Autor Thema: 2008-09-28 Berlin-Marathon - tomml  (Gelesen 1342 mal)

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2008-09-28 Berlin-Marathon - tomml
« am: 28.09.2008, 00:00:00 »
Datum: 2008-09-28
Event: Berlin-Marathon
Distanz: 42.195 km

Ersteller: tomml

Offline tomml

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2008-09-28 Berlin-Marathon - tomml
« Antwort #1 am: 28.09.2008, 00:00:00 »
Mein erstes Mal Berlin

Es war schon eine gewaltige Stimmung, die herrschte, als ich an diesem Sonntagmorgen mit meinem Kleidersack durchs Brandenburger Tor marschierte. Ringsherum standen Läufer in Gruppen zusammen und machten Erinnerungsfotos von dem Event, dass in weniger als 2 Stunden starten sollte: Die 35ste Auflage des Berlin Marathons, zum ersten Mal war ich also dabei. Diese Stimmung war so überhaupt nicht mit meinen bisherigen Eindrücken des Wien-Marathons zu vergleichen. Man merkte, dass sich die ganze Stadt darauf freute, und nicht nur ein paar wenige Marathonis. Wobei von „wenig“ kann bei 40.000 Teilnehmern so und so nicht die Rede sein, das zeichnete sich schon am Freitag ab, als ich die Startunterlagen abholte. Ständiges anstellen, egal wofür. Doch letztlich war es soweit: Es konnte förmlich nix schief gehen: Ich war in guter Form, dank Hrn. Steffny wirklich gut vorbereitet, hatte keine gröberen Verletzungen, ich war motiviert und es herrschten wirklich traumhafte Wetterbedingungen. Und ich war Teil des Drittgrößten Marathons. Während vorne mit Startnummer 1 ein gewisser Haile Gebrselassie als erster Mensch unter 2:04:00h laufen wollte, waren meine Ziele mit sub 3:50h viel bescheidener, und nachdem ich im April auf Anhieb die 4:00h-Marke unterbot, sollte es doch möglich sein, zumal ich, wie schon erwähnt, gewissenhaft mein Training abgespult habe.
Diese Gedanken spielten sich in meinem Kopfkino ab, als ich mich langsam am Weg in meinen Startblock F machte, und diesen, immer noch 20 Minuten nach 8 erreichte. Womit ich mir die Zeit totschlug weiß ich jetzt eigentlich gar nicht mehr so recht, jedoch probierte ich soviel Stimmung wie nur möglich in mich aufzunehmen. Das war der Moment, auf den ich seit 2 Monaten hintrainierte. Diesen Moment ließ ich mir durch den Kopf gehen, wenn ich um 5h morgens auf der verschlafenen Simmeringer Haide meine Runden drehte. Immer wieder kontrollierte ich meine Getränkeflasche, bei welcher ich mich regelrecht zwang, ja nicht JETZT schon davon zu trinken! Immer wieder kontrollierte ich meine 3 Gels, welche ich mit Sicherheitsnadeln an meinen Trinkgurt geheftet habe. Wieso ich das tat weiß ich nicht, wohl aus purer Nervosität, denn immerhin hatte ich diese Art des „Nahrungstransportes“ die letzten Wochen immer wieder trainiert. Irgendwann, so um halb 9, beschloss ich im angrenzenden Tiergarten noch etwas aufzuwärmen, um kurz vor dreiviertel stand ich jedoch wieder artig im Startblock F, und ging noch mal meine „Checklist“ durch: Brustgurt & Laufsensor haben Verbindung mit der Uhr, die Schuhbänder sind gut gebunden, aufs Klo muss ich nicht mehr, die Nummer sitzt, die Nippelpflaster halten, die Gels und die Trinkflasche, alles an seinem Platz…es kann nix mehr schief gehen…und plötzlich: PENG…gelbe Luftballons stiegen auf…eine Lautsprecherstimme: „Der erste Start ist erfolgt!“…Die Startblöcke A-E machten sich auf den Weg, in unserem Startblock F tat sich nix…nach 5 Minuten setzte sich unser Tross langsam in Bewegung, nach 10 Minuten war schon der Startbereich gut zu erkennen, während ich im Storchenschritt über die weggeworfenen Warmhaltefolien stolperte, und 13 Minuten später begann für mich das Abenteuer Berlin Marathon.

