbau von Entzündungsprozessen.
Die 6 Wochen waren vergangen, der Kontrolltermin bei Dr. Reuter verlief sehr zufriedenstellend. Nein, schmerzfrei war ich noch nicht, aber das war nicht der Anspruch. Vielmehr wollte ich die Gewissheit, dass ich mich durch den Wiedereinstieg ins Laufen nicht wieder verletzen und schädigen würde. „Fangen´s halt langsam wieder an“
Gut, sprinten wollt ich eh nicht.
Ja, langsam steigerte ich die Distanzen. Von 200 auf 500 Meter, auf einen Kilometer, auf drei auf 5, 7 und 9. Die Sehne, die Ferse schien zu halten. Natürlich waren sowohl die Form, als auch das Gewicht weit vom üblichen Stand entfernt, (Form unten / Gewicht oben), doch… ich konnte wieder laufen.
Wir starteten als „Gastläufer“ beim Rundumadum, ich war wieder dabei und war glücklich, als ich nach 47 KM zwar völlig fertig aber dankbar aussteigen konnte.
OK und was nun? Welcher Marathon wird es? Im Endeffekt standen 2 Variante zur Wahl, Langenzersdorf mit ca. 44 Runden um einen Badeteich oder ein Auslandsmarathon. Hier war der Kandidatenkreis etwas größer, Pisa, Montenegro am 21.12. standen in der ersten Reihe, doch schlug Heidi dann den Lanzarotemarathon am 6.12. vor. Alle Vernunft missachtend entschieden wir uns kurzfristig für Lanzarote, buchten Flug und Hotel… und erfuhren, dass der Marathon ausgebucht war. :-O
Nein, das interessiert mich jetzt nicht wirklich, ich schrieb ein Mail an die Organisator*innen und bekam sofort eine Zusage: ja, es fallen immer wieder Leut aus, wir können uns noch anmelden.
Also:
Freitag hin, die Zwischenlandung in Frankfurt geriet zur Geduldsprobe, wir standen ca. 2 Stunden am Rollfeld, scheinbar gab es Probleme mit der Verladung des Fluggepäcks, doch die Passagiere ertrugen die Situation mit erfreulicher Gelassenheit. Wir landeten um 17:00 Ortszeit und einem Temperaturunterschied von ca. 20 Grad, sprangen ins Taxi und fuhren ins Hotel.
Kennt Ihr den Film „Shining“? Vielleicht sogar auch die USS Cygnus aus „das schwarze Loch“? Ungefähr diese Mischung (also das Palmenhaus der Cygnus und die Weitläufigkeit des Overlook Hotels) empfing uns. Das Hotel schien leer zu sein, doch all das war uns egal, wir waren dem Ziel, meinem Enterhaken so nahe, wie all die Monate zuvor noch nie.
Der Marathontag
sämtliche Wetterapps haben ja keine Ahnung, macht aber nix. Statt der ansagten 7 Grad in der Früh hatte es schon am Start angenehme 15 Grad, was aber das Problem mit sich brachte, dass wir keine ärmellosen Leiberl mithatten. Wir starteten sogar mit den langärmeligen Rundumadumshirts, die glücklicherweise aus dem leichtem, dünnen Stoff gefertigt sind. Mein Gedanke war dahingehend, dass der zu erwartende Wind sogar für Kühlung sorgen sollte.
Eigentlich wollten wir ja zumindest die ersten paar Kilometer gemeinsam laufen, doch ich konnte nicht anders und genoss den Lauf vom ersten Meter an in meinem eigenen Tempo. Die Ferse zog ein wenig, doch das war OK, ich ging davon aus, dass die Belastung des Vortages (wir waren doch ca. 5 KM gegangen) sich ein wenig auf die Ferse auswirken würde und wartete schlicht auf den Moment, wo Endorphin und Co. übernehmen würden. Siehe da, die ersten 15 KM zogen sich zwar elendiglich dahin, schienen kaum zu vergehen, doch ich blieb permanent in einem 5:40 – 5:50er Tempo. Hätt ich mir nie gedacht, umso größer die Freude.
Die Ferse hält, nur bei den vielen Anstiegen zwickt sie ein wenig, doch da geh ich ohnehin, mein Ziel stand fest, eine Zeit von unter 6 Stunden, hier schloss das Ziel. Einfach nur durchkommen ohne jede Belastung hinsichtlich einer Zeitvorgabe. Nicht nur die genesene Ferse, auch vor allem das Wetter sollte zur Challenge werden, schließlich hatten wir ja keinen Tag zur Umstellung von den 2 Grad in Wien auf die (laut Uhr) 26 auf Lanzarote. Aber wozu gibt’s Wasser. Ich glaub, ich hab noch bei keinem Marathon so viel Wasser über meinen Kopf, mein Shirt geschüttet, um mich zu kühlen, ja, es tat schlicht gut. Heidi, wie es ihr wohl geht? Ich beginne mir wieder einmal Sorgen zu machen, sie läuft ohne Kappe, hoffe, die Sonne stresst nicht zu sehr. Aber viele in meinem Umfeld machen es genauso, also… hoffe, es passt bei ihr soweit.
