Teil II der Marathontrilogie oder: Der lange Weg nach "far, far away"Nachdem ich meinen ersten Marathon heuer in Linz gelaufen bin (bis KM 30/35 durfte ich Heidi begleiten - dann viel ich etwas zurück; einen Bericht darüber zu schreiben spare ich mir, das hat eh schon Heidi zum Großteil für mich gemacht
stehe ich eine Woche später wieder am Start. In Linz stoppten mich "Bauchmuskelkrämpfe", von denen ich ahnte, dass sie in Wien härter zuschlagen werden. Die ganze Woche über war Ruhe, doch am Sonntag beim aufstehen spürte ich schon ein leichtes ziehen. "Na das wird spannend", dachte ich mir, als ich mich auch schon auf den Weg zum Start machte. Doch ich nahms gelassen, denn da es als Trainingslauf geplant war, wäre es mir im Grunde auch wurscht gewesen, nach der halben Distanz am Heldenplatz hart rechts abzubiegen, um ins Ziel zu laufen.
Vor dem Start traf ich mich mit einigen Kollegen und Freunde. Einer davon, Wolfgang, wollte den Marathon in 3:55 finishen - und nachdem mir das gut in den Plan passte, wollten wir miteinander laufen.
Pünktlich ging es los, 4 Minuten nach 9 waren auch schon wir über der Startlinie. Die ersten Kilometer verliefen relativ wie geplant: Unser Tempo hatten wir schnell gefunden und wir ließen uns so richtig schön treiben. In meinen Beinen war nichts vom Marathon von einer Woche zuvor zu spüren; das ziehen im Oberkörper rechts aber schon doch ließ mich laufen.
Nachdem wir den Praterstern, die Hauptallee und auch die Schüttelstraße (die 1.) hinter uns gebracht hatten und ich keine Verpflegungsstelle ausgelassen hatte, bogen wir auch schon bald auf den Ring ein. Dort brauchte man nicht wirklich zu laufen, denn der Beat aus den Boxen und die Stimmung trugen einem sowieso. Danach ordneten wir uns allmählich ein zum links abbiegen Richtung Wienzeile. Gut getarnt hinter einer anderen Gruppe Läufer konnte uns auch der Wind nix anhaben - hehe. Vor KM 15 liefen wir auf einen Freund auf, der sowohl den Halbmarathon lief (es war sein erster) als auch Startläufer der Staffel war. Ich feuerte ihn an, sagte ihm, dass es nicht mehr weit. Das schien ihn zu motivieren, denn ein gutes Stück versuchte er mit uns mitzuhalten. Er verabschiedete sich dann im Übergabebereich und wir bogen ein auf die Mariahilferstraße. Ich weiß nicht, woran es lag: War heuer wirklich mehr Stimmung entlang der Strecke oder hatte ich einfach mehr "Zeit", alles zu genießen. Jedenfalls war es herrlich.
Nach dem Westbahnhof begann Wolfgang plötzlich nachzulassen. Er sagte mir auch gleich, dass sein Magen plötzlich verrückt spielt und er nicht weiß, wie lange das gut geht. Ich riet ihm, es nicht zu übertreiben und "zur Not" den Halbmarathon fertig zu laufen als irgendetwas zu riskieren. Er kämpfte weiter, doch ich konnte ihm ansehen: Das wird heute leider nix mit dem ganzen. Und so kam es auch: Bei der Trennung reihte er sich unter den Halbmarathonläufern ein, während ich weiter auf Kurs blieb. Doch ich lief immer entlang der Absperrung und blieb auf gleicher Höhe mit ihm. Wir verabschiedeten uns, er mit traurigem Blick. Ob er meine Worte, dass wir halt nächstes Jahr miteinander laufen, als motivierend empfand, weiß ich nicht.
Für mich ging es jedenfalls weiter Richtung "meine Heimat" (den 20.). Und anscheinend hatte ich heuer wirklich mehr Zeit, denn ich nahm zum ersten Mal bewusst die Strudelhofstiege beim vorbeilaufen wahr.
