Autor Thema: 2006-05-27 Ing-Europe Marathon Luxemburg - JM  (Gelesen 1347 mal)

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2006-05-27 Ing-Europe Marathon Luxemburg - JM
« am: 27.05.2006, 00:00:00 »
Datum: 2006-05-27
Event: Ing-Europe Marathon Luxemburg
Distanz: 42.195 km

Ersteller: JM

Offline JM

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2006-05-27 Ing-Europe Marathon Luxemburg - JM
« Antwort #1 am: 27.05.2006, 00:00:00 »
Luxemburg - revisited

Der ING-Europe-Marathon in Luxemburg. Was sollte man sich darunter vorstellen. Auch mir als gebürtigen Luxemburger konnte mir nichts konkretes unter dem Lauf vorstellen und war schon sehr neugierig auf dieses Lauf.

Die Startnummerausgabe hat schon 3 Tage vor dem Lauf angefangen. Ein erster Vor -und Nachteil sollte sich schon von Anfang an herauskristallisieren: Es sollte ein Marathon der kurzen Wege werden, das heißt dass wirklich alles was den Marathon betraf in einem einzigen Ort stattfand, nämlich in der so genannten „Coque“, ein neues Sportzentrum auf dem Plateau Kirchberg (Manuela sollte sich ja dort ein wenig auskennen). Also war die Startnummerausgabe, Messe, Pastaparty, Start und Ziel, alles bei/in diesem Zentrum. Das hat natürlich ein paar nahe liegende Vorteile, aber ein großer Nachteil war dass man ohne Auto sehr schlecht hinkommt, da diese Sporthalle eben abseits vom Stadtzentrum gelegen ist und mangels U-bahn, ohne Auto schlecht zu erreichen ist. Es gibt sicher Busse die hin fahren, ich bin aber sehr froh dass ich nicht davon Gebrauch machen musste….
Die Startnummerausgabe hat super funktioniert , wenn auch noch ein wenig unprofessioneller als in Wien. Das Startsackerl war auch nur sehr mäßig gefüllt, was mir eh nicht wichtig ist, aber wie sich viel später herausstellen sollte, waren die billigen Plastikteile wie Pfeiferl , Luftballon etc doch sinnvoller als Anfangs angenommen, aber dazu später mehr.
Die Messe hat auch nicht mit Wien mithalten können, es gab zwar Stände mit Laufbekleidung, Ernährungsprodukten, Infos von anderen Läufen, aber irgendwie hat´s ein wenig an Stimmung gefehlt…(vielleicht weil´s keinen Forumsstammtisch gab ?)…..aber ich war ja auch schon am ersten Tag, der ersten Öffnungstunde dort gewesen, und da war noch nichts von den vielen Läufern zu sehen da die meisten anscheinend erst am Freitag hingekommen, da sie so die Startnummerausgabe mit der Pastaparty kombinieren konnten.

Am Tag des Marathons bin ich dann Abends zeitig mit dem Auto zum Start gefahren. Weil wir doch ein wenig Angst hatten, keinen Parkplatz zu finden, und dann zum nächsten Parkplatz fahren zu müssen, und eventuell auch in einen Stau geraten könnten (Wir gingen davon aus dass alle 6000 Läufe per Auto anreisen würden), sind wir sehr zeitig losgefahren. Parklätze gab es tatsächlich mehr als genug, es gab 6000 Gratis-Parkplätze , also konnte wirklich jeder Läufer mit eigenem Auto anreisen….. Shuttle-Busse fuhren von diesen Park-and-ride-Parkplätzen zum Startgelände. Das funktionierte auch alles sehr gut. Nur waren wir so leider schon 3 Stunden vor Startzeit am Gelände. Also gingen wir noch einmal gemütlich im Zentrum herum, schauten uns das Ziel und die sonstigen Anlagen gemütlich an und konnten ohne Stress noch mal zur Toilette gehen. Im Sportzentrum, die eine Halle für 5000 Zuschauer hat (wo auch das Ziel drinnen war) gab es eben auch genügend WC´s. Kein Anstehen, und schöne saubere Klos…keine Dixi-Wackel-Klos, das war schon sehr angenehm. Später hat sich dann noch herausgestellt dass beim Startareal noch 70 Dixieklos standen, und es gab überhaupt keine Warteschlangen, absolut ungewohnt 

