Autor Thema: 2007-04-29 vienna city marathon - R.Roland  (Gelesen 3537 mal)

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2007-04-29 vienna city marathon - R.Roland
« am: 29.04.2007, 00:00:00 »
Datum: 2007-04-29
Event: vienna city marathon
Distanz: 42.195 km

Ersteller: R.Roland

Offline R.Roland

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2007-04-29 vienna city marathon - R.Roland
« Antwort #1 am: 29.04.2007, 00:00:00 »
"project  - sub 03:45"

Unglaublich, scheinbar vergisst man jedes Jahr wie es einem vor einem Marathon geht! Die Stimmung schwankt zwischen der überdrehten Vorfreude eines kleinen Kindes auf Weihnachten bis hin zu Hypochonda-Anfällen und Lampenfieber vor der Bühne Marathon mit dem Asphalt der die Welt bedeutet.
Dieses Mal erwischten mich die „tänzelnden Pferde“ – die kurze Bezeichnung für dieses Gefühl - bereits 1 Monat vor dem Marathon. Ich war völlig durch den Wind, war hin und hergerissen zwischen hochjauchzen des Ereignissen in die höchsten Sphären bis hin zur totalen Aufgabe - „Is ja eh wurscht!“.
Glücklicherweise beruhigten sich die Gäule wieder und gingen nicht mit mir durch und ich brachte das restliche Training ganz gut über die Bühne. Außer das ich in der Marathonwoche überhaupt kein Gefühl mehr für Geschwindigkeit hatte und die letzte Einheit mit Intervallen die zeitweilig auftretenden Schienbeinproblemchen wieder aufleben liesen.

„Was soll's!“, dachte ich, „Ich hab ja noch Zeit bis Sonntag!“. Es wurde geschmiert und eingetopft – ohne Pflanzenerde sondern mit Topfen – der Freitag nahte und die Schmerzen waren fast nicht mehr auszumachen. Wenn diese auch am Sonntag wegblieben, könnte ich optimistisch ins Rennen starten.
Freitag mittags machte ich mich mit einem Kollegen auf, die Startnummern abzuholen. Der Weg zur Messe mit den ganzen Läuferinnen und Läufer ist immer wieder ein Genuss, dagegen die Messe selbst schnell abgehakt. Mit dreimal gemütlich durchwandern der Halle brauchten wir nach einer flott erledigten Abholung so um die 3 Minuten.

Samstags dann endlich die Kaiserschmarrnparty – die obligatorische Einstimmung für den Lauf. Am Eingang begegnete ich Walter und im Festsaal dann gleich Fredmann mit seiner Kamera der die Reichetzeders im Interview mit einem überforderten Moderator filmte. Zugegeben es ist wirklich schwierig als ausgebildeter Journalist bei einer Liste mit 15 Namen wobei 3 denselben Nachnamen aufweisen einen Zusammenhang zu vermuten.
Nach Begrüßung der versammelten Truppe gab es auch noch das angekündete 'Casting'. Typisch Fredmann-TV, es gab sogar ein eigenes Transparent ähnlich der Sponsorwände bei diversen Sportveranstaltungen. Nervös war ich gar nicht und nach einen gemütlichen Abend wurde zu Hause noch alles bereit gelegt und ab ging es ins Bett mit Hoffnung auf ausreichend Schlaf.


.......


Am Sonntag wache ich noch vor dem Wecker um etwa 05:10 auf und starte in den Tag. Zuerst einmal eine Tasse Tee, der stößt den Stoffwechsel an, dann zwei Bananen. Im Forum tummeln sich schon einige Forianer.
Ich lasse mir Zeit und versuche keinen Stress aufkommen zu lassen. Schließlich ziehe ich mich an – erwische dabei zu viel Vaseline für die exponierten Stellen - und mache mich auf zum Stephansplatz.
Wie kann es anders sein werde ich dort von Elisabeth nach meiner Fieberkurve gefragt – die Erfahrungen des ersten Marathons bleiben halt fürs Leben und werden immer wieder aufgewärmt. Langsam trudeln alle ein, Fredmann will uns auf der Rolltreppe filmen und erwischt den falschen Abgang, wir steigen in eine überraschend leere U-Bahn und sammeln uns um 08:00 bei den Donauplexstiegen. Noch mal auf die Toilette und nach ein paar Gruppenfotos begeben wir uns in den Startbereich.

