Autor Thema: 2007-09-16 Wachaumarathon - R.Roland  (Gelesen 870 mal)

Offline Berichte

  • Beiträge: 0
2007-09-16 Wachaumarathon - R.Roland
« am: 16.09.2007, 00:00:00 »
Datum: 2007-09-16
Event: Wachaumarathon
Distanz: 42.195 km

Ersteller: R.Roland

Offline R.Roland

  • ****
  • Beiträge: 1.644
    • http://www.scholle.biz
2007-09-16 Wachaumarathon - R.Roland
« Antwort #1 am: 16.09.2007, 00:00:00 »
"Marathonlongjog"

---------- (Untertitel: Who the f#*% is Mr. Kothböck?) ----------


Trotz neuer PB im Frühjahr im HM und im Marathon und PB auf den Kurzdistanzen, lief das Jahr trainingsmäßig nicht besonders gut. Nach dem Marathon gab es eine erzwungene Pause von 3 Wochen und auch im Sommer kam es zu einer weiteren 2 wöchigen Pause. Da der Wachaumarathon eigentlich als nächster Saisonhöhepunkt angedacht war, wollte sich dieser auch nicht mehr so recht aus dem Kopf bringen lassen. Was tun? Es war Zeit für Experimente. Die Idee den Marathon als lonjog zu laufen war geboren, immerhin haben das auch schon andere gut überstanden.
Gezögert habe ich dann bis zum letzten Moment und mich erst am Donnerstag vor dem Lauf nachgemeldet. Die Entscheidung fiel mir dann doch leicht. Erstens durfte ich Heidi und ihren Chef Peter begleiten und zweitens sollte das Wetter schön werden.




Heute ist es also soweit! Nach etwa 6 Stunden Schlaf, schmeiße ich mich in die Klamotten und mache mich auf den Weg zur U-Bahn. Am Schwedenplatz treffe ich zufällig auf einen konzentrierten, aber ansonsten völlig entspannten Tschitschi. Er fährt mit dem Zug, ich werde dankenderweise von Eggi mitgenommen. In Krems angekommen, springe ich aus dem Auto und mache mich teilweise im Laufschritt auf zum Bahnhof. Dort muss ich mich schnell orientieren. Wo ist mein Bus? Welcher fährt hier zum Marathonstart? Dann fährt ein weiterer Bus vor, ich sprinte zu diesem hin und stelle erleichtert fest, dass er zum Marathonstart fährt.
Mit dem Läufer neben mir entwickelt sich auf der Fahrt ein nettes Gespräch. Ich stelle bald fest, dass er heute seinen 110ten Marathon vorhat – diverse Ultras wie z.B. Veitsch natürlich nicht mitgerechnet! Ich fühle mich mit meinen 5 kleinen Marathons plötzlich wie ein Anfänger...

In Emmersdorf angekommen suche ich nach Heidi, entdecke jedoch an ihrer statt Alfred alias elquallo. Gemütlich lassen wir uns auf einer Holzbank nieder, fehlt nur noch ein ausgiebiges Frühstück. Streß und Anspannung vor diesem Lauf? Ach woher den! Ich komm mir eher vor wie ein Hobbit der inmitten einer Schlacht nachfragt was es jetzt wohl zum Essen gibt. Auch Michi und Stefan kommen des Weges und wirken nicht wirklich angespannt, dafür jedoch Ulrich der kurz darauf mit Heidi eintrudelt.
Um 09:30 wird Michi auf die Ultradistanz geschickt und wir feuern ihn und natürlich auch alle anderen TeilnehmerInnen an. Schließlich treffen wir auch auf Peter, welcher in einer Entfernung von ca. 2Meter telefonisch anfragt wo wir den sind. Um 10:30 geht es dann auch für uns los. Wir gehen die Startreihen von vorne nach hinten ab, beginnend beim 03:15er-Pacemaker landen wir dann irgendwo hinter dem 04:15er Luftballon. Wir setzen uns in Bewegung und irgendwann knapp hinter der Matte kommen wir auf Reisegeschwindigkeit. Zuerst geht es Richtung Krems, beim Kreisverkehr dreht der Kurs um 180 Grad und wir laufen bis zum ehemaligen Marathonstart, bevor wir ein weiteres Mal eine Kehrtwendung vollführen.

