Autor Thema: 2008-10-12 Graz-Marathon - StefanM  (Gelesen 1550 mal)

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2008-10-12 Graz-Marathon - StefanM
« am: 12.10.2008, 00:00:00 »
Datum: 2008-10-12
Event: Graz-Marathon
Distanz: 42.195 km

Ersteller: StefanM

Offline StefanM

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2008-10-12 Graz-Marathon - StefanM
« Antwort #1 am: 12.10.2008, 00:00:00 »
Forget your monitors

Das Frühjahr habe ich läuferisch ziemlich versumpert, es gab immer irgendeinen Grund und ich konnte mich nicht zu einem richtigen Marathontraining aufraffen. Ende des Sommers wurde ich dann etwas unruhig, wenn ich heuer keinen Marathon mehr laufe, dann wird die Überwindung für den nächsten immer größer und schwups bin ich kein Marathonläufer mehr. So suderte ich im Büro herum bis meine Chefin sagte. „Männer in der Midlifecrises sollen was G’scheites machen, sonst kommen sie auf dumme Gedanken. Du laufst Marathon!“ Und mein Kollege, ein Grazer, assistierte: „Du laufst in Graz!“ Jetzt konnte ich nicht mehr aus.

Die Vorbereitung (Training will ich jetzt gar nicht sagen) musste ich etwas zusammenstauchen, damit sich der Termin noch ausging, aber immerhin schaffte ich noch 6 Longjogs. Davon ging einer kräftig in die Hose, den hätte ich nach 25km abgebrochen, wenn ich dann nicht nach Hause gehen hätte müssen. Und zwei waren wunderschöne Seeumrundungen ;).

Nachdem die Kinder den Schwiegereltern aufgehalst waren fahre ich am Samstag mit Conny im Zug nach Graz. Im Abteil sind drei junge Leute und fragen uns: „Laufen Sie auch Marathon?“ Wir werden alt. Einer der Jungen läuft seinen ersten HM und ist etwas aufgeregt, er ist noch nie weiter als 10km gelaufen. Mutig.

Fahre nach Graz und gehe in der Annenstraße spazieren (© DKT)! Wir wollen es wörtlich nehmen und beschließen zu Fuß zum Hotel zu gehen. Auf einem Flohmarkt finde ich eine alte Stiegl-Bierflasche, das Wochenende ist schon mal gerettet ;). Im Hotel Weitzer hatten wir über booking.com ein relativ günstiges Zimmer gefunden. Wir handeln uns aus, das Zimmer erst später räumen zu müssen, um nach den Lauf noch duschen zu können. Das macht den Marathontag wesentlich stressfreier.

Nächster Weg, wieder zu Fuß, ist zur Startnummernausgabe im Citypark, wo ich hoffte einige aus dem Forum zu treffen. EMG ist gerade bei einer Autogrammstunde. Normalerweise wäre ich da jetzt nicht hingegangen, aber dann denke ich mir, jeden anderen Fori hätte ich auch angesprochen, warum also nicht EMG. Es wird ein sehr nettes Gespräch und ich erhalte den Rat, nicht mehr so viel zu Fuß zu gehen.

Im Interspar-Restaurant löse ich dann den Pastagutschein ein. Am Tisch sind wieder einige Läufer. Eine Frau erzählt mir, dass sie nur den 10er läuft, weil sie nächste Woche in Toronto den Marathon laufen will. Ihr Sohn lebt jetzt dort. Ich zeige Interesse, weil ich auch eine Tante in Toronto habe und das wäre ja mal eine nette Reise. Sie sagt mir, sie könnte mir ja berichten. Ich denke mir schon, das wäre so eine „man sieht sich“ – Floskel aber schon fragt sie mich nach meiner e-mail Adresse. Na gut, dann mach ich wenigstens auch gleich Werbung für unser Forum.

Dann gehen wir nochmals zurück zur Startnummernausgabe und treffen Walter und Gerd. Es wird kurz geplauscht und die weiteren Treffpunkte ausgemacht. Der nächste Tagesordnungspunkt ist die Abgabe der Eigenverpflegung. Dazu treffen Conny und ich meinen Grazer Kollegen im Cafe Erzherzog Johann, von Grazern liebevoll „Erzi“ genannt. Auf dem Grazplan werden minutiös alle Übergabestellen, die richtigen Flaschen und das dazugehörige Power-Gel vermerkt.