Der Blick die Wagramerstrasse runter auf die StarterInnen, den angrenzenden Hochhäusern und den im blauen Himmel ratternden Hubschrauber lässt die erste Vorfreude aufkommen. Im Startbereich eines Marathons herrscht immer eine eigene Stimmung, die ich jedes Mal aufs neue genieße. Nach einer letzten Pinkelpause stellen sich 'snowball' Erwin, 'Harti' Hartwig(?) und ich in den rechten Startbereich. Der ganze Tross bewegt sich immer mehr nach vorne und bald sind wir an der Vordergrenze des gelben Startbereichs angelangt, kurz darauf sind wir durch die nachdrängenden Massen sogar knapp im roten Bereich.
Wir unterhalten und noch ein wenig, wünschen uns gegenseitig Glück und Erfolg, dann ertönt endlich der Start. Applaus brandet auf und die Massen setzen sich langsam in Bewegung.

Es dauert seine Zeit bis wir die Startmatte passieren, die Uhren werden gedrückt und es geht los. Jetzt nur keinen Stress – dafür ist der sich über die Reichsbrücke schlängelnde Läuferlindwurm einfach zu dicht. Mitten auf der Brücke steht Fredmann-TV, filmt die Läufermassen und versucht die Forianer rechtzeitig zu erkennen.
Der erste Kilometer naht und wird mit 05:42 abgedrückt. "Passt!", denke ich mir, "Soweit liegt das nicht weg vom Plan.". Kurz vor Kilometer 2 bilde ich mir ein dass zwei Läufer plötzlich die Spur wechseln und auf die linke Bahn wechseln – beschwören kann ich diese Abkürzung jedoch nicht – Erwin und ich sind jedenfalls in unserem Unverständnis einer solchen Aktion einer Meinung. Der Praterstern wird umrundet während die linke Straßenhälfte die Hauptallee direkt ansteuert. "Jetzt kommt der Reißverschluss", meine ich zu Erwin und Harti und schon vereinen sich die beiden Ströme. Zum Glück passt das Tempo recht gut und wir müssen uns nur selten vorbeimogeln.

Die erste Wasserstation lasse ich aufgrund des riesigen Andrangs aus, dafür habe ich ja meinen Gurt. Leider ist das durchlaufen hier mühsam und zweimal muss ich auf die Seite hüpfen um nicht zu kollidieren. Bei der Stadionkreuzung halte ich Ausschau ob meine Schwester vielleicht doch im letzten Moment entschieden hat auch hier zu stehen. Dem ist nicht so, jedoch stehen überhaupt mehr Zuschauer als letztes Jahr – zu unser aller Freude!
Das sollten die beim öffentlich-rechtlichen einmal bringen, wie wichtig und motivierend engagierte Zuschauer sind!

Es geht zum ersten Mal auf die Schüttelstrasse, der sechste Kilometer kein Problem. Aber es ist so verdammt heiß! Ich freue mich schon auf den Schwarzenbergplatz und die bereitgestellte Wasserflasche - zwecks Kopfkühlung. Vor uns läuft eine der Nurmis, ich mache Erwin darauf aufmerksam und frage mich wie es Thomas wohl heute gehen würde. Da höre ich ihn bereits hinter mir.
Er sieht sehr locker und entspannt aus, ich wünsch ihm alles Gute und weiter geht es. Über die Schwedenbrücke biegen wir auf den Franz-Josef-Kai. Hier ist einiges los, kein Vergleich zu letzten Jahr wo ich ebenfalls mal die Zuschauer anfeuern musste. Dieses Jahr sind einfach mehr da und sie sind vor allem aktiver!