Doch ab KM 25 ging´s los: Meine rechte Seite machte sich jetzt mehr als deutlich bemerkbar und mir war klar, was das bedeuten wird: Ich werde nicht mehr viel laufen können. Nur kurz ärgerte ich mich darüber; ärgern deswegen, weil ich genau spürte, dass die Kraft in den Beinen und die Ausdauer locker fürs durchlaufen da wäre. Doch gleich darauf überlegte ich weiter: Aufgeben - oder weitermachen. Mit einer Aufgabe konnte ich nicht leben, zumal ich spürte, dass es nicht wirklich "gesundheitsbedrohend" sein kann, aber bis zum Schluss gehen? Na ich weiß nicht........ Ich lief so lange es ging, doch ab KM 26 war endgültig Schluss: Gehen mit kurzen Läufen dazwischen (so 200 Meter laufen, 1 km gehen) war angesagt. Aber irgendwie hatte ich keine Lust, 5 Stunden zu brauchen. Also mutierte ich zum "Nordic Walker ohne Stecken"
. Es war irgendwie sehr witzig. Einerseits der "Ärger", nicht mehr laufen zu können, andererseits hatte ich jetzt so richtig Zeit, alles zu genießen und alles aufnehmen zu können. Ich hatte Zeit, in die Gesichter der um mich laufenden und der entgegenkommenden Läufer zu blicken, die Freude oft gepaart mit K(r)ampf - doch immer die Leidenschaft im Gesicht, die für mich in unseren Sport auch sehe.
So ging es raus bis zur Prater Hauptalle. Und obwohl ich schon das 3. Mal in Wien dabei war (ich habe absichtlich das Wort laufen vermieden
nahm ich zum ersten Mal die Beschallung war. Es wurde die Filmmusik aus "Fluch der Karibik" gespielt - zu der ich einfach wanderte. Plötzlich wurde ich schwer überfordert: Eine Kollegin überholte mich und rief mir zu. Zeitgleich hörte ich von der anderen Seite ebenfalls jemand meinen Namen rufen: Es war Ulrich, der mir zurief und mich anfeuerte. (Bei diesem Teilstück lief ich wieder mal - er sah daher gar nicht, dass ich eigentlich spazierend unterwegs war - hehe.)
Nach Umrundung des Lusthauses, Praterhauptallee, Schüttelstraße (zum 3. und letzten Mal) und Zollamtstraße entlang, traf ich am Ring jemanden, der mit Wadenkrämpfen zu kämpfen hatte. Wir unterhielten uns, versuchten uns abwechselnd zum weiterlaufen zu motivieren - mit unterschiedlichem Erfolg.
Ab KM 41 spürte ich auf ein Mal kein ziehen und Schmerzen mehr. Ob das die Endorphinausschüttung des herrannahenden Zieles ist? Hmm, keine Ahnung - eigentlich auch wurscht: Ich wollte die Gunst der Stunde nutzen. Doch leider nur mit mäßigem Erfolg. Ich kam dem Ziel bis auf 700 Meter näher - um dann wieder gehen zu müssen. Als ich kurz vor KM 42 war, dröhnte plötzlich "It´s my life" von Bon Jovi aus den Lautsprechern. Jetzt wars vorbei: Mir lief die Gänsehaut auf, das Gehirn schaltete das Schmerzzentrum an und meine Beine bewegten sich plötzlich von selbst - und ich legte einen Zielsprint hin, wie ich es bis dahin von mir nicht kannte. Ich weiß bis heute nicht, wie schnell ich da war, aber ich hatte das Gefühl zu fliegen. Es war einfach nur noch geil, rannte über die Ziellinie und war nur noch glücklich: Nicht glücklich, im Ziel zu sein - sondern glücklich, nicht aufgegeben zu haben. Die Zielzeit spielte keine Rolle für mich - hat sie auch vor dem Start schon nicht gespielt. Daher vergaß ich sogar, auf meine Stoppuhr zu drücken. Ich ließ mich einfach mit der Menge mittreiben, nahm meine Medaille in empfang und machte mich glücklich und zufrieden auf den Weg nach draußen. Ich war angekommen, in far, far away......