Eine Viertelstunde vor 18 Uhr haben wir uns dann in unsere Startblöcke begeben. Hier muss ich dann noch erzählen, wieso ich mich hier von meinem Schwager getrennt habe. Eigentlich wollt ich ihn ja bei seinem ersten Marathon begleiten, da ich 3 Wochen nach dem VCM doch noch nicht ganz erholt war. Aber schon die Tage vor dem Marathon haben wir über unsere Taktik geredet, und dabei ist mein Schwager drauf gekommen, dass er doch Luftballonliebhaber ist  , und sich lieber einem erfahrenen Pacemaker hinterherlaufen wollte. Also habe ich in meinen mit zugewiesen Startblock aufgestellt, so wie ich bei der Anmeldung damals mein PB angegeben hatte (damals noch 1:58). Der Startblock war dann eh von 3:30 bis 4:00 angegeben, so dass ich so oder so im richtigen Block gestanden wäre. Da ich meinen Erholungsgrad nach dem VCM nicht richtig einzuschätzen wusste, habe ich mir eine sub4 vorgenommen. Aber es gab einfach zu viel Unbekannte die den Lauf beeinflussen konnten, eben die unbekannte Strecke und das unstetige Wetter. Am Vortag hatte es noch nonstop geregnet. Das war auch der Grund wieso ich die Kamera einfach mal zu Hause ließ, da es nicht meine eigene Kamera ist, und ich das Risiko nicht eingehen wollte dass sie nass wird und irgendwie Schaden nehmen könnte. Beim Start war es tatsächlich trocken, aber es gab extreme Windböen. Schätzungsweise 40-50km/h muss der Wind wohl gehabt haben, das konnte man sehr gut an den vielen Flaggen am Rande der Strecke sehen. Eine gut Zeit wollte ich ja eh nicht laufen, aber Angst vor der Extra-Anstrengung durch den Wind hatte ich dann doch. Der Startschuss ist dann auch sehr schnell gefallen und die Menschenmasse setzte sich in Bewegung. Das war genau so wie in Wien, zu viele Leute auf zu wenig Platz, waren doch auch noch die Staffelläufer und HM-Läufer dazwischen gemischt. Das war natürlich mal wieder ärgerlich, aber es hat nicht einmal 2 km gedauert, da konnte ich schon meine Geschwindigkeit laufen. Die Strecke war Anfangs doch sehr enttäuschend, da auf diesem „Kirchberg-Plateau“ kaum Menschen wohnen. Es gibt riesige Bürobauten von Internationalen Bankinstituten und dann natürlich einige Gebäude von den EU-Institutionen. Das gab dem ganzen eine eigenartige Atmosphäre. Architektonisch gab es zwar einiges zu sehen, (Richard Meier, Portzemparc, Böhm etc..) aber da sich dort an einem Samstag keine Menschenseele aufhält gab es eine gespenstige Ruhe. Die sollte aber schnell unterbrochen werden bengalische Trommler, so wie sie schon in der Ausschreibung versprochen wurden. Das war echt genial, ~40 Trommler die geniale Rhythmen drauf hatten und die Menschenleere rundherum schnell vergessen ließen. Es hat am Anfang auch nur jeweils 500 Meter gedauert bin die nächste Tommlergruppe auftauchte. Nach den ersten 4 Gruppen auf den ersten 4 Kilometern wurde es dann aber für ein paar Kilometer sehr ruhig, und ich hatte schon Angst vor der Altstadt, kenne ich doch die Begeisterungsfähigkeit der Luxemburger, und da das Wetter absolut nicht angenehm war, relativ kalt, windig und dicke bedrohlich Regenwolken, dachte ich dass uns auch eine menschenleer Altstadt erwarten würde. Aber nachdem Überqueren der „roten Brücke“ (Bild gibt es im Reiseprospekt vom Kilometerspiel) mit phantastischer Aussicht auf die alte Festungsstadt kam die erste Kurve die uns in eines der Vororte umleitete. Was ich einfach nicht glauben konnte: hier standen Tausende Leute die uns mit den Pfeiferln (die aus dem Startsackerl), empfingen. Es war eine Wahnsinnsstimmung. Ich konnte es kaum glauben, und das bei ~km10. Es war gigantisch, das hat mich total gepusht. So eine Stimmung habe ich noch nie bei einem Lauf erlebt, nicht einmal bei km 42 beim VCM. Aber da es eine Hauptkreuzung der Stadt war, habe ich angenommen dass die Leute sich all an dem Punkt versammelt hätten.