Die Verpflegstelle bei Kilometer 10 naht. Ich laufe sie an, schnappe mir einen Becher, greife einen zweiten im vollen Lauf, trinke einen Schluck und kippe mir den Großteil über den Kopf. Das tut gut! Das hilft um die Hitze abzuführen! Warum habe ich das bloß noch nie vorher gemacht?
Auf dem Ring geht es weiter, ein Läufer wechselt plötzlich die Spur und ich stolpere fast über ihn. Ein wenig verärgert lasse ich mich von seiner Entschuldigung aber schnell besänftigen. Ich weiß ja selbst das ein Überholen nicht so einfach ist.

"Ich gehe links raus", meine ich zu Harti. Damit will ich einen Seitenwechsel möglichst ökonomisch einleiten, das gelingt uns leider nicht ganz so, macht aber auch nix. Ich bemerke meine Freundin am vereinbarten Treffpunkt, sie bemerkt mich. Ich deute ihr das ich was zum Trinken brauche, sie macht ein Foto. Ich komme näher, sie hat immer noch die Kamera oben.
"Wo ist das Wasser?", denk ich mir, bevor ich die Tasche entdecke, darauf zusteuere und daraus das Wasser entreiße.
Ich reiche das Wasser durch, so wie ich auch vorher schon Wasser erhalten habe. Überhaupt teilen wir sportlich vorbildlich die Getränke und schauen das wir genug Flüssigkeit abbekommen.

Es geht bei der Oper vorbei, bei der tollen Stimmung kann ich vor Freude nur wie irre grinsen und wir beschleunigen ganz automatisch, was sich auch in einer Zeit unter 05:10 niederschlägt. Es geht bei der Secession vorbei die Linke Wienzeile hinunter.
Etwa bei Kilometer 12 sehen wir Beate vor uns laufen und schließen zu ihr auf. Ihr geht es soweit gut, sie klagt aber ebenfalls über die Hitze. Ab Kilometer 18 möchte sie noch beschleunigen und dann ins Halbmarathonziel abbiegen.
(Irgendwo hier sieht in diesem Moment ein Kollege aus seinem Fenster um einen kurzen Blick auf die vorbeiströmenden Massen zu erhaschen, sieht mich und denkt sich "Jö! Da rennt ja der Roland!")

Wir nähern uns der U6 und hoffen das die Feuerwehr wieder eine 'Dusche' aufgebaut hat. Leider ist dem nicht so und es geht weiter stadtauswärts. Die nächste Verpflegstation naht, ich berichte wieder das ich diese anlaufen werde, schnappe mir Wasser welches sofort über den Kopf geschüttet wird und laufe weiter.
"Wo sind den Erwin und Harti?", denke ich mir und spähe angestrengt nach vorne. "Die können doch nicht so schnell an mir vorbeigezogen sein?". Ich drehe mich um, entdecke aber auch hinter mir keinen Harti und keinen snowball. Was soll ich tun, beschleunigen oder bremsen? Ich drehe mich noch mal um. "Wo sind die bloß?", denke ich mir. Langsam nähere ich mich der ersten Staffelübergabe aber trotz mehrmaligen Rundblicks finde ich keinen Harti und keinen snowball. Bis mir endlich Hart von weiter hinten zuwinkt. Na gut, jetzt weiß ich endlich wo sie sind! Kurz darauf haben sie aufgeschlossen und wir durchqueren die Staffelzone, welche durch ein paar ganz schlaue Staffelläufer künstlich verengt wird. Harti bekommt ein weiteres Getränk, wir biegen ab und laufen zum technischen Museum.  "Hier hatte ich letztes Jahr die ersten Probleme und Mühe Elisabeth zu folgen", denke ich mir und bin froh das es heute über die Steigung gut läuft. Bei der Kehre steht dann auch Erwins Frau und reicht eine weitere Getränkeflasche.