Vorerst ging es einmal stets geradeaus, vorbei an der Siegessäule, wo ich eigentlich nur drauf achtete, nicht zu schnell loszusprinten. Ich hatte einen 5:30er-Schnitt vor, und da brauchte ich nicht wie von der Tarantel gebissen lossprinten. Soviel Lauflektüre hatte ich mir die letzten Wochen schon reingezogen, um das zu wissen, dass sich zu schnelles Beginnen am Schluss rächt. Mein Marathon geht 4 Stunden, da hab ich später immer noch genug Zeit, etwas aufzuholen. Jedenfalls genoss ich die ersten 2,5 Kilometer entlang der Straße des 17ten Juni so richtig. Am Streckenrand entdeckte ich sogar zwei Zuschauer mit Österreichfahne in der Hand. Daran vorbei gelaufen, kam ich mir mit meinem gerufenen „Hallo Heimat“ unheimlich lustig vor. Ich hatte den ersten Kilometer mit 5:45min begonnen, und den zweiten dann bereits im Plansoll von 5:27min, jetzt konnte ich es also laufen lassen. Wenngleich momentan noch etwas viel Gedränge war, wird sich dieses in der nächsten halben Stunde wohl auflösen…

Nachdem der Ernst-Reuter-Platz passiert wurde, ging es halb rechts in die Marchstraße, und plötzlich war ich gezwungen, mein Tempo wieder zu reduzieren. Es waren schlichtweg ZU VIELE Leute auf der Strecke, und as führte zu massiven Stauungen. Teilweise war für eine halbe Minute nur noch Schritttempo möglich, da sich die Straßenbreite schlagartig von 6 Spuren auf knapp 3 reduzierte. Aber ich hatte auf dem 3ten Kilometer nur eine viertel Minute eingebüßt, und hatte eine Pace von 5:45h.

Der vierte Kilometer führte über die Franklin Straße im mittleren Gedränge statt. Ich hatte vielleicht gerade mal einen halben Meter Platz vor mir, und musste mich an das Tempo der Masse anpassen. Weiters galt es immer wieder Leute zu überholen, die mit einem 7er Schnitt unterwegs waren. Ein flüchtiger Blick auf deren Startnummer und alles war klar: Falsche-Block-Starter, ansonsten sind sie mir ja egal, aber in so einem Nadelöhr doch etwas lästig. Auch dass ich noch vor Km4 einen Walker überholte, hob meine Laune in dem Moment nicht wirklich.
Plötzlich viel mir in diesem Moment ein Gespräch mit einem Mitstreiter ein, dass ich eine Stunde zuvor, auf der Wiese vorm Reichstag führte. Während ich mich mit Hirschtalg einrieb, schnorrte der mich an, ob ich nicht etwas Vaseline für ihn hätte. Natürlich gab ich ihm was ab, und während ich mir Brustgurt und Kopftuch richte, reden wir ein bisschen, was der jeweils andere so vor hat. Als ich erwähne, dass ich gerne unter 3:50h rennen würde, meint dieser, dass das sicher recht schwer wird, weil doch so viele Leute mitlaufen. Ich konterte noch, dass mir das egal sei, immerhin rennen die 40.000 ja nicht alle rund um mich…in diesem Moment, als sich unser Tross langsam der 5-Kilometer-Marke näherte, hatte ich jedoch diesen Eindruck schon. Als wir so auf dem Alt-Moabit unterwegs waren, wurde die Straße wieder breiter, und so konnte man wieder etwas besser sein eigenes Tempo laufen, jedoch sah ich von weitem ein weiteres Hindernis: einen auf der Strecke stehenden Rettungswagen, und sofort ordnete ich mich wieder auf der linken Seite ein. Im Vorbeilaufen konnte ich einen liegenden Läufer erkennen, an welchem Herzmassage durchgeführt wurde…na wirklich toll. Was sind das für Leute, die nach 5 Km’s bereits zusammenklappen. Was trainieren die? Wieso tun diese sich einen ganzen Marathon an? Irgendwie überkam mich in diesem Augenblick etwas Wut. Wut über die Leute, Wut über den Veranstalter…ja sogar Wut über die „trendige“ Laufsportart selber. Aber ich musste mich wieder auf mein Rennen konzentrieren, und auf meine Taktik. Das hier ist nicht der wöchentliche lange LongJog, an welchem ich gedankenverloren herumsinnieren kann, das hier ist der Berlin Marathon auf welchen ich mich so intensiv vorbereitet habe. Ich habe soeben den 6ten Kilometer passiert und das was ich bisher so abgeliefert habe, war jetzt noch nicht wirklich berühmt. Und kaum dass ich wieder ein wenig Zeit gut machen wollte, kam plötzlich eine Steigung. Shit, ich dachte, das sei der flachste Kurs, und jetzt das? Kaum dass ich mich innerlich auch darüber aufregen konnte, war die Steigung auch schon wieder vorbei und ich lief zwischen Hauptbahnhof und Schweizer Botschaft in einem leichten Gefälle Richtung Friedrichstraße. Den 8ten Kilometer soeben passiert. Jetzt musste ich bald in die Torstraße gelangen, wo die Strecke an meiner Jugendherberge vorbeiführt, und auch meine Anna bereitsteht, um mich anzufeuern. Bin gespannt, sie macht sich sicher schon Sorgen. Schließlich sagte ich ihr, ich sei gg. 9:50h da, und nun ist es bereits 5 nach 10. Ich konnte ja nicht wissen, dass ich 13 Minuten nach dem Startschuss auf der Strecke sein werde. Jetzt rollte es richtig: Km 8 in 5:30h, Km 9 in 5:30h und wieder staute es sich. Grad als ich wieder Tempo an die Masse anpasste, passierte ich meine Freundin. Ich konnte ihr gerade nur zurufen, dass alles passt, nur viel zu viele Leute da seien. Km 10 bereits wieder in 5:45h, also wars das wieder mit „rund laufen“…