Weiter geht es zum Läufergottesdienst in die Stadtpfarrkirche. Walter stößt zu uns. Die Messe wird vom Sportbischof (was es nicht alles gibt) Lackner gelesen. Natürlich werden wieder alle möglichen Metaphern des Laufens für den Glaubensweg bemüht. Mir fällt Josef Hader ein: „Eicher Leben ist wie eine schlechte Metapher“ (Topfpflanzen). Aber aus dem Mund eines wirklichen Läufers, Bischof Lackner will den HM laufen, klingt das wieder authentisch.

Danach gibt es im Hof eine Kaiserschmarrenparty. Wir treffen Dagmar (sunshine) und Andy. Auch die Toronto-Läuferin von der Pastaauspeisung ist wieder da. Die Band aus der Messe spielt coolen Jazz. Ich hole mir drei Portionen. Der Bischof gesellt sich zu uns. Wenn es nicht schön langsam kühl werden würde, wäre es ein echt gemütlicher Abend. Walter begleitet uns noch zum Hotel und wir nehmen noch einen Absacker in der Hotelbar (Pfefferminztee).

Glücklicherweise ist das Frühstück nicht im Zimmerpreis mit in begriffen. Es hätte zu wehgetan auf üppige Mehlspeisen, Ham and Eggs  und anderen Köstlichkeiten am Marathontag verzichten zu müssen. So gehen wir in einen nahe gelegenen Anker auf ein kleines Frühstück. Hab ich schon erzählt, dass es mir echt schlecht geht? Wie immer fühle ich mich komplett mies und bin mir sicher höchstens einen Kilometer laufen zu können. Da ich das aber schon kenne, mach ich mich über mich selber lustig und warte ab was passiert.

Der Start ist zu Fuß leicht zu erreichen. Trotz zahlreicher Läufer treffen wir sofort wieder auf Walter und Gerd. Walter hat ein ehrgeiziges Ziel und will sub 3:30 laufen, Gerd und ich beschließen in Richtung 3:50 zu beginnen. Eigenartig finden wir, dass der Luftballon-Pacer für 3:30 nur sehr knapp vor uns im Startblock steht, der für 3:45 aber ganz vorne, irgendwo bei der Elite. Der Startschuss fällt, wir laufen weg. Meine Ohnmachtsanfälle von vor zwei Stunde sind weg und ich fühle mich pudelwohl. Allein zum Miterleben dieser Gefühlsschwankungen zahlt es sich aus, Marathon zu laufen.

Erfreulicherweise gibt es kaum Gedränge. Gleich nach einem Kilometer ist die erste Musikstation, ein Elvis rockt gehörig ab. Ich drücke den ersten Kilometer auf meiner Polar ab uns stelle fest, dass sie irgendeinen Blödsinn anzeigt. Ein paar Tage vor dem Marathon hab ich sie beim Service gehabt, es wurde die Batterie getauscht und dabei offensichtlich einige Einstellungen zurück gestellt. Ich bin jetzt im Fahrradmodus. Später werde ich sehen, dass ich den Marathon in 0:27:06 gelaufen bin, mit einer Maximalgeschwindigkeit von 85,1 km/h. Forget your monitors. Die Trainingsratschläge der Afrikaner bekommen so eine völlig neue Bedeutung. Jedenfalls hätte ich das vorher noch überprüfen sollen.

Gerd ist da besser aufgestellt. Mit seiner 800er kann er sich genau an seine Marschtabelle halten. Schon nach 2 Kilometer kommt mir das Tempo für heute aber etwas zu langsam vor. Noch nie hab ich es geschafft, ein Rennen mit jemand anderen gemeinsam zu laufen. Ich riskiere etwas schneller zu werden. Gerd verspricht mir, falls es schief gehen würde, mich wieder mitzuschleifen. Das Gefälle vom Hilmteich hinunter zur Mur laufe ich etwas zu verhalten, Gerd holt mich nochmal ein, aber dann sehe ich ihn nicht mehr. Anhand der Uhrzeit schätze ich nun als Rechenaufgabe alle 5km mein Tempo. Das geht auch.