Vorbei geht es am Museum, wo vor zwei Jahren mit alter Streckenführung noch eine Verpflegstelle aufgebaut war, die Mariahilferstrasse hinunter. Weiter vorne versuche ich eine Dusche zu nutzen mit dem einzigen Effekt das meine Schuhe nass werden. Uns geht es gut und wir nähern uns bereits dem Europaplatz. "Wann nimmst Du Dein erstes Gel?", fragt mich Erwin und erinnert mich daran das ich dies ja hier irgendwo machen wollte. "Jetzt!", antworte ich ihm und borge mir das Wasser zum runterspülen der klebrigen Masse. Wir überqueren den Gürtel und bei der U-Bahnstation höre ich das mein Name gerufen wird. "Da steht 'elquallo'!", freue ich mich. Des öfteren habe ich mich gefragt wie es dem Laufpartner meines zweiten Marathons in der Wachau wohl gehen mag.

In der Mariahilferstrasse stehen dieses Jahr viel mehr Zuschauer, das freut einen wirklich sehr. Die Verpflegstelle bei Kilometer 20 wird wieder angelaufen, getrunken und Wasser über die Köpfe geschüttet. Wir nähern uns dem Punkt wo Fredmann-TV seine Kamera aufgebaut hat. Kurz darauf sehen wir einen riesigen rosa Luftballon – frei nach dem Motto supersize me – gehalten durch Fredmann der uns sofort begleitet. Wir winken in die Kamera und machen auf extrem entspannt und alles so easy bevor es die letzten Meter zum Ring geht.
Die Stimmung ist der Wahnsinn! Wir laufen am Heldentor vorbei, ich werfe einen Blick hinein und wir überqueren den 21ten Kilometer mit einer Zeit unter 5min! Ja, engagierte Zuschauer motivieren halt...
Die Halbmarathonmarke wird überlaufen, wir haben ein Guthaben auf 03:45:00 für die zweite Hälfte. Es geht am Parlament vorbei und ich sehe einen Kollegen vorbeizischen. Der hat es nicht mehr weit bis zur Staffelübergabe, nach dem Rathaus haben auch wir die Staffelübergabe erreicht. Manche der LäuferInnen suchen ihren Staffelpartner auch indem sie zurück laufen - wir kommen trotzdem relativ gut vorbei.

"Ich muss wieder links hinaus", meine ich als wir in die Lichtensteinstrasse einbiegen. Kurz darauf sehe ich schon meine Freundin stehen, dieses Mal streckt sie mir alles – Wasser, Gel, Schwamm, Traubenzucker – entgegen. Ich schnappe mir eine weitere Wasserflasche und den Schwamm den ich heute in der Früh eher unmotiviert aber sicherheitshalber in die Betreuertasche gesteckt hatte. Noch ein schnelles "Danke" im vollen Lauf und ich bekomme ein paar Meter weiter die erste Möglichkeit den Schwamm zu testen.
Ich tunke den Schwamm in den Wassertrog und drücke ein wenig über den Kopf aus. Das tut gut und geht um einiges besser als einfach den Becher über dem Kopf zu entleeren.

Die Lichtensteinstrasse lassen wir flott hinter uns und biegen in die Alserbachstrasse ein. Neben uns fließt der Verkehr, ich nehme mein zweites Powergel ein. Vor der Friedensbrücke gibt es diese Steigung die ich letztes Mal ziemlich gespürt hatte, heute läuft alles locker und schon sind wir im zweiten Bezirk. Erwin bremst mich ein, da ich unbewusst beschleunige.
Von oben jubeln uns ein paar Leute – die kombinieren das mit Frühstücken - von einen engen Balkon aus zu. Die haben ihren Spaß und uns motiviert es!
Bei der nächsten Verpflegstelle wird wieder Wasser und Isostar nachgetankt, wir sind bereits bei Kilometer 25 und liegen toll in der Zeit. Immer noch laufen wir konstant zwischen 05:10 und 05:25.