Weiter ging as an der Schule vorbei , an der ich maturiert habe, da bin ich schon ewig nicht mehr gewesen, alte Gefühle und Erinnerungen (!?!? ;-) sind da wieder hervorgekommen. In Gedanken vertieft ist´s weiter gegangen, durchs noble Villenviertel vorbei, wenige Zuschauer, aber immer wieder viele Kinder die die Hände zum Abklatschen hinstreckten. Ab und zu gab es bei den Kindern regelrechte Wettkämpfe, wer mehr Läufer abklatschen konnte, die einen standen rechts, die anderen links, und man hat immer wieder gehört wie sie gejubelt haben wenn sie wieder ein paar Läufer mehr auf ihrem Läuferzählerstand hatten als die Nachbarskinder 
Die Strecke ging dann weiter durch jeden nur erdenklichen Winkel der Stadt, vom Nobelbezirk bis zum ärmlicheren Bahnhofsviertel. Die Strecke war auch sehr kurvig, aber ohne dieses Herumschlängeln durch die Stadt hätte man wohl nie 42 km zusammen bekommen. Die Kurven haben aber überhaupt nicht gestört, gaben einem aber Gelegenheit öfters über den Gehsteig abzukürzen, so dass ich später auch nur 42,1 km auf der Uhr angezeigt bekommen habe. Die Strecke führte auch durch den Stadtpark, und zu dem Zeitpunkt war das Feld schon so weit auseinander gezogen dass man schon relativ viel Platz zum Laufen hatte, obwohl die Parkwege recht schmal waren.
Bei km19 ist man dann ins Zentrum der Stadt hineingelaufen. Hier sind wir durch die Fußgängerzone gelaufen, die teuerste Einkaufsstrasse des Landes (Vergleichbar mit den Geschäften am Graben) . Um Zuschauer anzulocken haben die Geschäfte bis 21 Uhr geöffnet gehabt. Ob dies der Grund war dass viel Zuschauer hingekommen sind, oder ob ich mich einfach nur bezüglich der Begeisterungsfähigkeit der Luxemburger geirrt hatte ist eigentlich unwichtig. Tatsache ist, dass hier Zigtausende Zuschauer standen, es war ein Korridor von Zuschauern von fast 1 km zu durchlaufen, und alle klatschten pfiffen und jubelten. Ich hab´s fast nicht glauben können. Freude überkam mich, und ich hätte vor Freude fast weinen können, und das schon vor km 21, ein Runner´s high konnte es also keines gewesen sein. Irgendwo im Zentrum sollte auch die Trennung von Marathon und Halbmarathon sein. Nun waren die Marathonis also alleine und das Feld war auch schon so weit auseinander gezogen dass man sich fast allein fühlen konnte. Kurz nach Trennung ging die Strecke sogar durch eine sehrt bekannte Passage durch ein Haus, wenn man den VCM durch so eine Engstelle führen müsse, würden die Läufer tagelang brauchen bis alle hindurchgefädelt wären, hier war es aber noch kein Problem. Die nächsten Kurven waren auch wieder überfüllt mit Zuschauern und alle machten einen Wahnsinnsradau, so laut dass man sich schon fast die Ohren zuhalten hätte wollen. Ich war nun schon so aufgespusht von der tollen Stimmung dass ich mich einfach kurz auf Ulrich´s Art bedanken wollte, und wagte es den Zuschauern kurz zu applaudieren. Die Reaktion war eine Lärm an Schreien an Pfiffen und Applaus, dass ich fast nicht mehr weiter laufen konnte, ich war schon fast geschockt vor solcher Begeisterung (und fast taub). Ab ~km 25 verließen wir das Zentrum wieder und da waren auch die Zusachuer wieder viel weniger, aber nach ein paar weitern Kurven und ein paar weiteren km sind wir schon wieder in die Nähe des Zentrums gekommen, und wieder ging´s los mit Applaus, und ich ich machte mir jetzt ganz gezielt den Spaß das Publikum anzufeuern. Da war einfach genial. Immer die selbe Reaktion. Die ganze Begeisterung ließ mich ganz vergessen wie weit ich schon gelaufen war. Unterwegs gab es immer wieder giftige Anstiege, ich habe ganz nach Gefühl meinen Schritt-Rhythmus weiter gelaufen, bin bei jeder Steigung immer wieder von ~10 Läufern überholt worden, beim nächsten Gefälle habe ich die dann wieder eingeholt. Und das Spiel hat sich immer wieder wiederholt. Beim ~km 30 waren wir an der tiefsten Stelle des Parcours angelangt, und wir mussten uns wieder zurück zur Altstadt hochkämpfen und von da wieder zurück zum Kirchbergplateau. Das war quasi ein Nonstop-Steigung. Soviel habe ich mich in Luxemburg zwar ausgekannt, dass ich wusste was höhenmäßig auf mich zukommen würde, aber von km 32 bis 40 nur Steigung zu laufen das war dann doch brutal. Bis km 32 war es ein purer Genuss und ich bin andauern leichtfüssig gelaufen. Nun habe ich dann aber gemerkt wie die Beine langsam