Autor Thema: 2007-10-07 köln marathon - Tschitschi  (Gelesen 964 mal)

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2007-10-07 köln marathon - Tschitschi
« am: 07.10.2007, 00:00:00 »
Datum: 2007-10-07
Event: köln marathon
Distanz: 42.195 km

Ersteller: Tschitschi

Offline Tschitschi

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2007-10-07 köln marathon - Tschitschi
« Antwort #1 am: 07.10.2007, 00:00:00 »
schnell angegangen, hart eingegangen

Peter hat das meiste schon beschrieben:
Ich ergänze:
Köln ist toll, durch seine kommunikativen und liebenswerten Bewohnern,
und das macht den Marathon zu etwas Einzigartigen!
Der Schmäh läuft, die Stimmung wächst, in Berlin sind vielleicht mehr Leute, aber die Gefühlspackung ist in Köln dichter.

Am Start weiss ich nicht genau was ich laufen soll. Die Bedingungen sind besser als optimal.
Herrliche Sonne, kühles Wetter (schätze so 14 Grad) und die Stimmung so oder so genial.
Bin als Test den HM in 1:29:30 gelaufen, sollte also meine PB mit 3:27:xx locker verblasen können .
Habe mein Training auf sub 3:20 abgestimmt, nur sind fast alle meine Zeiten besser als sub 3:20.
Ich nimm mir eigentlich beim Marathon fast nie ein Tempo vor, sondern renn dem Gefühl nach. Bisher war das immer ok, noch nie Mr. Hammer getroffen. (Bei meinem ersten Marathon  VCM 2003 war Mrs. Hitze so stark, dass ich nicht weiss ob Mr. Hammer mir dazu noch eine übergezogen hat)
Am Start redet mich ein Mädel an, was ich laufen will, ich sag ich denke ich starte mit 4:40 und dann  schaumamal. Sie ist begeistert, auch ihre Startzeit, will mit Greiftempoplan unter 3:15 laufen. Hab keine Chance, die Bedingungen sind zu gut: Wir laufen zu zweit auf  3:14:xx.
Vor dem Start steigt die Stimmung, hab  nicht geglaubt, dass ich nocheinmal nahe des Gefühls meines ersten Marathonstarts komme, hab mich getäuscht.
Und vonwegen die korrekten, steifen Deutschen:
Allein die 2 Sprecher, sind eine Klasse für sich, stand up Comedians ersten Ranges und peitschen die Stimmung hoch. Die Musik –erste Sahne!!- und plötzlich tauchen riesige schwere Bälle im Startraum auf die von den Läufern herumgeschubst werden.
Einer fällt über die Barriere auf die (nicht eingestellten!) Ubahngleise. Ein paar Jungs hechten über die Betonmauer und der Spass geht weiter.
Start: Genial: 10 m vor der Matte kommt man ins Laufen, nur der erste KM ein bissschen gebremst 4:50. Das gesamte Feld kommt locker ins Rollen, kein Gedränge, es macht Spass.
Susanne, so heisst meine Laufpartnerin, und ich kommen gut in den Tritt, die ersten 5KM bis zum Rhein sind schnellstens weg.
Greif will hier 4:40 bis KM 15, dann  4:32 bis 25, dann 4:37 bis 30 und den Rest der Zeit ins Ziel unter 3:15 (glaub ich mich an Susannes Vorgaben erinnern zu können).
Wir geniesen den strahlenden Sonnenschein und das disziplinierte Feld das Rheinufer hinunter. Vorbei am Schokolademuseum und Sportmuseum, die stehen dort nebeneinander! (Synergieeffekte?)
Bei KM 7 herum denk ich mir, wär ich allein, würde ich um ein Aitzerl langsamer laufen.
Aber: Heute ist der Tag der Tage, bessere Bedingungen für einen Marathon wirst nie finden, Christian.
Und es läuft sich locker um die 4:40 herum, das Tempo macht Spass.
Irgendwie merke ich, dass Susanne glaubt, ich bin ein viel besserer Läufer und staple nur ein bisschen tief- glaub ich, dass Susanne glaubt-. Sie verlässt sich auf meinen Pace und meine KM Stoppungen und läuft oft die typischen 20-50 cm hinter meiner Schulter.
Dass Publikum ist heiss bis warm, nie unterkühlt und immer präsent.
Bei KM 14 (1KM vor Susannes Plan, da wir doch am ersten KM einiges verloren haben)
