Autor Thema: 2007-08-11 wienerwaldmarathon - Tschitschi  (Gelesen 1745 mal)

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2007-08-11 wienerwaldmarathon - Tschitschi
« am: 11.08.2007, 00:00:00 »
Datum: 2007-08-11
Event: wienerwaldmarathon
Distanz: 99.999 km

Ersteller: Tschitschi

Offline Tschitschi

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2007-08-11 wienerwaldmarathon - Tschitschi
« Antwort #1 am: 11.08.2007, 00:00:00 »
grosse Einöde bis steiniger Weg

Bei diesem Lauf ist alles zusammengekommen:
Nach einem super lockeren Testlauf vorigen Samstag rund um Lainz, haben Larissa und ich beschlossen am Wienerwaldmarathon teilzunehmen.
Nächster Montag dann Magenprobleme, Krämpfe, Durchfall etc begleiten mich die ganze Woche. Kann nicht gescheit essen. Freitag nachmittag melde ich mich entgültig an, da die Krämpfe fast vorbeisind, nur mehr leichtes Stechen und Durchfall (sagts ruhig trottel: es stimmt ja)
Allerdings: Schlechtes Wetter ist angesagt! Naja schlimmer als vor 2 Jahren rund um Lainz kanns nicht werden! (Es kann!)
Um 5 Uhr auf, Larissa holt mich ab, ich erfahre, dass die Strecke geändert ist und statt 1.500 jetzt HM 1.800 HM, na wui.
Fahren im trockenen Wien weg, kommen im Regen in Mödling an.
In Mödling in der Turnhalle organisieren die Leute ein 3 tägiges Wanderfest und nebenbei einen Marathon, aber wirklich nur nebenbei.
Bei der Startnummernausgabe konnte uns niemand sagen wo Start und wo Ziel ist, „fahrt eh ein Shuttle“, auch die Farbe der Markierung für Marathon oder Halbmarathon wurde zwar diskutiert, aber die verschiedenen Leute kamen nicht zu einem gemeinsamen Ergebnis.
Dass man danach Duschen kann war klar, wo wieder nicht.
Shuttle bringt uns zum Start: Schaffelartige Regenstürze vertreiben uns vom Start ins Gasthaus, erst in letzter Minute zum Start.
Ca 70 Starter, Frauenanteil hoch, fast 10 Damen.
Nette Begrüssungen, einige kennt man von Veitsch oder Lainz und los.
Herrliches ruhiges Laufen bei Nieselregen, wenn’s so bleibt fast optimal.
Schöne kleine Wege parallel zur Weinstrasse Richtung Baden, Larissa bremst, ich sei zu schnell. Falls die erste Labe wirklich bei KM 5 steht hat sie recht: 4:45 ist für unsere Klasse ein bisschen zu flott für einen Marathon mit 1800HM.
Wir laufen hoch über Gumpoldskirchen knapp am Wald über den Weinbergen vorbei, der Regen wird stärker der Gatsch gatschiger. Es bildet sich eine Gruppe, feines Tempo.
Wir passieren den Labe und Kontrollpunkt Einöde und......???????? Wo ist die Kontrollstelle Prokschhütte geblieben??? Wir haben eine Abzweigung verpasst, sind nahe an der Hütte vorbei und dann stetig bergab. Also unter lauten Freudeskundgebungen umdrehen einen Teil der Strecke zurück und dann steil bergauf eine Strecke die wir dann eh wieder bergab müssen. 200 HM harter Anstieg, uns kommt eine Gruppe entgegen die ganz kurz vor uns war, dann eine Gruppe die kurz hinter uns war (die ca 12 Läufer sind übrigens die Einzigen, die die Strecke richtig gelaufen sind, aber rein aus Ortskenntnis. Das Schild, die Markierung und die 2 angekündigten Personen fehlten an der Stelle, eins davon hätte gereicht, aber leider gabs keins) Wir habens noch weit hinauf, der Anstieg zieht sich.
die Höhe steigt die Moral sinkt.
Endlich oben, Labe: nur Orangensaft. Das ist für den normalen Marathonläufer, glaub ich, schon eine Zumutung, für mich mit Magenproblemen Gift. Ich muss es trinken weil der Anstieg viele Körner brauchte. Die gleiche Strecke wieder hinunter. Wenigstens haben wir jetzt Ortskenntnis.
