Es gibt Ihn tatsächlich - den perfekten LaufWie jedes Jahr freue ich mich ganz besonders auf den "Heimmarathon", nach gutem Schlaf um 5:30 raus auf den Federn und Topmotiviert das Standard-Marathon-Prozedere abgespult.
Um 7:15 raus und Richtung Stephansplatz zum Treffpunkt 1 und anschließend gleich zum Treffpunkt 2 Donauplex. Wie schon Peter geschrieben hat wird es auch für mich ein Solorennen, Peter möchte gleich zu Beginn mit 4:40 weglaufen und das schien mir ein wenig zu schnell zu sein. Um 8:30 wird es Zeit sich in den blauen Startblock zu begeben und schon ertönt der Startschuss.
Ich fühle mich ausgezeichnet, habe zwar eine 15h Trainingswoche intus aber keinerlei Beschwerden oder schlechte Gefühle. Ich weiss, das wird mein Tag, mein Rennen.
Am Plan stehen 10km in 4:50 zum warmwerden (mit Pulskontrolle), danach 10km in 4:45 und ab Halbmarathon 4:40 wenn möglich. Ich beginne zu laufen und habe Freude, mein IPOD ist auf Discolautstärke gestellt und so kämpfe ich mir den Weg frei bis zur Hauptallee. Meine KM Zeiten sind planmäsig und mein Puls zu ersten Mal bei einem Marathon nicht über 160! - einfach unglaublich - "es rennt Andy". Bei KM 5 entscheide ich mich nichts zu trinken. Ich habe meine Liebste beim SMS Service eingetragen, und das interessante dabei ist, man sieht auch wieviel Läufer man pro 5km Abschnitt überholt hat. KM0-KM5 956 überholt. Klingt ja nicht schlecht - aber auch ein Indiz dafür, wie viel Läufer sich überschätzen bei der Startplatzwahl.
Das Tempo fühlt sich noch immer super an, der Puls ist auch perfekt, es kann heute nichts schiefgehen, dachte ich, als plötzlich ein Stich in meinem linken Knie mir einen lauten und kurzen Schrei entlockte. WTF, das darf doch nicht war sein, was ist denn nun los, ich habe seit ca. 3 Jahren keine Probleme mehr mit meinem Knie, warum plötzlich jetzt, einfach so. Nun gut, ist es wie es ist, das wird schon vergehen und weiter. Ich laufe mein Tempo trotzdem weiter und es geht gut, Puls perfekt und schon bin ich auf der Ringstrasse bei km 10, Zeit stimmt perfekt, vielleicht etwas zu schnell aber OK und wieder 317 Läufer überholt.
Auf der Wienzeile mach ich mir dann schön langsam wirklich Sorgen um mein Knie, es wird nicht besser, eher schlimmer und ich überlege was ich machen kann um eine Besserung zu erreichen. Bei km14 entschließe ich mich nach einen Turbo Boxenstopp an einer Säule mein Bein zu dehnen, drehen, treten schütteln - irgendetwas zu finden, dass mein Knie endlich wieder einen Frieden gibt. Leider erfolglos also laufe ich weiter, nun etwas schneller um den Rückstand aufzuholen. Bei KM15 bin ich noch immer gut in der Zeit, der Puls nun etwas höher (klarerweise nach dem Sprint) und wieder 33 überholt.
Ich finde mich damit ab, der Schmerz bleibt dir bis zum Schluss, aber aufgeben gibt es sicher nicht, nicht bei dem Puls, dem Tempo und diesen Bedingungen, es ist alles perfekt also kann ich das Knie schon irgendwie verkraften. Die Mariahilferstrasse, einer meiner Lieblingspassagen geht es gut und ich weiss, wenn ich am Ring unten ankomme, hab ich die Hälfte schon wieder hinter mir. So passiere ich mit 1:41:05 perfekt im Plan die Halbmarathon Marke und mein Puls ist nun bei angenehmen 170 (hatte ich die letzten Jahre bei KM1
Das Feld lockert sich nun und mein einsames Rennen geht in die zweite und entscheidende Phase. KM 25 passiere ich mit 22:59 und bin sehr zufrieden die Tempoerhöhung gut zu vertragen. Wieder 308 gepackt.
