Just a perfect day, drink electrolytes in the park
(Ich hoffe, diese Referenz funktioniert einigermaßen)
Also, wie beginne ich? Eigentlich hatte ich mit dem angestrengten Laufen ja schon abgeschlossen. Jedes Mal, wenn ich in der Vergangenheit irgendein Ziel verfolgte, war ich in erster Linie damit erfolgreich, mich früher oder später zu verletzen. Irgendwelche Laufabenteuer schienen für mich die bessere Strategie zu sein. Zwei, ein paar Monate auseinanderliegende, fast schon schicksalshafte Begebenheiten änderten dieses Mindset aber. Einerseits betrifft das meine Entscheidung am 23. Dezember 2024, im Warteraum meiner Orthopädin sitzend, dass es so nicht weitergeht und ich anfangen würde, Kalorien zu zählen. Wie erhofft schaffte ich es auf diese Art, 12 kg abzunehmen und mein Gewicht seit Juli im Bereich von +/- 85 kg zu halten. Und andererseits hörte ich im März/April auf, mich gegen dieses ChatGPT-Dingsbums kategorisch zu wehren. Damit sich die Pro-Version auch auszahlt, nutze ich die AI seit April zur Trainingssteuerung. Das funktioniert(e) erstaunlich gut.
Bereits im Mai oder Juni fasste ich deswegen den Entschluss, es im Herbst nochmal mit einem Marathon zu probieren. Wie hier eh geschildert, wollte ich die kurze G’schicht beim WRU laufen, studierte die Strecke, lief sie sogar großteils ab, nur um dann draufzukommen, dass der Bewerb ausgebucht war, bevor ich mich angemeldet hatte. Blöd. Die für mich logische Alternative war, statt dem Test-Halbmarathon, den ich im Rahmen des LCC-Herbstmarathons laufen wollte (drei Wochen vor dem WRU), einen Marathon beim selben Bewerb zu versuchen. Nicht ideal (vor allem wegen der Kurzfristigkeit dieser Entscheidung), aber die Form war zuletzt blendend, eine Erkältung kam früh genug, um am Tag X keine Rolle mehr zu spielen - es gibt nichts Gutes, außer man tut es. Oder so.
Also, Sonntag, 19.10.2025. Ein paar Fragezeichen geisterten in meinem Kopf herum, unter anderem und vor allem war ich mir nicht sicher, wie es unmittelbar nach der Erkältung um meinen Allgemeinzustand stehen würde, wie ich die mentale Challenge von sechs monotonen Runden im Prater meistern würde und ob mein linkes Knie, das seit einem relativ peinlichen Sturz vom Fahrrad neun Tage davor ein wenig lädiert war, Probleme machen würde. Die Antworten darauf folgen ein paar Absätze weiter unten.
Ein nicht ganz unwesentlicher Punkt für eine mehrstündige Freiluftveranstaltung ist ja das Wetter. Und dieses war an jenem Tag einfach perfekt. Zumindest fürs Laufen. Beim Start um 10 Uhr waren es irgendwas zwischen 5 und 7 Grad, ein paar Stunden später so um die 12 Grad, dazu strahlender Sonnenschein (dh in der Sonne waren es jeweils wohl ein paar Grad mehr). Der leichte, aber doch spürbare Wind wäre verzichtbar gewesen, wirklich gestört hat er aber nicht.
Meinen Rennverlauf stellte ich mir so vor: die ersten drei Runden locker und möglichst unangestrengt bewältigen, in 5:20 bis 5:25 min/km. Ab der vierten Runde dann pro Runde jeweils um 5 s/km schneller, wenn es die Form erlauben würde. Und um mich dabei gut zu unterhalten bzw. in eine entsprechende Stimmung zu versetzen, wollte ich auf den ersten drei Runden Podcasts hören und auf der vierten, spätestens auf der fünften Runde auf motivierende Musik wechseln.
Kurz vor dem Start traf ich noch einen Arbeitskollegen, der selbst den Halbmarathon anging, dann ging es um 10 Uhr los, relativ weit hinten im Feld. Für eine Dame war der Lauf nach ungefähr EINEM METER bereits wieder zu Ende. Ich habe es nicht gesehen, aber ich gehe mal davon aus, dass ihr unmittelbar auf der Startlinie eine Kastanie auf den Kopf gefallen ist - jedenfalls hat sie sich diesen gehalten und einer der Veranstalter vom LCC schrie laut „Rettung, Rettung!“…ich hoffe, es ist glimpflich ausgegangen. Jedenfalls musste ich auf der ersten Geraden viele Leute überholen und war oft „eingesperrt“. Das war aber eh gut, weil ich war dennoch viel zu schnell unterwegs. Ich pendelte mich dann relativ konstant bei einer Pace ein, die sich richtig anfühlte und blieb bei dieser eigentlich vier Runden lang, mal war ich ein wenig schneller, mal ein wenig langsamer, je nach Rennsituation - die Zeiten für die ersten vier Runden betrugen 37:25, 37:08, 37:30, 37:17, dh im Schnitt 37:20 mit einer Schwankungsbreite von +/- 10 Sekunden. Das würde ich für eine 7 km-Runde als ziemlich konstant bezeichnen.