Kilometer 11 und 12 führte uns durch eine typische DDR-Plattenbau-Siedlung. Ich hatte teilweise das Gefühl in der Großfeldsiedlung zu laufen, also rein von den Sehenswürdigkeiten war ich nicht wirklich abgelenkt. Auch meine Kilometerzeiten rehabilitierten sich ein wenig, und ich lief wieder in der Gegend von 5:30 bzw. 5:36…langsam wurde es eng mit den angepeilten 3:50h, aber noch war das Rennen ja nicht vorbei. Kurz nach Kilometer 12 passierte mir dann aber auch noch was, was noch nie da war: Bei der Trinkstation schaute ich kurz nicht am weg, und schon stieg ich mit dem linken Fuß in eine 5cm tiefe Lacke…der Schuh war also so richtig nass. Na wirklich toll, geht also wirklich ordentlich viel schief momentan, aber ich probierte mir die Stimmung nicht ganz zu vermiesen, was mir sogar gelang. Obwohl die Gegend grad nicht wirklich die schönste war, muss man sagen, dass selbst hierorts massenhaft Zuschauer die Strecke säumten. Und anders als in Wien, wo diese nur schauen, waren die Berliner absolut aktiv. Sie schafften es jedenfalls, dass mir die Strecke wie im Flug vorkam. Und irgendwie trugen sie mich bis zum Halbmarathon, an welchem ich zwar nicht wirklich berühmt unterwegs war, aber mit 1:57h immer noch auf Kurs 3:55h. Das wusste ich zum Zeitpunkt aber noch nicht, sondern ich orientierte mich stets an den öffentlichen Uhren, die ich passierte. Ich wusste, ich sollte gg. 13h im Ziel sein, und so spürte ich, gut im Rennen zu sein. Wenngleich ich auch eher dachte, auf Kurs 3:52h zu sein. Jedenfalls war für mich alles Paletti, und ich spulte weiter meine Kilometer ab. 22,23,24…allesamt um die 5:30h herum. Immer öfter hörte ich in mich hinein, ob das Werkel eh noch läuft, und es lief. Fest in der Hand hielt ich mein letztes der 3 Gels, nachdem ich die ersten beiden bereits auf Kilometer 3 und 5 verloren hatte (wozu trainier ich das eigentlich ;-)) wollte ich mir eins ganz sicher aufheben, also nahm ich es in die Hand. Dementsprechend vorgewärmt war das bereits, da ich das seit 15km’s mit mir herum trug. Aber ich wollte noch bis Km28 warten.