Endlich wieder bei der Einöde (queren die „Grosse Einöd“) es gab schon besser gelaunte Läufergruppen.  
Kurzer Anstieg Richtung Baden, der Orangensaft wirkt, mich stichts im Magen, an Baden vorbei und plötzlich grossartige Landschaft (amerik.: scenic landscape, dass triffts) Ins Helenental hinein auf schmalsten Weg und daneben steil bergab, schöne Aussicht ins Tal.
So schlecht kanns mir nie gehen, dass mich schöne Landschaft nicht aufbaut und begeistert.
An der Ruine Rauhenstein vorbei, dann steil ins Tal, Querung auf die andere Flusseite, tolles Laufen durch die begleitende Au. Gegenüber der Cholerakapelle (schlechtes Omen?) verlassen wir den Fluss und es geht bergwerts, bei mir aber buschwerts. Erster Boxenstopp hinter Bäumen. Larissa geht’s bestens und sie zieht allein ihre Wege. Es geht hinauf zur Karlsruhe, der längste, und höchste Anstieg. Mein Magen zwickt, die Kraft fehlt (5 Tage nicht gescheit gegessen und die Moral, ja wo ist sie überhaupt? Die Entleerung des Magens durch beide mögliche Öfnnungen hilft! Kämpf mich die Karlsruhe hinauf, überhole Läufer, erstaunlich. Weniger erstaunlich, wenn man weiss, dass die alle nicht bei der Prokschhütte waren, also einen Berg ausgelassen haben, davor also hinter uns. Die sind alle ziemlich fertig, kurze Gespräche „ So ein Sch........“ heben die Stimmung nicht und das Wetter zeigt was es kann:
Es schüttet Kübeln und als Beilage heftiger böenartiger Wind; wirklich hart. Das Leibchen klebt am Körper und an der Windseite (als Lungauer weigere ich mich Luv und Lee zu lernen) wird’s wirklich kalt. Ich weiss jetzt definitiv, da komm ich nicht ohne echte Schwierigkeiten durch, ich werds nicht beenden. Oben auf der Karlsruhe eine Labestation, ich trinke. Das erste Mal seit dem Orangensaft vor mehr als 14km. Trink 4 Becher Cola, da ich ja eh sobald wie möglich (Telefon und Strasse für Taxi) aussteige
Es geht den „Steinigen Weg“ bergab. Nomen est Omen, der Gatsch ist ja nicht immer zwischen den Steinen. Dem Magen geht’s plötzlich wieder gut, ich gib ziemlich Tempo bergab und Sturz. Glück gehabt, nichts getan, aber ich merke, ich hab einfach nicht die Kraft ordentlich zu laufen. Treff 2 Leidensgenossen, die jammern und brauch sie kaum zu überreden ein Taxi zu teilen. Einen Buckel schaffma aber noch, na gut wir stoppen im Helenental und steigen in den Wagen des, unseren Zustand und die Auswirkung dessen auf sein Interieur, cool missachtenden Taxlers.
War ein klasser, wenn auch harter Trainingslauf 29 KM und 1460 HM.
Zurück in die Schule, das Organisationsteam sagt mir die Duschen sind über die Strasse im nächsten Gebäude, auf meinen Hinweis, dass es nach Wasser rauscht und man Prusten hört wenn man die Schule betritt, schweigen sie irritiert und ich gib mich in der Schule der Wonne des heissen Wassers hin. Viel Schaum um Wegführung, Verlaufen, Abkürzen, keiner kennt sich aus. Geh zum Ziel, die einzige Zuschauerin die anfeuert, zu unterstützen!
Larissa kommt ins Ziel, bravo, hartes Rennen und einige Meter zusätzlich. 5:05 wäre ohne Umweg 4:45 und das ist für das Wetter sehr stark. (steilere Bergabstellen, die du im Trockenen voll durchpowerst, waren so glitschig dass die meisten die Bäume zur Unterstützung brauchten).
Im Ziel haben wir dann erfahren, dass mehr als die Hälfte (na ja es waren alle bis auf ca 20)
die  Prokschhütte ausgelassen haben. Das heisst eigentlich sind nur 20 von 70 in der Wertung, aber der Fehler lag ja nicht bei den Läufern, es war einfach nicht markiert und niemand hat für einen Orientierungslauf genannt.