Ab jetzt geht es nur in eine Richtung. Wir plaudern und laufen gemütlich dahin. Peter geht’s gut und auch die Reisegeschwindigkeit passt. Dafür stimmen die Kilometerangaben definitiv nicht. Glücklicherweise hilft hier Heidis Uhr die immer wieder den konstanten Lauf bestättigt. Es geht durch Schallemmersdorf, etwa 35km sind noch ausständig. Die Kilometertafeln bemerke ich heute kaum, sie sind mir einerlei.
„Schade, es sind nur noch 35km!“, mit Aussagen wie diesen gehe ich Peter sicher schon auf die Nerven. Ich will damit aber die Gesamtdistanz herunterspielen, denn sehr viel beim Marathon spielt sich nun einmal im Kopf ab.

Die kleine Gruppe die sich anfangs gebildet hat, zerfällt immer mehr bis wir nur noch zu dritt weiterlaufen. Auch zieht sich das hintere Feld nun immer mehr auseinander. Es folgt Aggsbach, Peter nimmt ein erstes Gel ein. Ich teste inzwischen wie es meinen Beinen geht, da ich seit dem Start leichte Schmerzen im rechten vorderen Schienbeinbereich oberhalb des Fußgelenks habe. Zumindestens gibt es keinen Druckschmerz, wird also schon nichts schlimmes sein.

Wir laufen weiter und plaudern auch weiterhin ununterbrochen – eigentlich Heidi und ich, Peter wird verständlicherweise etwas stiller. Es folgt Willendorf und ein paar Kilometer später erreichen wir den Startbereich in Spitz. Der Halbmarathon in 02:13, Heidi meint zu Peter „voll im Plan!“.
In St. Michael gibt es eine weitere Verpflegungsstelle, wir lassen uns Zeit. Ich bin ein wenig nach vorne abgerissen und bleibe stehen, untersuche wieder mal meine Beine und freue mich über das Nasenpflaster welches ich von Ulrich gesponsert bekommen habe. „Das hilft ja wirklich!“, denke ich mir erstaunt zum zigten Mal.
Ein älterer Herr spricht mich an, ob es eh noch geht und wieviele Kilometer ich den schon habe. „Danke! Ja, alles bestens! Ich bin jetzt auf den ... auf den...“, grüble ich. Der wievielte Kilometer ist das jetzt eigentlich? Der 20te? Nein, wir waren ja schon in Spitz. Nach kurzem rechnen antworte ich ihm, „Das müsste der 28te Kilometer sein“.

Jaja, bei einem longjog interessieren die Kilometer halt nur am Rande. Es geht weiter, Heidi und ich unterhalten uns auch weiterhin. Wir erreichen Weissenkirchen etwa bei Kilometer 29. Peter geht’s nicht mehr so gut, er wird langsamer. Ich beginne zu überlegen was ich mache. Soll ich nach vorne wegziehen? „Du kannst gerne schneller laufen!“, meint auch Heidi ein weiteres mal. Ich entscheide mich zu bleiben. Es ist nun einmal ein longjog und ich habe gesagt ich begleite die beiden. Das ziehe ich jetzt auch so durch.

Wir nähern uns Dürnstein, nachdem ich eine Steigung motivationstechnisch beschimpft habe. Immerhin hat sich Peters Puls aufgrund der Steigung erhöht, Heidi setzt nach indem sie meint „Da geht’s jetzt runter!“. Überhaupt findet Heidi unglaublich viele Bergabstrecken, manchmal habe ich das Gefühl ein Gefälle von 0,5 Promille ist bereits ein Abhang…
In der näheren Umgebung kennen wir uns schon. Man überholt sich permanent gegenseitig. Da ist das Mädl mit dem bandagierten Arm, der vermeindliche Triathlet der inzwischen barfuß läuft und auch sonst der eine oder die andere Bekannte.

„Nur noch 10km! Das ist ein Katzensprung!“, teilt Heidi kurz vor dem Tunnel Peter mit. Der ist inzwischen in sich selbst versunken und müht sich merklich. Ich habe ihm inzwischen schon meine Wasserflaschen abgetreten, schade nur das ich nur zwei für ihn hatte. Ich hätte die anderen beiden nicht zu Hause lassen sollen.
Ich bleibe vor dem Tunnel wieder einmal stehen, ich war wieder einen Hauch zu schnell und habe ein paar Meter zwischen mich und den beiden gebracht. Gemeinsam durchlaufen wir den Tunnel. Ich mag die eigenartigen Lichtverhältnisse und das Gefühl wenn sich aufgrund des Gelblichtes plötzlich alle Farben verändern und teilweise veschwinden.