ziehen wir das Tempo an, Laufen jetzt im Schnitt unter 4:35.
Viele Bands, Chöre etc. puschen!! Keine Konservenmusik sondern Köln ist live!!
Das haben sie wohl vom Karneval gelernt, den betrachte ich jetzt mit anderen Augen.
Immer wieder: „Susanne, hoi hoi,“ (viel seltener Christian, aber doch!) Wir haben ja unsere Namen auf den Startnummern.
Zurück zum Rudolphsplatz KM19,5, mit grosse Tribüne und viel Lärm.
Schön ist es Marathon zu laufen!!
Den Ring entlang, Tempo passt, wir überholen permanent aber gemächlich, die Temposteigerung, macht Spass.
„ Don`t you have anything to eat in your Marathon?“ ein Belgier versucht mich für die Verpflegung verantwortlich zu machen. Das Argument „I am from Vienna“ zieht, er läuft einige KMs mit uns.
Halbmarathon: Wir sind ziemlich  genau in Susannes (Greifs) Zeit auf  sub 3:15.
HMZeit ca 1:38, mit negativen Split (1 min schneller zweite Halbzeit) geht sich das aus.
Den Ring hinunter, alles ok, einzig Eigenartiges, wir haben bisher nur Wasser oder Tee bekommen. (und wer trinkt schon Tee beim Marathon, beim Tee sitze ich prinzipielll!!)
Ab KM 23 wird’s ein bisschen einsam. Zuerst noch „Wiener Publikum“ stehen oder hängen am Strassenrand, ich mach den Ulrich! Müdestes Klapp/Klapp.
Toll auf 42 KM braucht man nur 500m den Ulrich machen!
Bei Km 24 zweigen wir in die Vororte ab, ich bekomm langsam ein schlechtes Gefühl.
Der Körper ist noch ok, aber ich weiss wie ich mich normal bei KM  24 fühle: kräftiger!!
Bei KM 26 spür ich dann den Schub, Puls viel zu hoch, Körper läuft trotzdem recht rund.
Wahrscheinlich auch weil Manfred auf 28 wartet, ein Ziel in Nähe ist was Feines.
Ich sage Susanne, dass ich sicher nicht auf sub 3:15  laufen kann, sondern runter vom Tempo muss. Wir laufen trotzdem halbwegs stetig weiter.
Ich hoffe, dass ich nur ein kleines Tief habe und über das drüberlaufen kann.
Wir kommen zum Manfred, ich freu mich sehr dass er da steht und filmt.
Geniese den Moment und renn weiter. Ziemlich konzentriert, und.....
Nach 100m steht Manfred schon wieder an der Strecke und fotographiert. Klasser Sprint Fredman!!
Jetzt kommt die Strecke vor der Peter gewarnt hat. Gerade KMs ohne Publikum.
Wir laufen unser Tempo brav weiter, ich jetzt schwer angeschlagen, aber ich denk, wenn wir dann zum Publikum kommen, dann geht’s wieder.
Genau umgekehrt: Kurz  vor der Verpflegungsstation KM 29, ich seh die Station, hör das anfeuernde Publikum, ich  muss zurückschalten und fordere Susanne auf allein weiterzurennen. (Hat sie gemacht: Platz 5 in ihrer AK ist bei dem Riesenmarathon kein Schmutz!) Ich schalte zurück, geh ein Stück bei der Verpflegungsstation. Komm ins Laufen aber „die Flasche leer“. Aus ists!  Keine noch so geringe Chance weiter auf sub 3:15 zu laufen (bis KM 29 wäre es sich noch ausgegangen) und prinzipiell: jedes Laufen am Limit vergiss es!
Innerhalb 5 min ein absoluter Abbau. Geistig und körperlich.
Ich zwinge mich zu laufen: Die nächsten 3KM bleibst du nicht stehen! Krämpfe in den Wadeln kündigen sich an.  Laufe so um 5:00min/km bin trotzdem recht schnell überfordert, schaff die 3KM nicht und gehe und jogge und gehe. Nicht leicht: Immer wieder das Publikum: „Christian, es ist nicht mehr weit!“, „lauf Christian!“
Oder ähnliches, bin ja auch fast allein mit dem streckenweisen Gehen, das tut sonst keiner in der  3:30 Läufergruppe.
Ich beschliesse den Lauf  bis ins Ziel so relaxed zu bewältigen, dass ich geniesen kann, alles was immer er bietet!!
Geh an Trauben von Publikum vorbei. Die versuchen mich zum Laufen zu kriegen. Ich gehe!!