Meinen Arbeitskollegen sah ich regelmäßig auf der langen Geraden zwischen dem Praterstern und dem Start/Ziel-Bereich. Kurz vor dem Ende meiner vierten Runde traf ich dann plötzlich Dieter, einen Bekannten aus Bundesheer-Zeiten. Während der acht Monate von Oktober 1997 bis Mai 1998 bzw. in den Jahren danach waren wir befreundet, aber ab 2003, vielleicht 2004 trennten sich unsere Wege wieder. Eine zufällige Begegnung noch 2009 und dann sah ich ihn wieder 2021, nachdem ich meinen Marathon-Versuch beim VCM bereits abgebrochen hatte und zum Ziel zu meinem Kleidersack spazierte. Da sah ich ihn am Ring dem Ziel entgegenlaufen. Naja, und gestern hatten wir dann ab der vierten Runde einige Begegnungen im Prater. Jedenfalls wechselte ich unmittelbar danach auf Musik. Beim Passieren der Start-/Ziellinie wurde ich lautstark von meinem Arbeitskollegen und seiner Frau angefeuert (er beendete wenige Minuten davor seinen Lauf) und das war dann für mich endgültig die Initialzündung. Allerdings fiel es mir durchaus schwer, die Pferde im Zaum zu halten und ich lief zunächst sogar deutlich unter 5 min/km, pendelte mich schließlich bei knapp über 5 min/km ein. Eine Stimme in mir sagte, dass das nicht unbedingt gescheit ist, aber ich fühlte mich einfach großartig. Runde 5 war dann nach 35:29 beendet.
Eine Runde also noch. Wenn ich mich nicht verrechnet hatte, würde ich sogar sub3:40 schaffen, sollte ich nun einen 5er-Schnitt laufen können. Das schien zunächst machbar. Ab km 38 wurde es aber zach. Energiemäßig war ich voll da, aber die Beine waren von oben bis unten am Anschlag. Ich dachte mir dann, dass auch 3:42 oder sowas eine super Zeit ist und eh deutlich besser als ich erwartet hatte und lief drei km ein wenig langsamer, 5:10, 5:15, 5:11. Beim letzten Wendepunkt war mir klar, dass ich nun schon recht deutlich hinter sub3:40 war (eine Minute so?) und dachte mir: eigentlich ist es jetzt auch schon wurscht, sollte ich eingehen, ich probier’s einfach. Die letzten zwei km waren dann wohl die schnellsten des ganzen Tages, am Ende ging es in Richtung 4:00 bis 4:15 runter. Gereicht hat es aber nicht und ich war in 3:40:20 im Ziel (dh für die letzte Runde brauchte ich 35:28). Ich war sehr ko und sehr happy.
Sowas wie eine Enttäuschung wegen der 21 Sekunden war definitiv nicht vorhanden. Sicher hätte ich die auf den ersten vier Runden relativ locker und ohne Konsequenzen rauslaufen können, aber was soll’s. Man braucht ja ohnehin Ziele für die kommenden Monate und Jahre!
Ein großes Danke geht jedenfalls an Dieter, auch wenn er es vermutlich nicht lesen wird und wer weiß, wann sich unsere Wege wieder kreuzen. Diese 4 oder 5 „Treffen“ auf der Hauptallee waren in dem Stadium des Rennens durchaus wichtig für mich. Ich habe kein Wort verstanden, was er gesagt hat, weil die Musik in meinen Ohren war zu laut, aber er hat so einen Enthusiasmus ausgestrahlt, dass ich danach jedes Mal supermotiviert war. :-) Und auch bei den beiden Zuschauern mit dem Bier in der Hand möchte ich mich bedanken. Nicht wegen dem Bier, aber wegen dem Schild, dass sie gehalten haben - „Der Schmerz geht, aber Strava bleibt für immer“. Das hat mich sehr amüsiert (und ich hab’s sogar fotografiert).
Was ist noch erwähnenswert? Keine Chance für den Mann mit dem Hammer. Ich habe von Do bis Sa darauf geachtet, KH-reich zu essen (etwa 400g pro Tag, mehr hab ich nicht reingebracht), habe am Sonntag gut gefrühstückt (zwei Toasts mit Honig plus eine Banane am Weg in den Prater), vor dem Rennen noch einen KH-Riegel verdrückt und dann ziemlich konsequent alle 6 km ein Gel reingedrückt. Gegen Ende spürte ich ein leichtes Hungergefühl, aber zu keinem Zeitpunkt hatte ich das Gefühl, dass mir der Sprit ausgeht. Und Blödsinn hab ich auch keinen gemacht, nur Wasser getrunken und erst nach dem Rennen zu den angebotenen Elektrolytgetränken gegriffen.
Eine lustige Begebenheit ist nach dem Lauf passiert. Ich bin ja mit dem Auto angereist und musste deswegen zur Kassa am Parkplatz. Dorthin bin ich gefahren, steige also aus dem Auto und humple zum Kassaautomaten. Plötzlich sehe ich von der anderen Richtung einen weiteren Läufer kommen, der ebenfalls wie ein Zombie durch die Gegend schlurft. Wir mussten beide herzhaft lachen.
Nun, am Ende des Berichts nochmal zu den drei Fragen, die ich mir vor dem Lauf gestellt habe: Erstens war mein Allgemeinzustand bestens. Der Lauf hätte wohl keinen Tag früher stattfinden dürfen, aber es ist sich offenbar perfekt ausgegangen. Zweitens: die sechs Runden waren überhaupt kein Problem. Hätte ich einen schlechten Tag gehabt, wäre mein Resümee wahrscheinlich ein anderes, aber gestern war das kein Thema. Und drittens, mein Knie: Ich habe es hin und wieder gespürt und ein paar Mal dachte ich mir „mhhh, hoffentlich geht das gut“, aber sobald die Muskelschmerzen das Kommando übernommen hatten, hab ich das Knie gar nicht mehr wahrgenommen. ;-)
Jetzt wird regeneriert, ein paar Tage nicht gelaufen und dann freue ich mich auf neue Taten!