Endlich spüre ich auch den Fuß weniger, wahrscheinlich betäubt durch den einen oder anderen körpereigenen Cocktail. Eigentlich werde ich sogar ein wenig übermütig. Bei zwei am Boden hockenden Fotografen ziehe ich das Tempo auf etwa 05:00 hoch und fordere zum fotografieren auf. Stakkatogleiches klick, klick, klick, klick – das hat Spaß gemacht. Ich bleibe ein weiteres Mal stehen und lasse mich wieder einholen. Zurück laufen möchte ich nicht, das würde Peter sicher den letzten Nerv rauben.
Wir erreichen Loiben und eine weitere Verpflegstelle. So wie bei den bisherigen bedanke ich mich artig für die dargebotenen Becher, wofür bei einem schnellen Lauf natürlich eher keine Zeit bleibt. Peter wirkt schon ziemlich geschafft, Heidi motiviert ihn weiter.

Wir zählen die Kilometer bis zur Stadtgrenze runter und unterschlagen mal so beiläufig die verbleibenden 2 Kilometer. Ein Verkehrsschild weist nur noch einen Kilometer bis nach Krems aus. Ich stelle mich dazu, klopfe auf den Einser und rufe zurück, "Nur noch ein Kilometer!". Heidi bemerkt natürlich sofort das es nur noch 79km bis nach Wien sind. Na, das wird Peter aber jetzt nicht motivieren...
Dafür setze ich jetzt einen drauf, was ich mir leider nicht mehr verkneifen kann. Etwa 200m humpelt einer vor uns her. Ich gebe Gas und flitze an ihm mal so eben mit Puls 170 vorbei. Danach stehe ich wieder und werde von diesem aufgefordert weiterzulaufen. "Ich warte auf die beiden", teile ich ihm mit und deute zurück. Er bleibt auch kurz stehen und erwidert, "Bei mir ist die Zeit auch schon egal!". Dann trottet er aber doch weiter.

Die Tankstelle kommt in Sicht, vorher geht es etwas bergauf. "Ich geh jetzt!", hört man Peter sagen. Wir widersprechen nicht, sind nur ungnädig was das weiterlaufen betrifft. "Ab der Kurve wird wieder gelaufen!", meinen wir beide. Wir wissen wie es einem in so einer Situation geht, da hilft nur noch durchbeißen. Also beginnen wir wieder zu laufen und biegen in die eher verlassenen Strassen ein. Hier und da werden wir trotzdem von Passanten angefeuert. Kurz darauf bin ich wieder einmal zu schnell und bleibe stehen um zu warten. Eine Frau feuert mich frenetisch an. "Danke, aber ich warte auf jemanden", teile ich der Dame mit. Hinter mir ruft nun auch ein Mann, "Es ist nicht mehr weit! Geht schon!". Also setze ich mich wieder in Bewegung, stehen bleiben darf ich jetzt nicht mehr.

Die letzten beiden Kilometer. Ich komme mir fast deplatziert vor. Neben mir überholt mich ein Läufer mit fast geschlossenen Augen, mehr taumelnd als laufend und mit Salzkristallen überzogen. Der andere neben mir läuft wie Quasimodo. Peter ist verglichen mit diesen beiden das blühende Leben. Ob er sich wohl den meditativen Spruch: "Atem tief, Brust weit, Beine leicht" durch den Kopf gehen lässt, den ich ihm irgendwann auf der Strecke beigebracht habe?
Mir geht's hingegen gut. Korrektur: Mir geht es sensationell gut! Klar tun die Füße weh, die Muskeln schmerzen und die Sehnen ziepen. Aber ich bin kein bisschen geschlaucht, mental noch voll da und der Puls ist weiterhin recht weit unten. Wir laufen durch das Stadttor auf Kopfsteinpflaster. "Es sind nur noch eineinhalb Kilometer!", teilen wir Peter mit. Die Kurve zurück zum Stadion naht und Heidi fragt nach ob wir es auf dem letzten Kilometer auf Tempo probieren sollen. Peter mag nicht mehr und will nur noch finishen, meiner Meinung nach eine gute Entscheidung.

Die Zeitnehmungsmatte fiept, ich summe übermütig mit. Weiter vorne erkennt Heidi bereits Ulrich, der uns abpixelt bzw. digitalisiert. Dann sind wir auch schon aufgelaufen und er begleitet uns ein Stück. An der Seite steht das Mädel mit der Armbandage. Sie war bereits im Ziel. Wir erkennen uns und begrüßen uns. Auf der anderen Seite höre ich ein: "Der sieht aber noch frisch aus!". Ja, genauso fühle ich mich auch. Eine Fotografin in der vorletzten Kurve fordere ich mit Handzeichen auf, sich eher Peter als Motiv zu wählen. Ich brauche definitiv kein Bild. Rein in das Gässchen noch eine Linkskurve, angefeuert werden wir vom "France-Man" und es geht in die Zielgerade. Heidi und ich klatschen und feuern noch mal Peter an. Nahezu gleichauf überqueren wir die Linie.