aber sicher schwer wurden. Auch das 2te Gel wollte nun nicht mehr viel helfen. Kontinuierlich wurde es schwerer zu laufen. Aber das allerbrutalste sollte erst bei km 38 kommen. Da ist man nämlich hinter der Sporthalle vorbeigelaufen, wo ja auch das Ziel war. Man hat in der Halle schon gehört wie die ankommenden Läufer gefeiert wurde, ich musste nun aber noch 2 weiter km Steigung weiter laufen um dann wieder 2 km zurück. Das ging dann sehr auf die Moral. Die Beine waren nun schon sooo schwer, Zuschauer gab es auch schon keine mehr, es war mittlerweile dunkel geworden und dann bekam ich leider Magenkrämpfe. Ich musste nun leider zu Fuß gehen. Ich konnte einfach nicht mehr. Die 8 km vorher habe ich noch gekämpft und habe mir immer wieder den Bericht von Tina in Prag und Heidi beim VCM in Erinnerung gerufen. Das hat mich immer wieder zur Selbstüberwindung gebracht, aber jetzt ging´s einfach nicht mehr. Wenn ich keine Bauchschmerzen gehabt hätte, wäre ich wegen den schweren Beinen wahrscheinlich auch zu Fuß gegangen . Nach rund 400-500 Metern mit gehen und „Bauchmassage“ habe ich dann gedacht, so jetzt schaust doch mal was die Pulsuhr für eine Zeit anzeigt. 3:24…was ?noch mal die Anzeige durchgezappt, ich war begeistert, und fing an mit rechnen, was ich ja sonst nie mache. Sollte sich da doch noch mal eine 3:3x ausgehen. Mein Kampfgeist war erwacht und ich probierte wieder zu laufen. Genau bei km40 bin ich wieder losgelaufen, aber auch bei maximaler Anstrengung habe ich kaum einen 7er Schnitt halten können, am letzten km habe ich mich dann noch mit einem 8er-Schnitt in Ziel geschleppt. Am letzten km gab es links und rechts der Strecke alle 10 Meter eine Art Öllicht, so dass man den Weg zum Ziel wie auf einer beleuchteten Landebahn vor sich liegen hatte. Auch gab es wieder Zuschauer die einen anfeuerten. Der Einlauf in die Halle war phantastisch. Mit Musik und Lightshow ist man in diese riesige Arena hineingelaufen. Meine Zeit war 3:40:21. Ich war mehr als zufrieden, wusste ich doch dass ich mich mehr verausgabt hatte, als noch beim VCM.
Nach dem Marathon gab es die Möglichkeit ins Hallenbad mit olympischem Becken schwimmen zu gehen, zur Massage, oder in eines der aufgestellten Whirlpools zu gehen. Ich beschloss aber erst mein Kleidersackerl zu besorgen und danach zum Eingangstor zu gehen und ein bisschen zu beobachten wie die nächsten Läufer eintrudelten. Nach einer halben Stunde habe ich mich dann auf den Weg gemacht und bin meinem Schwager entgegenspaziert. Es hat dann auch nicht mehr all zu lange gedauert bis er gelaufen kam, wenn auch mit einem eher unzufriedenen Gesichtsausdruck. Immerhin war es sein erster Marathon. Wenn man dann noch so eine schwierige Strecke laufen muss, dann ist seine 4:27 immer noch sehr zufrieden stellend. Er hat zwar im Nachhinein gemeint, wenn ein Marathon immer so weh tut, dann wird er nie mehr in seinem Leben einen Marathon laufen, aber das haben ja bekanntlich schon viele Läufer behauptet und nie eingehalten 

Die Pulsuhr hat mit schlussendlich 270 Höhenmeter angezeigt. Die waren auf jeden Fall härter als erwartet. Was ich noch vergessen habe zu erwähnen, ist das fast perfekte Laufwetter. Die Windböen von fast 50 km/h habe nämlich nach 10 km nachgelassen und es war dann absolut windstill, und es hat immer wieder mit Nieseln angefangen, aber immer nur so viel dass nicht einmal der Boden nass wurde, also wirklich ideal.
Vom Veranstalter war für die Profisportler eine Extraprämie ausgeschrieben, wenn eine 2:11 gelaufen würde. Schlussendlich hat der Sieger 2:17 gebraucht, was auch ein wenig auf die Schwierigkeit der Strecke schließen lässt.
Für eine Marathonpremiere war es mehr als OK. Nur bei den Staffelläufern gab es anscheinend Probleme, wie ich aus der Presse erfahren habe. Aus meiner Sicht als Marathonläufer war der Lauf schon fast perfekt, auch wenn hier (falls die Streck so bleiben sollte) wohl nie jemand eine PB wird laufen können.
When your life flashes before your eyes, make sure you’ve got plenty to watch

 

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