Den Schüttel in Richtung Hauptallee laufe ich auch sehr gerne, denn bald ist man bei 30 und der Marathon beginnt. Ist er das oder ist er das nicht? Peter mit rotem Shirt am Horizont. Der sollte aber schon viel weiter vorne sein, aber sicher bin ich mir noch nicht, somit laufe ich mein Tempo einfach weiter. Bei KM30 voll im Plan das 3. Gel eingeworfen und gespannt Richtung Happelstadion, was mich in dieser "Hammerzone" erwarten wird. (und wieder 155 weniger vor mir) Bei KM32 ist es nun sicher, es war Peter und ich laufe zu ihm auf und leiste ihm Gesellschaft, aber plaudern kann ich nicht, 1. verstehe ich nichts wegen meiner lauten Musik und 2. weiss ich, wenn ich beim Laufen plaudere geht mein Puls rauf, also einfach nebeneinander laufen.
Einmal ums Lusthaus herum und kurz nach KM33 planmäsig den ersten Traubenzucker reingeworfen. So, nun will ich es wissen, Puls 175, gute Beine, zuviel Kraft und das Knie wird nun auch nicht mehr besser, also auf ins Ziel und zum Negativsplit. Ich setze mein Lächeln auf, denn das gibt nocheinmal die Info ans Hirn, was du machst macht Spass
und beginne nun schneller zu werden. Ich zische an Mischa vorbei, wünsch ihm noch alles Gute und werf mir ein Cola bei KM35 rein, nur ein Schluckerl und ein Becher Wasser über den Kopf, denn jetzt wird es heiss. Auf den letzten 5 KM habe ich erneut 122 Leute "stehen gelassen" und schwebe weiter - laufen macht Spass, ganz besonders wenn man einmal keinen Einbruch hat, wie sonst eben.
Der Schüttel zurück Richtung Franzenbrücke vergeht wie im Flug, ich überhole, dass ich schon Angst vor mir bekomme, immer mit einem Grinsen auf den Lippen - mir geht es einfach phantastisch - mein Tag - ich schaffe es, ich laufe unter 3:20 ins Ziel - das weiss ich jetzt, Einbruch habe ich jetzt sicherlich keinen mehr. Auf der Brücke sehe ich Tschitschi, schade, dürfte bei ihm heute nicht gepasst haben, aber ich freue mich Christian zu sehen. Auf der Brücke stehen noch meine Liebste mit Ihrem Vater und Freundin und sind total verwundert über meinen Zustand, denn ich teilte ihnen bei km 28 mit, dass ich starke Knieschmerzen habe. Ich bekomme noch mein Redbull und mir wachsen tatsächlich Flügel. Kurz vor KM40 am Ring angekommen kann ich mir Glückstränen nicht mehr verkneifen, denn eine Kontrolle meiner Uhr lässt keine Zweifel offen, es geht sich aus. Ich überhole wie am laufenden Band, die anderen Läufer stehen förmlich, ich kann keine Schmerzen mehr wahrnehmen, die Menschenmassen geben mir noch den Rest - ein absuloter Hexenkessel am Ring, ich greife zu meinem IPOD, suche schnell meine Lieblingsscheibe - auf volle Lautstärke - und jetzt geht noch einmal die Post ab. Die letzten 2 Km laufe ich tatsächlich im 4:24er Schnitt.
Und nun ist es soweit, die Kurve zum Heldentor, ich schalte etwas runter und geniese die letzten Sekunden eines unglaublichen Laufes. Das ist Laufen, so macht es Spass, danke an meinem Körper, der mir das ermöglicht hat, so viel Genuß und Euphorie erleben zu dürfen und dann noch die alte VCM Zeit von 2007 mit 3:33 zu pulverisieren. Auf den letzten 5 KM habe ich mir nochmal fast 200 Läufer "geholt" und überquere überglücklich die Ziellinie mit 3:18:39. Wahnsinn! Was für ein Tag. Mein erster Negativsplit: 1:41:05 und 1:37:34. Was für ein Tag. Wahnsinn!
Wichtig für mich ist auch, dass ich nun weiss, mit Schmerzen einen Marathon durchlaufen zu können (natürlich nur wenn alles andere passt). Average Puls 171!