Ich atme sofort wieder durch die Nase und hole mir meine Medaille. Das wäre also erledigt und was machen wir sonst noch so heute? Klar sind die Beine bedient, aber ich bin irgendwie überhaupt nicht müde. Peter sinkt zu Boden und legt sich erst mal flach. Ich lass ihn den Moment geniessen und zur Ruhe kommen bevor ich gratuliere.




Nach einer "Eisjause" nehmen mich Heidi und Ulrich mit nach Wien. Da checke ich erst mal die Ergebnisliste und muss etwas frustriert feststellen, dass ich dort unter "Kothböck" aufscheine. Auch wenn es nur ein reduzierter Marathon war (04:54:09), aber auch diesen möchte ich auf meinen Namen laufen haben.
Ein Mail an Pentek und Marathon-Austria trägt am Montag und am Dienstag Früchte. Ich bin sehr positiv angetan von den schnellen Korrekturen! Auch der Knöchel schwillt langsam wieder ab, wird also nichts ernstes gewesen sein. Dann gehts ab nächster Woche in die Vorbereitung für den nächsten Marathon, den nach dem Marathon ist vor dem Marathon...
 
        o O ( Auch wer stolpert kommt einen Schritt weiter )                                 >((0)
              " Jay Dee rules !                            vdot "

Offline heitzko

  • ******
  • Beiträge: 14.597
2007-09-16 Wachaumarathon - R.Roland
« Antwort #2 am: 19.09.2007, 07:23:27 »
:D :D :D einfach genial, dass ich den lauf durch deinen bericht noch einmal genauso erleben kann wie er war :)! einfach ein spitzenbericht und du warst ein spitzenbegleiter, ohne dich hätte ich wahrscheinlich ab km 10 schon nicht mehr gewusst was ich reden soll :D! an dieser stelle noch einmal danke dafür, dass du bei uns geblieben bist!

Offline pipel

  • *****
  • Beiträge: 2.456
    • http://www.peter.buchecker.at
2007-09-16 Wachaumarathon - R.Roland
« Antwort #3 am: 19.09.2007, 08:09:14 »
Ein toller Bericht Roland. Das liest sich wie ein sehr entspannter Sonntagsausflug. So kann man Marathon auch genießen. :)
Stop the world — I wanna get on!
(Leo Bloom in "The Producers")

Offline KITTY

  • *****
  • Beiträge: 2.831
    • http://marathonaustria.7host.com/data/data.asp?Name=!scheiblhofer%25peter&Mark=Jfk&IM=0
2007-09-16 Wachaumarathon - R.Roland
« Antwort #4 am: 19.09.2007, 08:25:30 »
Super Bericht Roland. Es ist genial wie du dir die ganzen Details eingeprägt hast. Gratuliere zu deinem Genußmarathon :)
lg
peter

Offline Ulrich

  • Forumsurgestein
  • ******
  • Beiträge: 11.412
    • mediation-wanderer
2007-09-16 Wachaumarathon - R.Roland
« Antwort #5 am: 19.09.2007, 08:57:07 »
Dein Bericht ist ein Highlight des Wachaumarathons, Roland! Es zeigt wieder, dass nicht die schnellen Marathons automatisch die besten sein müssen!
Weil 42 die Antwort ist und 130 der Sinn

Offline elisabeth

  • Lahmarsch
  • *****
  • Beiträge: 2.675
2007-09-16 Wachaumarathon - R.Roland
« Antwort #6 am: 19.09.2007, 14:03:53 »
Freut mich, dass es dir so gut gegangen ist. Interessant wäre jetzt auch ein Bericht von Heidis Peter, wie er den Lauf mit euch so erlebt hat:)
Ich würde vermutlich deppert werden, wenn ich am Zahnfleisch dahinkreiche und meine Begleiter ein Schmähbankerl hätten:)

Offline JM

  • *****
  • Beiträge: 13.428
2007-09-16 Wachaumarathon - R.Roland
« Antwort #7 am: 21.09.2007, 21:57:04 »
Wooow, toller Bericht. Von Marathon zu Marathon wirst nicht nur schneller, auch die Berichte werde zunehmend amüsanter. Hat mich sehr gefreut über deinen "longjog" lesen zu können.
When your life flashes before your eyes, make sure you’ve got plenty to watch

 

SimplePortal 2.3.6 © 2008-2014, SimplePortal