Bei km 6 steht das erste Mal mein Kollege und reicht mir eine Wasseflasche. Bei km 9 treffe ich Conny und bekomm wieder eine Wasserflasche. Jetzt geht’s hinunter Richtung Puntigam. Die Stimmung an der Strecke ist recht gut. Bei der ersten Staffelmarathonwechselzone ist besonders viel los. Nicht alle der angekündigten Musikstationen werden live bespielt, viele kommen vom Band, das ist mir aber wurscht. Ein Leiberl mit der Aufschrift „Lachen ist gesund“ regt uns zu philosophischen Betrachtungen an.

Bei den Puchwerken gibt es eine Schleife durch das Werksgelände, offensichtlich damit die Distanz genau eingehalten werden kann. Das ist recht witzig, weil man zwischen Materiallagern durchläuft. Sonst ist die Strecke landschaftlich ok. Nach der Wende bei der Puntigamer Brücke geht’s durch eine Schrebergartensiedlung wieder Richtung Zentrum. Bei einem Wirtshaus werden Äpfel angeboten. Bei der nächsten Labe werden einzelne Läufer, dank Chipsystem, namentlich begrüßt. Nach einer Unterführung geht es durch den Augarten auf Schotter weiter. Nachdem ich ja nicht so schnell bin, ist das aber kein Problem. Ich freue mich auf km 20 wo ich von Conny mein erstes Gel bekommen werde (sie hat dazu von km 9 nur das Murufer wechseln müssen. Nach dieser Übergabe muss sie mit der Straßenbahn in den Süden fahren.

Danach gibt es bei der Unterführung Hauptbrücke die erste (und einzige) giftige Steigung. Durch die Sackgasse und Herrenstraße geht es leicht bergab. Es ist eine tolle Stimmung und ich freue mich schon auf den Zieleinlauf eine Runde später. Nach der ersten Runde und dem Wegfall der Halbmarathonläufer wird es auf der Strecke etwas ruhiger. Dadurch kann der Elvis mit seinem Funkmikro jetzt mitten auf der Strecke stehen und einheizen. Genial.

Nachdem ich es wieder hinauf zum Hilmteich geschafft habe, lasse ich es diesmal hinunter zur Mur richtig laufen. Ab jetzt merke ich, dass ich schneller bin als die Läufer um mich herum. Später werde ich sehen, dass ich auf der zweiten Hälfte weit mehr als 200 Plätze gutgemacht habe. Wer mich jetzt noch überholt kann nur ein Staffelläufer sein.

Kinder bieten privat Traubenzucker an, schade das es noch zu früh dafür ist. Bei km 27 steht wieder mein Kollege und reicht mir Wasser und Gel. Bis km 30 läuft es immer noch locker. Ein gutes Zeichen. Danach muss ich anfangen mich zu motivieren. „33km bist du im Training gerannt und es war kein Problem.“ „Bei km 35 kommt wieder Conny mit einem Gel.“ „Dann sind es eh nur mehr 7km.“

Beim zweiten Mal Puch-Schleife laufe ich auf Walter auf. Ich kann ihn ein paar Kilometer mitziehen, dann setzte ich mich wieder ab. Jetzt ist es mühsam, aber ich darf nur nicht nachlassen, ich weiß, dass heute nichts mehr passieren wird. Ich fürchte mich nicht vor der giftigen Unterführung sondern freue mich auf die stimmungsvolle Herrengasse. Wo immer ich Leute am Rand sehe, versuche ich sie zum Klatschen zu animieren. Das gibt mir wieder neuen Schwung.

Endlich kommt das Ziel näher. Meine Uhrzeithochrechnung ergibt weder PB noch sub 3:45 aber doch schneller als erwartet. Ich sprinte ins Ziel und bin rund durchgelaufen. 3:45:28. Den sub 3:45 Pacer hab ich aber trotzdem den ganzen Lauf nicht gesehen. Später werde ich feststellen, dass meine beiden HM’s gerade mal um 4 sek differiert haben. Für die Forumsmeisterschaften könnt ihr euch schon mal warm anziehen! Die zweite Marathonhälfte bin ich noch nie so schnell gelaufen, also doch noch ein Rekord ;).