Einen Kilometer weiter bebrüllen sich zwei Amerikaner, scheinbar zählt die Meinung desjenigen der lauter ist. Ich bin froh, dass ich die beiden Herren hinter mir lassen kann. Plötzlich ist Christian – ein Arbeitskollege - neben mir und begleitet mich ein Stück. Er fragt wie es mir geht und ich kann wahrheitsgemäß nur mit "Gut!" antworten. Ehe wir es mitbekommen sind wir bei der Franzensbrücke vorbei und ich bekomme noch einige der weiblichen Top10 Läuferinnen zu sehen. Christian verabschiedet sich – er ist ja eigentlich die Staffel gelaufen. Ich blicke mich nach Erwin und Harti um, finde sie schnell wieder und gemeinsam geht es bei der Samba-Gruppe vorbei.
Es läuft einfach toll, mir geht es einfach gut und schon sind wir auf den Weg in den Prater. "Jetzt kommt meine Schwester", teile ich den anderen beiden mit und schon sehe ich sie mit angestrengten Blick und hochkonzentriert in die Menge starrend. Sie bemerkt mich sehr schnell und drückt mir das Getränk in die Hand, das Powergel lasse ich zurück.

Wir durchlaufen den 1000ten VCM-Kilometer für die 15 Läufer welche alle Marathons seit 1984 gefinisht haben. "Das gibt schon was her", denke ich mir und koste an meinem Getränk. "Ui! Das ist eindeutig zu viel Apfelsaft!". "Selber Schuld!", denke ich, "Immerhin weiß jeder das man alles vorher austesten soll". Ich nehme zwei, drei Schlucke und werfe die nahezu volle Flasche weg. Kann man nichts machen, das ist halt nicht das Wahre.
Erwin versucht mich einzubremsen, ich teile ihm mit das wir sowieso über unserem Schnitt liegen, daher kann ich auf diesem Tempo bleiben. Wir laufen über die Kreuzung zur Stadionwende, es geht mir immer noch traumhaft und es läuft sich so einfach. Der 31 Kilometer mit 05:25 bestätigt mein Tempo und ich bleibe weiter auf dieser Geschwindigkeit.
Langsam fallen Erwin und Hart ab...

Bei einer weiteren Wasserstelle kann sich meine Motorik nicht entscheiden – soll das Wasser in den Mund oder über den Kopf? Irgendwo in der Mitte schwappt die Flüssigkeit dann in mein Auge! Na toll! Hoffentlich hält die Kontaktlinse und ich spül sie mir nicht raus. Nach vorsichtigen wischen und blinzeln stabilisiert sich die Sehhilfe wieder. "Glück gehabt!", denke ich, "Gut das es kein Iso war.".
Ich beobachte – jetzt geht das ja wieder - die anderen Läuferinnen und Läufer, sowohl diesseits als auch auf der Strecke raus aus dem Prater. Das Lusthaus rückt näher und näher, schon setze ich an es zu umrunden. Am Boden kniet ein Kameramann und filmt die Läuferbeine. Die Wende ist geschafft und es geht auf die letzten Kilometer. Plötzlich ist auch Erwin wieder neben mir, "Gut so!". Der Schnitt hält auch weiterhin, langsam nähern wir uns schon dem 35ten Kilometer – einen den ich mittels mentalen Training versucht habe positiv zu beeinflussen.

Noch einmal wird Wasser aufgenommen und über den Kopf gegossen – dieses Mal funktioniert das auch tadellos. Das Wasser rinnt in einem Sturzbach den Rücken hinunter und erst jetzt erinnere ich mich das hinten ja das Handy eingepackt ist. Ob es wohl die ganzen Duschen überlebt hat? "Auch egal! Wenn es hinüber ist dann werd ich das noch bald genug merken.".
Die Kurve naht – es geht raus aus dem Prater. Ich werfe einen letzten Blick auf diejenigen welche gerade erst in die Hauptallee einbiegen und erblicke 'nurmi' alias Thomas. "Oje, der sieht gar nicht gut aus!", durchfährt es mich. "Mit seiner Routine wird es aber sicher bis zum Heldenplatz reichen".