Ein äusserst hübsches Mädchen : „Christian, lauf für mich!“ was soll ich tun.... bis hinter die nächste Kurve.

Bin im Wandern und Joggen völlig ausserhalb jeglicher Zeitnehmung und denk mir unter 4:00
sollte ich schon ankommen. Das Hirn völlig kaputt, nur die Augen sind da.
So, die letzten 4KM lauf ich durch!
Schöne 4KM.
Geniese die Strecke, der Dom beeindruckt auch nach dem Hammermann, lauf relativ locker die Brücke hinauf, hab mich ja mehr als eine halbe Stunde erholt und gib Gas nach dem Scheitelpunkt der Brücke bis ins Ziel.
Da war ich relativ zur Laufzeit sicher einer der Schnellsten.
Mit 3:34:xx durchs Ziel.
Hab den Lauf sehr genossen, sicher auch weil die Verzweiflung schon so hoch war,
sicher aber, weil die kölschen Leute das tollste Publikum ist, welches ich bis dahin erlebt habe.


 



"man muss wissen bis wohin man zu weit gehen kann" jean Cocteau

Offline heitzko

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2007-10-07 köln marathon - Tschitschi
« Antwort #2 am: 11.10.2007, 07:22:09 »
tschitschi was soll ich sagen....deine berichte sind einfach ein wahnsinn!!!!! kann mir das ganze so richtig vorstellen. zum hammermann, du hast riskiert und es ist schief gegangen (hätte genauso gut gutgehen können :)), why not....manchmal muss bzw. will es einfach wissen. beim nächsten mal läufts sicher wieder schneller - besser wohl nicht, denn spass hast du offensichtlich mehr als genug gehabt :)! danke für diesen mitreißenden bericht! solange du nur DEN ulrich machst und nicht MIT .... habe ich nichts dagegen einzuwenden :D ;)!

Offline pipel

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2007-10-07 köln marathon - Tschitschi
« Antwort #3 am: 11.10.2007, 08:18:41 »
Super Bericht Christian! Schade, dass es sich nicht ausgegangen ist, aber: die Gier (und die Mädels, hihi). :D War jedenfalls ein Super-Wochenende in Köln.
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Offline crow

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2007-10-07 köln marathon - Tschitschi
« Antwort #4 am: 11.10.2007, 08:28:21 »
einfach toller Breicht, habe mit dir mitgelitten, obwohl das exakt meinen München Marathon wiederspiegelt. Danke!
LG Andy
--------
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Offline Ulrich

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2007-10-07 köln marathon - Tschitschi
« Antwort #5 am: 11.10.2007, 09:02:54 »
Danke, dass du uns an Deinem Erleben so hast teilhaben lassen! Du hat riskiert, das kann gut gehen, oder eben nicht. Aber, es geht halt nicht anders.

BRAVO
Weil 42 die Antwort ist und 130 der Sinn

Offline Tina

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2007-10-07 köln marathon - Tschitschi
« Antwort #6 am: 11.10.2007, 09:49:36 »
schöner bericht christian!
kann das alles gut nachempfinden... man fühlt sich am beginn manchmal unbesiegbar... und gemeinsam laufen ist immer gefährlich ;)
dass du unter den umständen noch die 3:34 gelaufen bist, ist eine tolle leistung ;) brav gekämpft, war sicher beinhart! beim nächsten mal fallen dann die sub 3:20, jetzt erhol dich erst mal gut :)
run just for fun :-)

Offline chribi

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2007-10-07 köln marathon - Tschitschi
« Antwort #7 am: 11.10.2007, 10:55:58 »
danke für den bericht, hats am ende doch noch eine gute zeit zusammengebracht, auch wenns nicht deine beste war

Offline boenald

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2007-10-07 köln marathon - Tschitschi
« Antwort #8 am: 11.10.2007, 11:01:19 »
kann mich gerne und sofort der tina anschließen: unter den kampfbedingungen eh noch 3:34 derrennen ist der eigentliche hammer im positiven sinn. schade und gratulation zugleich - naja, und schreiben tust sowieso so, dass das mitfiebern ein wahrer genuss ist.
Paragraph eins: jedem sein´s.