Im Zielraum treffe ich wieder Walter. Ich bin ziemlich aufgewühlt und nerve ihn mit der Aussage: “Mir tut jetzt eigentlich nur die Schulter weh.“ Beim Schlürfen der Zielsuppe komm ich noch mit einem blinden Läufer ins Gespräch. Er erzählt mir, dass er für nächstes Jahr viel vorhat. Er will einen Staffellauf quer durch Österreich organisieren, um Geld für Partnerhunde aufzustellen. Das sind die wahren Helden!

Zum Schluss treffen wir nochmals Dagmar, Andy und Gerd. Jetzt will ich zurück ins Hotel duschen. Statt dem „Bier im Ziel“ gibt es ein „Bier im Zug“ im Ungarischen Speisewagen mit einer ebensolchen Gulaschsuppe. Ein Wochenende, an dem ich viele Menschen neu und einige besser kennen gelernt habe liegt hinter mir.

Offline heitzko

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2008-10-12 Graz-Marathon - StefanM
« Antwort #2 am: 14.10.2008, 13:09:51 »
supertoll bist du gelaufen!! bravo!!! danke für diesen amüsanten bericht! ich glaube ich will auch bald wieder einmal in graz laufen (auch wenn diese schleife außerhalb der stadt nicht so motivierend ist ;)).

Offline boenald

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2008-10-12 Graz-Marathon - StefanM
« Antwort #3 am: 14.10.2008, 13:44:28 »
hut ab! im weitzer ein günstiges zimmer kriegen ist meiner erinnerung nach nicht so leicht ;) und als vorbereitung auf die forumsmeisterschaft war das mit den 4 sekunden eigentlich geradezu perfekt! gratuliere zu diesem gelungenen marathonwochenende!
Paragraph eins: jedem sein´s.

Offline elisabeth

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2008-10-12 Graz-Marathon - StefanM
« Antwort #4 am: 14.10.2008, 16:00:58 »
Danke für den kurzweiligen Bericht!
Bist toll gelaufen!

Offline Tschitschi

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2008-10-12 Graz-Marathon - StefanM
« Antwort #5 am: 15.10.2008, 00:45:40 »
Trainingsaufwand zu Laufzeit sagt: du bist ein fauler Sack!!
Gratuliere trotzdem zu der Zeit!
"man muss wissen bis wohin man zu weit gehen kann" jean Cocteau

Offline pipel

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2008-10-12 Graz-Marathon - StefanM
« Antwort #6 am: 15.10.2008, 08:06:15 »
Toller Bericht. Und danke für den Link zum Topfpflanzen-Text. Eines meiner absoluten Lieblingslieder! :) Toll gelaufen, Stefan, grautliere.
Stop the world — I wanna get on!
(Leo Bloom in "The Producers")

Offline redrunner

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2008-10-12 Graz-Marathon - StefanM
« Antwort #7 am: 15.10.2008, 11:59:04 »
klingt nach perfektem wochenende inkl. perfektem bericht!

gratulation!

(seit der neuen strecke in graz mit 2 runden bin ich immer nur den HM gelaufen,
ich denke ich muß mir die 2. auch mal wieder antun!)

Offline helga

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2008-10-12 Graz-Marathon - StefanM
« Antwort #8 am: 18.10.2008, 15:00:29 »
===Männer in der Midlifecrises sollen was G’scheites machen, sonst kommen sie auf dumme Gedanken==== echt wahr, warum gibts auch soviele Männer in der W-40 die Marathon laufen!!! Deine Motivation "und schwups bin ich kein Marathon-Läufer mehr" das hat auch was Wahres an sich. Super Stefan, ich gratuliere!!!!!!
Der Weg, auf dem Sie Ihre Ziele erreichen, ist genauso individuell, wie Sie selbst. (Klaus Weiland)

Offline helga

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2008-10-12 Graz-Marathon - StefanM
« Antwort #9 am: 22.10.2008, 10:49:47 »
Ups, M-40!!!, ist wahrscheinlich eh niemanden aufgefallen.:D
Der Weg, auf dem Sie Ihre Ziele erreichen, ist genauso individuell, wie Sie selbst. (Klaus Weiland)

 

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