Und soeben hatte ich erst den 25sten passiert. Langsam begann ich schon zu rechnen, wie viel denn noch seien. Wo ich mich denn schon befinde, wie lange es noch bis zum nächsten Highlight, dem wilden Eber, sind. Und da spürte ich es plötzlich: Ein verdächtiges Ziehen in der linken Wade…oh mein Gott, nicht jetzt schon. Ich war auf Krämpfe eingestellt, aber nicht doch jetzt schon bei Kilometer 26!!!! Ich mein, wie sollte ich 16 Kilometer mit krampfender Wade überstehen? Im April beim VCM begann das ganze immerhin erst beim 36er, und da flackerte es alle Kilometer auf, und war lästig. Ich jedoch hatte jetzt noch 10km’s mehr vor mir. Und während ich übersensibel auf meine Wade achtete, und hoffte, dass da jetzt bitte ja kein Krampf entsteht, drosselte ich mein Tempo unmerklich auf 5:40 zurück. Immer wieder nahm ich Schlucke von meinem Powerade-Salz-Gemisch, dass ich mit mir mitführte, nachdem ich in einem Greif-Newsletter gelesen habe, dass nicht Magnesium gegen Krämpfe hilft, sondern Salz. Und wirklich: 2 Kilometer später war nicht nur das Ziehen, vorbei, sondern ich auch bei km 28, dem wilden Eber. Über die Laufstrecke war ein Banner gespannt, auf dem Stand „Lass die Sau raus“…und das wollte ich, in dem ich endlich mein lauwarmes Gel konsumierte. Leider musste ich mit dem auskommen, und bis auf ein paar Schlucke mitgeführtem Powerade-Salz-Trinken, hatte ich nun keine Gimmicks mehr, aber ich fühlte, dass ich das nicht notwendig hatte. Denn nach dem Eber, sollte es nach einer Rechtskurve wieder Richtung Innenstadt gehen. Genauer über den Hohenzollerndamm, und in der Ferne sah ich schon wieder Hochhäuser, was endlich den Kurfürstendamm ankündigen sollte. Und Kurfürstendamm hatte ich in Erinnerung dass der leicht bergauf gehen sollte, also von daher nahm ich ein bisschen Tempo raus, um sozusagen Kräfte zu sparen. Bei Km30 ging es über eine Brücke, und ich war nach wievor auf Kurs 3:56h, wusste ich aber immer noch nicht! Ich hatte lediglich die Pacezeit auf meinem Pulsmesser angezeigt, um nicht auszuflippen. Irgendwie dachte ich mir, nach wie vor auf Kurs 3:52h zu sein. Vor mir lief ein Pärchen, wo er schon relativ am Limit, und Sie noch eher die Frische war. Sie schmiedete bereits Pläne, von Km35, dass sie da dann die Pferde von der Leine nehmen will. Ich weiß nicht wieso ich mich daran so gut erinnere, aber irgendwie dachte ich mir, dass ich mich an die jetzt hänge, dann bin ich wenigstens bis im Ziel unterhalten. Leider waren die etwas zu langsam, und so musste ich sie hinter mir lassen. Kurz nach Kilometer 32 war es soweit: Das Läuferfeld erreichte den Kurfürstendamm und somit die Zielgerade vom Jahr 2000. Und wieso auch immer ging der Damm nicht bergauf, sondern sogar leicht bergab. Ich ließ also nur rollen, und genoss es einfach nur: Die mittlerweile Vielzahl gehender Leute, die halbzerstörte Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche zu meiner linken, die Tatsache, dass es jetzt nicht mehr wirklich weit ist, und mir eigentlich nur noch die Füße brennen. Kurz vor Kilometer 35 überholte mich das Läuferpärchen wieder, und ich wusste, dass sie bereits mit dem Schlusssprint begonnen haben, jedoch merkte ich, wie ich nicht mehr in der Lage war, mein Tempo zu forcieren. Ich beendete den 35sten Kilometer nach 3Std und 15 Minuten, mit einer Pace von 5:45h und auf Kurs 3:56:05h. Bei Kilometer 35,5 gelangte ich an eine Verpflegstelle wo ich mir fast eine Minute Zeit ließ, Wasser, Bananen, Basica ja sogar RedBull trinken. Als ich dann wieder loslaufen wollte, spürte ich am linken Fuß, auf der Sohle wie wenn der Socken eine Falte schlägt, und ich mir eine Blase erlaufen wäre. Dieser „Schmerz“ legte sich aber