Es hat also 3 Gruppen gegeben;
Eine,  (Gruppe 42195m/1800HM)
die weil sie die Strecke so gut kannten, den geplanten Streckenverlauf gelaufen sind. (Ca 12 Läufer)
Eine zweite, (Gruppe 44000m/2000HM) unseres Gruppe, die umdrehten um den Kontrollpunkt zu erreichen, (Ca 8 Läufer)
und eine Dritte ( Gruppe 41000/1650HM) die die Prokschhütte ausliesen. (Ca 50 Läufer)

Als wir wegfuhren war der Stand der Jury der:
„Wir können ja nicht mehr als die Hälfte (eigentlich 2/3) der Läufer disqualifizieren ( nicht laut gesagt: ist es ausserdem unsere Schuld), wir schlagen also denen die nicht zur Prokschhütte hinaufgelaufen sind 10 Min Zeit zu.“
Blöd irgendwie für uns: Ohne der (extrem harten) Ehrenrunde wären meine Chancen durchzulaufen ungleich höher gewesen (ich hätte auch den Orangensaft versäumt!)
Larissa in unsere Gruppe wäre mit 15 Minuten schneller und unvergleichlich weniger Mühe im Ziel.
Für uns sicher nix Tragisches, für einige, denen es um Spitzenergebnisse geht, aber sicher mehr als nur ein kurzes Ärgernis.
Mein Ärgernis ist, wie nebensächlich der Marathon neben dem Hauptbeweb des Wanderns behandelt wird. So eine tolle Strecke verdient sich einen tollen Marathon und diesen wird’s nur geben wenn er von jemandem organisiert wird, dem dies ein Anliegen ist und der Spass Freude und Engagement hat
"man muss wissen bis wohin man zu weit gehen kann" jean Cocteau

Offline JM

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2007-08-11 wienerwaldmarathon - Tschitschi
« Antwort #2 am: 11.08.2007, 19:55:46 »
Selten haben die Fotos zum Bericht so gut zusammengepasst wie diesmal. Wahnsinn.
ZU starten war wohl eine falsche Entscheidung (nachher ist es aber immer leicht so zu urteilen), Auszusteigen war aber eben einen richtige Entscheidung. Beides hält sich die Waage, und zusammengefasst hast wieder ein Abenteuer mehr von dem du erzählen kannst.
Erhol dich gut, und bald wirst drüber lachen können über diesen mehr als skurilen Lauf.  
When your life flashes before your eyes, make sure you’ve got plenty to watch

Offline erwin_o

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2007-08-11 wienerwaldmarathon - Tschitschi
« Antwort #3 am: 12.08.2007, 14:00:54 »
Also, so wie sich Dein Bericht liest war Aussteigen sicher die Gscheitere Wahl. Du solltest den Bericht auch dem Veranstalter schicken - vielleicht können die was lernen.

siehs positiv: diesen Lauf wirst du sicher länger in Erinnerung haben - und wie JM sagt, bald darüber Lachen !
Carpe Diem

Offline heitzko

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2007-08-11 wienerwaldmarathon - Tschitschi
« Antwort #4 am: 12.08.2007, 19:13:54 »

also ich schließe mich an, das aufhören war die einzig richtige entscheidung! wir hatten letztes jahr wesentlich besseres wetter und auch das mit der markierung hat geklappt, heuer scheit da doch einiges schief gelaufen zu sein.... grundsätzlich ein toller marathon, schade, dass es heuer nicht so optimal gelaufen ist...

danke für den schönen bericht, so ein cross country orientierungslauf ist sicher ein abenteuer der eigenen art :)

bitte jetzt gut erholen und wieder ordentlich zu kräften kommen!