Was so ganz nebenbei die Strecke betrifft, nun ja… sie führt in einer Unzahl von keinen, unwesentlichen aber doch nervenden Steigungen von Costa Teguise nach Puerto del Carmen und wieder zurück. Zurück auf genau der gleichen Strecke, ohne Absperrung oder Ähnlichem. Noch dazu starten nach und nach der Halbmarathon und ein 10 Km mitten in den Marathon hinein, sodass wir Laufwanderer permanent von den Kurzstrecklern überholt wurden.
Bei der Wende in Puerto del Carmen lässt Heidi nicht lang auf sich warten, all meine Bedenken lösen sich auf, sie schaut sehr entspannt und relaxed aus und meint, ich brauche mir keine Sorgen machen, sie würde sich Zeit lassen. Mit Freude sehe ich auch, dass ich 4 Stunden Zeit für den 2. Abschnitt habe, ich hab die erste Hälfte in 2 Stunden hinter mir gelassen. Jetzt bin ich gedanklich in Gerasdorf, nur noch 20, 110 hab ich schon.
Ich unterhalte mich mit jenen, die ich immer wieder treffe, wir tauschen uns über die Freude des Laufens aus. „Immerhin habe ich viel Geld ( € 80) für den Lauf gezahlt, jetzt will ich auch das Wetter genießen“. Immer öfter gehe ich, immer wieder auch der Blick auf die Uhr, die mich sehr positiv überrascht, eine Zeit von unter 5 Stunden scheint in Reichweite, so ich nicht stehen bleibe. Hey, ich bin wieder da, ich laufe wieder, was für ein herrlicher Tag!!
Ja, die Unterdistanzler nerven, aber was soll ich tun, insgesamt verbreitet der gesamte Lauf sehr positive Vibes, ich bin gedanklich schon am Bisamberg (nur noch 12 KM), dann am Hubertusdamm (nur noch 7). Ach ich lasse mich tragen (nicht im Wortsinn, ich kann noch sehr gut gehen bzw. laufen ;) ) und kann mir die eine oder andere Glücksträne nicht verbeißen, als am KM 41 die passende Hymne „Glory Days“ auf der Playlist ertönt.
Ich bin (nach 4:42) am Enterhaken angekommen, all die Schmerzen und Probleme haben mich herausgefordert, sie haben mich gefordert und gezeigt, dass der etwas abgewandelte Spruch „Am Ende des Tages ist alles gut, ist es noch nicht gut, dann ist es erst Nachmittag“ durchaus brauchbar ist.
Jetzt ist es Morgen, der nächste Tag.
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Der Lanzarotemarathon war - neben dem privaten Rundumadum Erlebnis - das Highlight des Jahres. Ich bin eine sehr stolze/glückliche Ehefrau und habe mich einfach unglaublich gefreut, wie Du am Beginn so locker davonziehen konntest. Die Hauptmotivation für mich bei dem warmen Wetter durchzuhalten war, dass ich Dir dann im Ziel gratulieren kann :-* .
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Gratuliere dir. Genau was man zum Lesen braucht wenn man ein schwieriges Wochenende hatte. Wenn du von sowas zurückkommst sollte ich mich nicht anscheißen nur weil mein Longrun zach war
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Gratuliere dir. Genau was man zum Lesen braucht wenn man ein schwieriges Wochenende hatte. Wenn du von sowas zurückkommst sollte ich mich nicht anscheißen nur weil mein Longrun zach war
Anscheißen ist grundsätzlich nicht so empfehlenswert, würd ich sagen. Danke für Deine Zeilen
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Danke fürs Teilhaben an der ganzen Geschichte und gratuliere, dass du wieder laufen kannst :good:
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Ulrich, ich freu mich so für dich! Heidi zuverlässig wie immer - wie machst du das bloß? Marathon ist doch was schönes.
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Ulrich, ich freu mich so für dich! Heidi zuverlässig wie immer - wie machst du das bloß? Marathon ist doch was schönes.
Danke Anna für Deine Worte! Ja Heidi ist unglaublich. Sie hat einen sehr stressigen Job und schafft es immer noch nebenbei jedes Jahr einen Marathon und mehr zu rennen. Nun... das ist halt Heidi :kuscheln:
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Ganz toll! Da kann ich mich mitfreuen.
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Ganz toll! Da kann ich mich mitfreuen.
Danke Carola