Langsam spüre ich es auch, es geht nicht mehr so leicht von den Beinen – wie auch, wir laufen gerade beim 36ten Kilometer vorbei! Auch dieser Kilometer liegt in unserem Schnitt. Ich beschließe den leichten Anstieg rauf zur Schüttelstrasse flott zu gehen um ein wenig Kraft zu sparen. Erwin feuert mich aber sofort an und ich gehe nur zwei Schritte bevor ich wieder trabe.
Meine Schwester steht etwa 100 Meter weiter, ich bekomme eine weitere Flasche Spezialgetränk. Leider kann ich auch hier wieder nur ein wenig daran nippen. Das Powergel schaffe ich auch nicht mehr, der Magen ist schon ein wenig beleidigt, also lasse ich es gleich zurück.

"Ich will nicht mehr!", irgendwie ist die Luft draußen. Ich überquere den 37km – Harti und Erwin musste ich ziehen lassen – die Zeit ist immer noch in Ordnung. Aber es passt nicht mehr. Bei der nächsten Station direkt nach den Sambarhythmen komme ich nicht mehr ins Laufen. Dem Kopf ist es egal und den Beinen auch. Ich werde überholt und es ist mir völlig gleichgültig, die Motivation ist weg.
Natürlich beginne ich trotzdem wieder zu laufen und nähere mich der Franzensbrücke. Ich gehe sie hinauf – laufen wäre wahrscheinlich sogar einfacher – auf der anderen Seite jogge ich hinunter.

"Ich mag nicht mehr!", es verbleibt kein positiver Gedanke. Obwohl der Puls nach unten wegsackt und sich die Beine nicht so wirklich müde anfühlen komme ich nicht mehr auf Touren. Ich verlasse die Radetzkystrasse und sehne den 40ten Kilometer herbei. Wo ist der bloß? Demotiviert gehe ich wieder ein paar Schritte und werde von einem vorbeilaufenden mittels leichten Klaps auf die Schulter angehalten weiterzulaufen. "Na, dann machen wir das halt", ich trabe weiter.
Der 40te Kilometer wird endlich überschritten und ich steuere die Verpflegstelle an. Ich nehme mir ein Cola und höre Ulrich mich anfeuern. "Ja, mir geht es nicht mehr gut. Sieht man doch, oder?", es hilft trotzdem ein wenig.

Ich bin wieder am Ring überhole Läufer – bis ich wieder stehen bleibe um zu gehen. Jetzt werde ich wieder überholt und ein weiterer Läufer dreht sich im Laufen um streckt die Arme auf die Seite und deutet "Woas is? Weiter gehts!".
Na gut, dann wollen wir halt wieder. Der 41te Kilometer wird überschritten, irgendwie kommt aber keine rechte Freude auf. Meine Freundin begleitet mich hier wieder ein kleines Stück, ist lieb, kann mich aber auch nicht mehr nachhaltig motivieren.

Ich schleppe mich an den Zuschauermassen vorbei – die sind wirklich toll – trotzdem geht es einfach nicht. Mit Tor de France Feeling geht es auf den letzten Kilometer. Nochmal treffe ich auf 'elquallo' und werde von 'HeinzP' angefeuert. Die letzte Kurve und es geht durch das Heldentor. Ich versuche die Stimmung einzufangen, freue mich aber eigentlich nur noch das es jetzt gleich vorbei ist. Die Uhr zeigt 03:54 brutto – es wird also eine Zeit über 03:50, auch nicht hilfreich um jetzt noch irgendwelche Kraftreserven zu mobilisieren.
Also überquere ich unspektakulär das Ziel und gehe ausgepumpt weiter. Die Medaille bekomme ich umgehängt, hole die Zielverpflegung ab und stopfe alles essbare was es so hergibt mit einem Mordshunger in mich hinein.