nach ein paar 100 Meter wieder. Nur war mir trotzdem nicht gut. Irgendwie ging an diesem Punkt nur noch deswegen was, weil die Kleiststraße stätig bergabführte. Ich begann plötzlich zu überlegen, wie weit es noch war. Merkte wie ich verstärkt auf die Straßenschilder schaute, um zu erkennen wo es zum Potsdamer Platz geht, den es noch zu überqueren galt, bevor die Zielgerade begann. Km 36, noch 6 Kilometer, und ich war bereits auf Kurs 3:57h…während sich vor mir der Weg leicht bergauf streckte, konnte ich in gut einem Kilometer Entfernung den Potsdamer Platz erkennen, genauso wie zu meiner linken, die Philharmonie, die erst vor ein paar Monaten gebrannt hat. Jedenfalls machte ich in dieser Phase einen riesen Blödsinn, ich schaltete nämlich meine Uhr von Pace auf Gesamtzeit um, und stellte fest, dass mit etwas Glück gerade mal unter 4 Stunden bleibe. Ich weiß nicht warum, aber noch kurz vor km37…5 Kilometer nachdem es mir eigentlich noch „recht“ gut ging, konnte ich nicht mehr, und ich viel in einen Gehschritt über. Mir kamen in diesem Augenblick die verbleibenden 5 Kilometer so unendlich vor, dass ich am liebsten aufgeben wollte. Der Magen drückte, die Füße brannten, ich hatte riesen Durst. Also nahm ich noch einen Schluck aus der Flasche und warf diese dann, samt meinem Gurt weg, nur damit wenigstens dieser Druck auf den Bauch nachließ, welcher allem Anschein nach seinen Ursprung in meiner Völlerei an der Verpflegstation von km 35 hatte. Aber ich war ausgebrannt, und immer noch 4 Kilometer vom Ziel entfernt. Mein Rekordversuch ist fehlgeschlagen…es hatte alles keinen Sinn mehr. Ich war sogar kurz mal so richtig den Tränen nahe, als ich einen Klaps auf die Schulter bekam, und mir signalisiert wurde: Es ist nicht mehr weit. Plötzlich hatte ich wieder so was wie Kraft in mir, zumindest ein leichtes Aufflackern. Ich muss diesen Lauf beenden. Ich sah nach rechts auf die Hauswand und erblickte ein Riesenplakat von H&M: „Kilometer 38! Viel Erfolg beim Schlusssprint!“…Wahnsinn, so was wär in Wien unmöglich. Hier reisst der Marathon wirklich alle mit, und plötzlich ging es wieder. Ich lief fast einen dreiviertel Kilometer durch, bis zum Gendarmenmarkt. Ich konnte mich plötzlich orientieren, und wie ich so dabei war, zum letzten Mal Wasser zu trinken, höre ich neben mir ein regelrechtes Getrappel. Dahinter ein Mann mit 3 Luftballonen um den Bauch: sub.4:00h…das war also meine alte Bestmarke die mich hier auf Kilometer 40 überholte!!!! Naja, was solls? Ich setzte mich in Bewegung, um diesen Lauf hier ein Ende zu setzen. Allerdings kann man das was ich die Zielgerade tat, nicht mehr „Laufen“ nennen. Ich wollte die letzten einenhalb Kilometer genießen. Mit meinen ausgebrannten Beinen zumindest den schönen Gebäuden links und rechts Beachtung schenken. Die Stimmung der Zuschauer aufsaugen. Dem Brandenburger Tor dabei zusehen, wie es immer größer wurde. Knapp einen Kilometer vorm Ziel winkte ich noch einmal in die Kamera meiner Freundin, signalisierte, dass der Rekordversuch fehlgeschlagen war, aber trotz allem ging es mir gut. Kurz vorm Pariser Platz entdeckte ich wieder eine rotweißrote Fahne am Streckenrand, definitiv die Leute vom Kilometer 2. Ich krächzte ihnen entgegen „Hallo Heimat“, und setzte so zum aus meiner Sicht traurigsten Zielsprint meiner Laufkarriere an: 100m vorm Brandenburger Tor musste ich kurz noch mal in Gehschritt verfallen, um quasi Kräfte für den Schlusssprint zu mobilisieren, und dann zog ich es durch: mit einem Höllentempo von fast 1:20 Minuten (das entspricht hochgerechnet einer Pace von 6:47min/km) stürmte ich dem Ziel entgegen. In 4:03:07h…aber ich hatte den Schweinehund irgendwie doch besiegt.