Offline Ulrich

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2007-08-11 wienerwaldmarathon - Tschitschi
« Antwort #5 am: 12.08.2007, 20:36:19 »
Bravo Christian! Du hast nicht nur eine tolle Entscheidung getroffen, sondern auch noch einen bis dahin tollen Lauf abgeliefert.
Ein wahres Lehrstück für jeden von uns.
Das Wetter spielt grad bei diesen Wald und Wiesenmarathons eine ......., aber wem sag ich das. Du kennst die Natur besser als ich.
Bravo!

"So eine tolle Strecke verdient sich einen tollen Marathon und diesen wird’s nur geben wenn er von jemandem organisiert wird, dem dies ein Anliegen ist und der Spass Freude und Engagement hat"

Ich wundere mich wirklich über die scheinbar nicht wirklich tolle Organisation heuer, denn, letztes Jahr war´s eigentlich ein perfekter Lauf mit ebensolcher Organisation.
Mal schauen, was 2008 wird.


Weil 42 die Antwort ist und 130 der Sinn

Offline mister

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2007-08-11 wienerwaldmarathon - Tschitschi
« Antwort #6 am: 13.08.2007, 11:44:28 »
Danke für den tollen Bericht und Gratulation zu dieser tollen Leistung!
Ich kann dir nachempfinden, wie du dich gefühlt hast. Vor dem Sonnwendlauf hatte ich sehr ähnliche Bschwerden. Das waren dann aber nur 10 flache km und nicht so etwas.

Jetzt bin ich umso froher, dass ich doch nicht beim HM angetreten bin wie vor ein paar Monaten überlegt. Hoffentlich wird die Organisation nächstes Jahr wieder besser. Ein schöner Lauf ist das sicher.

Offline KITTY

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2007-08-11 wienerwaldmarathon - Tschitschi
« Antwort #7 am: 13.08.2007, 13:32:15 »
Sehr schöner und ausführlicher Bericht, Christian. Trotztem verstehe ich nicht warum du mit so einem stark geschwächten Körper dir so eine Hammerstrecke angetan hast.  
lg
peter

Offline StefanM

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2007-08-11 wienerwaldmarathon - Tschitschi
« Antwort #8 am: 13.08.2007, 14:35:48 »
Meine Bewunderung, dass du überhaupt so weit gekommen bist, also ich hätt da schon viel früher drauf gesch... (naja hast du eigentlich eh auch ;))
Bei solchen Bedingungen wieder zurücklaufen zu müssen stell ich mir emotional total schwierig vor.

Eine ähnliche Strecke (wie die dritte Gruppe) hab ich am Wochenende auch zurück gelegt, allerdings wandernd und aufgeteilt auf zwei Tage - und mir tun schon die Beine weh!

Offline crow

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2007-08-11 wienerwaldmarathon - Tschitschi
« Antwort #9 am: 14.08.2007, 09:36:01 »
na das war kein Honiglecken, danke für den Bericht, LG Andy
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Offline boenald

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2007-08-11 wienerwaldmarathon - Tschitschi
« Antwort #10 am: 20.08.2007, 09:43:27 »
bitte nicht missverstehen, aber der bericht ist ein absolutes leseabenteuer und -genuss! auch und gerade weil halt nicht jedes ende ein happy end ist. muss ja auch nicht. bloss werden die abgebrochenen läufe selten auf eine so packende weise dokumentiert... die fotos machens dann noch deutlicher, was ihr euch da sozusagen angetan habts. dein aussteigen war sicher die entscheidung der wahl. was deine abschlussbemerkung angeht (tolle strecke verdient ebensolchen marathon) stimme ich völlig zu. da gibts DIE chance, im nahumfeld von wien einen gediegenen bergmarathon zu haben - die sollte man auch nutzen und etablieren. würd mich ja interessieren, was da im vergleich zu letztem jahr (abgesehen vom wetter) organisatorisch sooo anders gerannt ist.
b.
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Offline R.Roland

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2007-08-11 wienerwaldmarathon - Tschitschi
« Antwort #11 am: 03.09.2007, 14:31:04 »
na servas! :( ... klingt ja echt heftig.
 
        o O ( Auch wer stolpert kommt einen Schritt weiter )                                 >((0)
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