Der rosarote Riesenballon markiert unsere Forumstruppe und wir lassen uns zu einem eigens produzierten "Finisher-Bier" nieder. Durch die reduzierte Kohlensäure ist es auch sehr bekömmlich und tut nach dem Lauf richtig gut. Wir quatschen noch, 'kasl' Karin holt dankenderweise meinen Kleidersack und nach ein wenig Geplauder geht es ab nach Hause.
Nach einer ausgiebigen Dusche und ein wenig Passivsport – Marathonaufzeichnung im Fernsehen – geht es in das alte AKH zur "Nachbesprechung". Der Abend klingt mit Erzählungen in einer gemütlichen Runde aus.


.......


Zwei Tage später schmerzt die linke Schulter. Ich weiß schon gar nicht mehr was ich damit anfangen soll und wie ich diese am besten halten soll um den Schmerz zu minimieren. Somit bleibt mir der Gang zum Doktore nicht erspart.
Ich berichte meine Vermutung das es eine Überlastung vom Marathon sei und ich halt etwas gegen den akuten Schmerz benötige. "In welcher Zeit?", kommt die tatsächlich interessierte Frage meines Arztes. Ich berichte und er scheint von meinen 03:50:24 tatsächlich beeindruckt.

Das ist auch etwas was ich vor jeden Marathon vergesse, den Respekt den andere dann der Leistung 42,195km zu bewältigen entgegenbringen – richtigerweise unabhängig in welcher Zeit dies geschieht. Für mich ist es immer wieder eine Überraschung, da ich dann meist schon lang gedanklich beim nächsten Lauf bin.

Also, welchen Herbstmarathon laufe ich dieses Jahr?
 
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Offline elisabeth

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2007-04-29 vienna city marathon - R.Roland
« Antwort #2 am: 07.05.2007, 15:30:05 »
Super toller Bericht Roland!
"Ich mag nimmer"--das kenne ich!!:)
Brav durchgebissen auf den letzten kilometern!!
Super Zeit!



Offline erwin_o

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2007-04-29 vienna city marathon - R.Roland
« Antwort #3 am: 07.05.2007, 15:48:42 »
Na, dafür, dass du mich meistens zusammengsch... hast, das ich zu schnell bin hab ich dich aber ganz schön oft eingebremst :D

scherz beiseite... toller bericht. Ich hoffe Deiner Schulter gehts schon wieder besser.
Carpe Diem

Offline JM

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2007-04-29 vienna city marathon - R.Roland
« Antwort #4 am: 07.05.2007, 15:55:17 »
wow, sehr langer Bericht :) Jetzt weiß ich wieso ich mich so lange gedulden musste  bis dein Bericht fertig war :D
Gratulation zu deinem Lauf, dau hast ganz zufrieden ausgeschaut im Ziel, und das kannst berechtigterweise auch sein ! Hoffentlich geht´st deine Schulter bald wieder besser...denn das nächste Ziel wartet ja schon. Bin gespannt wo du im Herbst laufen wirst ...
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Offline heitzko

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2007-04-29 vienna city marathon - R.Roland
« Antwort #5 am: 07.05.2007, 16:36:49 »
Ich nehme mir ein Cola und höre Ulrich mich anfeuern. "Ja, mir geht es nicht mehr gut. Sieht man doch, oder?", es hilft trotzdem ein wenig.


:D das ist eine ganz typische roland-aussage :)! danke für den bericht! und dafür, dass es am ende echt zach war, hast du super durchgebissen. 3:50 ist in der tat eine zeit die vieeeeeele leute irgendwann in ihrem läuferleben mal gerne erreichen würden...

ich hoffe ebenfalls, dass sich die schulter wieder beruhigt hat.

Offline R.Roland

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2007-04-29 vienna city marathon - R.Roland
« Antwort #6 am: 07.05.2007, 16:43:07 »
@alle:
Danke ... Der Schulter geht es in der Tat schon viel besser! :)

Mit der Zeit bin ich natürlich SEHR zufrieden, auch wenn ich am Ende ziemlich eingebrochen bin...