Trotz alledem wird mir Berlin in toller Erinnerung bleiben, und wenn auch nicht nächstes Jahr, werde ich irgendwann einmal hierher zurückkehren, und eine Rekordzeit aufstellen. Nach dem Marathon ist vor dem Marathon! :-)

Offline elisabeth

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2008-09-28 Berlin-Marathon - tomml
« Antwort #2 am: 02.10.2008, 21:06:01 »
Danke für den schönen Bericht!
Du wirst dein Ziel sicher beim nächsten Mal erreichen!!
Alles Gute und wie du richtig schreibst: Nach dem Marathon ist vor dem Marathon!

Offline Mihi69

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2008-09-28 Berlin-Marathon - tomml
« Antwort #3 am: 03.10.2008, 14:13:46 »
Habe mit dir mitgelitten, wer das Gefühl des ausgebrannt seins nicht kennt, der ist noch nicht genug Marathons gelaufen, das gehört dazu!
Gratuliere!
Lg
Michi

Offline boenald

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2008-09-28 Berlin-Marathon - tomml
« Antwort #4 am: 03.10.2008, 15:20:45 »
vor wenigen tagen im prater selbst erlebt: einer der feinsten begleitumstände des laufens ist bei aller begeisterung schon auch der moment, in dem es vorbei ist und man sich wieder entspannen "darf" :)
insofern ist deine formulierung "setzte mich in bewegung, um dem lauf ein ende zu setzen" sehr aus dem allgemeinen läuferleben gegriffen. gratuliere dir zum erfolgreichen fight, die gewünschte finisherzeit kommt schon noch!
Paragraph eins: jedem sein´s.

Offline sunshine

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2008-09-28 Berlin-Marathon - tomml
« Antwort #5 am: 03.10.2008, 21:48:02 »
Super Bericht! Alle, die den Bericht lesen, laufen den Marathon sicherlich noch einmal nachträglich mit Dir mit. :-)
Gratuliere, dass Du durchgehalten hast - der Weg ist das Ziel :-)
Nachdem ich schon so oft in Berlin gelaufen bin, kann ich Deinen Lauf voll nachvollziehen. Daher ein Tipp von mir: der 25er im Mai (10.5.09) ist sehr empfehlenswert, da kann man Berlin und den Lauf geniessen.
LG sunshine
Die Sonne ist in uns :-)

Offline KITTY

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2008-09-28 Berlin-Marathon - tomml
« Antwort #6 am: 06.10.2008, 20:24:06 »
Einen sehr schönen Bericht hast erfasst, danke. Und das nächste mal klappt es auch mit deiner Wunschzeit.
lg
peter

Offline heitzko

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2008-09-28 Berlin-Marathon - tomml
« Antwort #7 am: 07.10.2008, 16:14:51 »
dem hast du es ordentlich gezeigt dem schweinehund! danke für den schönen bericht und die gelungene schilderung der inneren und äußeen eindrücke - sub 3:50 geht beim nächsten marathon wo weniger los ist :).

Offline Richy

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2008-09-28 Berlin-Marathon - tomml
« Antwort #8 am: 07.10.2008, 17:17:33 »
Gelesen - und gedanklich bei Dir dabei gewesen - könnte ein Bericht meiner beiden Berlin - Versuche sein. Incl. des Gehens auf den letzten Metern -
Deine Erfolge kommen noch, und so ein Lauf prägt. LG, Richard

Offline JM

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2008-09-28 Berlin-Marathon - tomml
« Antwort #9 am: 12.10.2008, 17:52:37 »
Gratuliere dir zu deinem Lauf. Auch wenns keine PB war. Und dank fürs Schreiben des Berichtes, das hat mir viel Arbeit bei bei meinem Bericht erspart :)
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