4 x 10 Runden
4 x 10 Runden, schon vor 2 Jahren konnte ich mit dieser vereinfachten Formel des 100km-Wien Laufs ein absolut gelungenes Debut auf dieser Distanz schaffen.
2016 wollte ich eigentlich auch mitlaufen, hat aber aus einem bestimmten Grund nicht geklappt…
2017 ist es dann soweit. Wieder bereite ich mich mehr oder weniger auf die 4 x 10 Runden im Prater vor und stehe am 10.6.2017 am Start der österreichischen Meisterschaften im 100km Lauf.
Verpflegungstechnisch bin ich diesmal sogar professioneller ausgerüstet als vor 2 Jahren, Christoph hat sein Balkonklapptischerl zur Verfügung gestellt und so platziere ich da drauf meine Haribo-Roulette, Apfelringe, Baumstämme, falls der Todesschlepp eintritt, und einige Gels. Sonst werde ich mich von der offiziellen Labestelle bedienen, die Veranstalter Klemens und Angelika wissen ziemlich gut was Ultraläufer brauchen.
Um 6 Uhr morgens fällt der Startschuss und wir laufen im Regen los. Es ist noch ziemlich frisch, nur mit dem kurzen Leiberl merk ich gleich dass es länger dauern wird bis ich warm gelaufen bin. Das Wetter könnte überhaupt besser sein. Regen. Kalter Regen. Und keine Besserung in Sicht. Eigentlich hab ich mir Sonne gewünscht. Müssen ja keine 37 Grad sein. Ich plaudere und laufe in der ersten Runde kurz mit Erwin vom ULT Heustadlwasser. Unser Tempo ist aber leider nicht kompatibel und so laufe ich bis auf kurze Ausnahmen fast das komplette Rennen alleine. Die erste Runde in 12:28, 5er Schnitt, perfekt wie geplant getimed, auch die nächsten Runden laufen dahin, schön knapp unter 5‘ pro KM aber nicht wirklich angenehm, der Regen strömt mittlerweile, mein Leiberl klebt am Körper und meine Unterarme sind kalt. Runde 3 oder 4 überrundet mich dass erste mal der Führende Florian Grasel. Bei Runde 7 oder 8 bin ich dann schon ziemlich angefressen und wünsche mir sofortigen Sonnenschein und der Wunsch dürfte zwar nicht sofort aber doch wahr werden. Zumindest wirkt es so als ob es heller würde. Runde 10 ist auch erledigt, das erste Viertel ist geschafft. Ein Lichtblick immer der Start/Zielbereich, wo viele Bekannte anfeuern und motivieren.
Es regnet noch immer. Und ich renn noch immer im Prater im Kreis. Nach 10 Runden fange ich an Bananen zu essen und Iso und Wasser zu trinken. Ich werde flotter. Laut Pentek geht der Schnitt bis auf 4:53 runter. Das System läuft jetzt. Die 2,5km Runde zieht sich trotzdem jedes Mal, aber das Tempo ist locker zu halten und rein körperlich geht es mir hervorragend. Das Wetter wird besser und damit auch meine Laune. Ich bin im Rhythmus und folge seit der ersten Runde demselben Rundenschema, auf der Suunto lasse ich mir nur die aktuelle Rundenzeit anzeigen, d.h. abdrücken beim über die Matte laufen, gut dreinschauen für eventuelle Fotos, wenn nötig die Labe ansteuern, bei KM-Schild 1 Pace kontrollieren, weiter bis zur Wende bei den jede Runde anfeuernden Streckenposten vorbei, Pace Kontrolle bei KM Schild 2 und die letzten 500m bis zur Pentek-matte durchdrücken und wieder von vorne. Keine Ahnung wie ich im Rennen liege, die 3 Führenden haben mich auf jeden Fall schon wieder überrundet, sonst kann ich es nicht einschätzen, im Endeffekt auch egal, für eine Meisterschaftsmedaillie im Team reicht finishen. Meine Gedanken drehen sich eigentlich immer nur um die aktuelle Runde, alles was danach noch kommt wird ausgeblendet. So hab ich dann auch das zweite Viertel der 4 x 10 hinter mich gebracht. Wie immer lässt sich aber der Gedanke „Jetzt das Ganze noch einmal…“ nicht vermeiden. Wieder versuche ich mein Hirn auszutricksen und fange an von 50 in 2,5 er Schritten runterzuzählen.