@heidi:
Ich hab nur versucht herauszuarbeiten wie es mir da ging. Ich habe zwar die Anfeuerungen mitbekommen - mich auch darüber gefreut - aber wirklich durchgedrungen sind sie nicht, ich war einfach fix und fertig.
 
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Offline heitzko

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2007-04-29 vienna city marathon - R.Roland
« Antwort #7 am: 07.05.2007, 17:13:34 »

das ist mir klar! vor allem kenne ich diese stimmung nur zuuuu gut. ich hab zu ulrich ja letztes beim vcm (ca bei km 38) auch gesagt "sei still", weil die anfeuerungen nicht mehr durchgedrungen sind :D!

projekt sub 3:45 wird bei dir im herbst auf jeden fall verwirklicht werden - so das wetter will. diesmal war es ja sogar dir zu heiß :)!

Offline borromeus

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2007-04-29 vienna city marathon - R.Roland
« Antwort #8 am: 07.05.2007, 18:44:48 »
Gratuliere Roland!
Die 3:45 packst Du sicher im nächsten Anlauf!
Ich werde Dir auf den Fersen bleiben.....ggg.

Und einen sehr eindrucksvoller Bericht hast Du neben Deiner tollen Leistung- immerhin PB- auch abgegeben.

keep on running

Offline boenald

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2007-04-29 vienna city marathon - R.Roland
« Antwort #9 am: 07.05.2007, 20:53:36 »
ich mag deine ausführlichen und detailversessenen berichte! da zahlt sich das warten aus. und dass du mit deiner zeit zufrieden bist, freut umso mehr. schließlich ist das ja wirklich eine, der viele laaange hinterher laufen. gratuliere!
Paragraph eins: jedem sein´s.

Offline bani

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2007-04-29 vienna city marathon - R.Roland
« Antwort #10 am: 07.05.2007, 22:37:29 »
also als dein trainer muß ich schimpfen
wir müssen wohl mentaltraining machen. sowas wie "ich mag nimmer" obwohl es dir nicht sooo schlecht geht, gibt es nicht. ein klassischer, menthaler einbruch. du hast es zugelassen

gratuliere dir trotzdem zu deinem marathon. mit der zeit bin ich schon zufrieden. vor allem kam der einbruch so spät wie noch nie. hast du gut gemacht und auch gut geschrieben

*lg* bani

Offline Mihi69

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2007-04-29 vienna city marathon - R.Roland
« Antwort #11 am: 08.05.2007, 00:39:35 »
Bani, sei nicht so streng! Roland super Bericht, tolle Zeit!

Offline pipel

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2007-04-29 vienna city marathon - R.Roland
« Antwort #12 am: 08.05.2007, 07:52:14 »
Super Bericht! Da war alles drin in dem Marathon, oder? Aber super durchgebissen als die Motivation nachgelassen hat. Gratuliere.
Stop the world — I wanna get on!
(Leo Bloom in "The Producers")

Offline Peter

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2007-04-29 vienna city marathon - R.Roland
« Antwort #13 am: 08.05.2007, 09:20:44 »
hallo roland !

das ist ja eine gute grundlage für die finanzmeisterschaften am 22.6. in tulln....hoffe wir sehn uns da??
super bericht und ordentlich nach hause gelaufen.
bravo

Offline johnlennon

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2007-04-29 vienna city marathon - R.Roland
« Antwort #14 am: 09.05.2007, 22:01:23 »
super toller bericht - gratuliere zu deiner zeit, die ja eine tolle neue pb ist! arg, wie schnell es oft im marathon sich ändern kann, im prater hast du voll frisch gewirkt, da hatte ich angst um harti, der sich ja dann wieder erfangen hat. leider habt ihr drei nicht gemeinsam über die ziellinie laufen können, aber es gibt ja den nächsten marathon ;)

 

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