Offline Gantenbein

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2007-10-07 köln marathon - Tschitschi
« Antwort #9 am: 11.10.2007, 13:32:37 »
Christian ich beglückwünsche dich zu deinem Bericht, und auch zu deinem Marathon.

So gehört es sich....ohne Risiko keine Spitzenzeiten...beim nächsten Mal knackts du die 3.20.
Füllkilometer können mir gestohlen bleiben !

Offline JM

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2007-10-07 köln marathon - Tschitschi
« Antwort #10 am: 11.10.2007, 23:06:32 »
Genialer Bericht. Einiges habe ich ja schon in einer Vorabversion beim Mittagessen gehört, aber ein paar Schmankerl hast ja doch noch parat gehabt. Der Lauf war ja überhaupt ein Wahnsinn. Deine Hammermannläufe sind so schnell wie anderer Leute Bestzeitenläiufe, das muss man sich immer im Hinterkopf behalten. Super !!!
When your life flashes before your eyes, make sure you’ve got plenty to watch

Offline Mihi69

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2007-10-07 köln marathon - Tschitschi
« Antwort #11 am: 12.10.2007, 10:37:03 »
Christian, toller Bericht und ich finde, dass du das Beste aus dem Marathon dann gemacht hast. Wobei sich mir die Frage stellt, wenn ab KM29 alle 100m ein so ein Mädchen gestanden wäre? ;-)
>>Ein äusserst hübsches Mädchen : „Christian, lauf für mich!“<<

Gratuliere!

Offline Richy

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2007-10-07 köln marathon - Tschitschi
« Antwort #12 am: 13.10.2007, 00:00:30 »
Super Bericht. Ich habe beim lesen Deines Berichts die meisten meiner eigenen Marathons wieder entdeckt. Vor allem der letzte in Berlin 2007, der lief ähnlich. Darum von meiner Seite, auch wenn wir uns nicht kennen, meine Hochachtung und auch ein wenig Mitgefühl.

Das eigentliche Problem am Zurückfallen scheint meiner Ansicht nach das „Anschluss verlieren“ bzw. der Beginn des „Durchgereicht werden“ zu sein. Ich selbst bleibe meist bei den Verpflegungsstationen stehen, was am Anfang nichts ausmacht, weil man dann schnell wieder am Überrunden ist. Aber ab km 20 – km 25 wird es riskant, wenn man die „Umgebung“ verliert. Erst gehen die bekannten Rücken verloren, dann die Motivation.
Dann kommt als nächstes, nicht mehr auf die km-Zeit zu schauen, dann streckenweise gehen. Und dann schon das kalkulieren, wenn man joggt oder geht, in welcher Zeit sich das noch ausgeht und zumindestens das Gesicht gewahr bleibt. Zum Schluss noch das aufbäumen und noch 2 – 3 km laufen. Und im Ziel ist man dann relativ relaxt und fragt sich, warum man die Zeit zwischen km 25 und km 40 so verplämpert hat.
Und ähnliches kommt aus deinem sehr gelungen Bericht durch, wiewohl, nachher denkt man immer, es wäre doch besser gegangen.
Beim nächsten mal klappt es mit Deiner PB, wenn das Wetter mitspielt. Daumen drück, Richy
 

Offline erwin_o

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2007-10-07 köln marathon - Tschitschi
« Antwort #13 am: 13.10.2007, 10:34:59 »
Toller Bericht Christian - Wär interessant, ob dich der Hammermann auch erwischt hätte, wenn du einen tick langsamer gelaufen wärst.

ich glaub ja die Zeit bzs. das Tempo hättest du draufgehabt - es hat halt diesmal nicht sollen sein.

freut mich dass der MT trotzdem ein tolles Erlebnis war.
Carpe Diem

Offline KITTY

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2007-10-07 köln marathon - Tschitschi
« Antwort #14 am: 17.10.2007, 19:45:06 »
Gänsehautbericht pur! Ich selbst habe sowas ähnliches heuer in Linz miterleben müssen.Kann daher sehr gut fühlen wie es dir ergangen ist.
Kopf hoch nächstes mal schaffst locker die 3:20!
lg
peter

 

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