Nach Runde 20 steht Christoph beim Verpflegungstischerl, er ist ausgestiegen. Die stetigen Anfeuerung im Start/Zielbereich tun gut und spornen an. Jetzt ist mein Wetter, die Sonne scheint und ein leichtes Lüfterl weht. Christoph hat anscheinend beschlossen die Betreuung zu übernehmen und supportet mich. Beim überrunden von Martin teile ich ihm mit das er fertig laufen muss, er weiß aber wohl nicht ganz ob er sich freuen oder ärgern soll. Irgendwann begleitet mich Chris dann eine Runde, was gut tut, laufe ich doch schon das komplette Rennen alleine, Zuspruch in Form von „Gute Pace“ „Locker schaut das aus“ und „Die anderen sterben schon“ dringen zu dem Zeitpunkt noch zu mir durch und es lässt mich nicht nachlassen. Mittlerweile laufe ich nach jeder Runde die Labestelle an, trinke Iso und Wasser und esse Bananen. Auch die Haribo Roulette nütze ich mittlerweile als Energiezufuhr. Ich kann die Pace noch ein bissl runter drücken, jetzt aber nicht übermütig werden sonst rächt es sich am Ende. Noch 37,5km, ein längerer Longjog, das muss noch gehen. Pace noch immer ohne große Probleme knapp unterm 5er Schnitt. Ich nehme mir bewusst bei der Labe Zeit und trinke viel. Christoph versucht mich zu einem Gel zu überreden, ich lehne aber ab, ich hab nicht das Gefühl dass es mir grad helfen würde. So bringe ich auch Teil 3 der 4 x 10 relativ gut hinter mich, wobei der Kopf nicht so ganz mit will und ich versuche die negativen Gedanken mit einem Blackout zu vertreiben, einfach an gar nix denken und einfach laufen. Ein kleines Lichterl im Hirn reicht ja um das System am laufen zu halten. Das klappt dann auch recht gut.
Das Feld hat sich ziemlich gelichtet, viele sind im Todesschlepp unterwegs, ich laufe noch. Runde 30 ist auch voll in der Zeit, 4:56 pro KM, Nach der 31ten Runde und dem xten Becher Iso wird mir nach der Labe schlecht und ich übe mich am Wegesrand in der Gewichtsoptimierung. Genauer will ich gar nicht drauf eingehen, es hat aber was Erlösendes und ich kann wieder anlaufen. Naja, mehr joggen. Aber ich bewege mich schneller als die meisten die auf der Strecke sind. Ok, abgesehen von der Spitze, der jetzt Führende Branco Moser überrundet mich wieder mal in einem Höllentempo. Ich feuere ihn an und bin beeindruckt, auch von mir, es ist zwar hart aber ich kann gut joggen. So vergehen auch die nächsten Runden, jetzt eben ein wenig langsamer aber stetig. Die Gehpausen an den Laben hab ich die letzten Runden länger gestaltet, bin von Iso auf Cola umgestiegen, das vertrage ich jetzt gut. In Runde 36 laufe ich auf Heinz-Jürgen Ressar und Dietmar Korntner auf, beide bekannt in der Ultralaufszene und ich beschließe mich an sie dranzuhängen. Das geht überraschend gut und bald befinde ich mich an der Spitze unserer Dreiergruppe und mache das Tempo. Didi versucht noch ein, zwei Mal wieder an mir vorbeizukommen, aber das überholen hat mir wieder Kraft gegeben. Jetzt ist es kein Jogging, ich laufe wieder. Durch den Zielbereich beschleunigen ich, suche Christoph und bitte ihm mir auf der anderen Seite ein Gel zu bringen und schnapp mir eins von Christophs hergerichteten Iso Flaschen und gleich darauf das Gel. Der Energieschub kommt unverzüglich. Die Uhr zeigt zeitweise eine Pace von 4:20 an. Ich hab auf die aktuelle Pace umgeschaltet. Km Schild 1, ich bin wieder klar unter der 5er unterwegs, es rennt einfach. Im Kopf ist es jetzt endgültig aus, ich laufe weil ich es kann, so schnell es geht, wieder durch den Zielbereich. Runners High nennt man das dann wohl. Ich bin sozusagen im Flow, 5km noch, jetzt merke ich dass da auch platzierungstechnisch noch was geht und drücke an. In der letzten Runde kann ich mir dann noch den 6ten Platz sichern, das weiß ich zwar während dem Rennen noch nicht, ergibt sich aber aus meiner Pentek-Auswertung. Die letzte Runde dann sehr emotional, ich bedanke mich bei den Streckenposten fürs durchgehende Anfeuern und laufe schlussendlich fast in Trance überglücklich ins Ziel. Auch den 4ten Teil von 4 x 10 erledigt, die letzte Runde war die schnellste meines ganzen Rennens.
Ich lasse mir von Angelika die Finishermedaille umhängen. Zu dem Zeitpunkt schau ich das erste mal bewusst auf die Endzeit und sehe 8:17:30 stehen.
Die Platzierung bei den ÖM als 6ter habe ich nicht erwartet und freut auch sehr, bei der Siegerehrung dabei sein zu dürfen und eine Urkunde is ja auch was feines.
Die Teammedaille in Silber setzt dem Lauf noch die Krone auf.
Überhaupt sind Ultraläufe was ganz besonderes, der Zusammenhalt und die gegenseitige Unterstützung der Teilnehmer sowie Begleiter ist jedes mal beeindruckend.
Danke für das durchgehende Anfeuern der vielen Bekannten Foris und Nicht-Foris die in der Staffel unterwegs oder auch nur so an der Strecke waren.
Danke an Christoph für den überraschenden, super Support ab KM 50!
Danke an Angelika und Klemens für diesen super genialen Lauf!
Danke dass ich laufen kann!