Autor Thema: 2009-07-11 24h Wörschach Benefizlauf - katzie  (Gelesen 960 mal)

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2009-07-11 24h Wörschach Benefizlauf - katzie
« am: 11.07.2009, 00:00:00 »
Datum: 2009-07-11
Event: 24h Wörschach Benefizlauf
Distanz: 150.000 km

Ersteller: katzie

Offline katzie

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2009-07-11 24h Wörschach Benefizlauf - katzie
« Antwort #1 am: 11.07.2009, 00:00:00 »
Grande Finale in Wörschach oder: Nur Zahnarzt tut mehr weh!

Wer schon über meine ausführlichen 6-Stunden Lauf Berichte gestöhnt hat, sollte spätestens jetzt aufhören zu lesen. Oder sich das ganze Werk ausdrucken und für eine Musestunde zur Seite legen. Denn jetzt gehts um einen 24 Stunden Lauf. Um meinen ersten 24er und ob es auch mein Letzter war, lassen wir hier besser einfach einmal offen im Raum stehen.

WÖRSCHACH. Ein Ort in der Steiermark, in der Nähe von Liezen. Ich habe dort 2006 meinen allerersten Halbmarathon bestritten und mir haben die Steigungen auf dieser Strecke auf dem Weg zu meiner angestrebten Zielzeit das Genick gebrochen. Für einen Flachlandläufer sind die Steigungen nämlich spätestens nach der siebenten Runde verdammt anstrengend. Beim Halbmarathon dachte ich damals in der letzten Runde: "Pfff, die Eiger Nordwand"... beim 24Stunden Lauf würde ich wohl oder übel noch mehr leiden.

Da der Mensch aber eine wunderbare Eigenschaft hat, nämlich jene, überstandene Schmerzen zu verdrängen (das funktioniert bei Fahrradstürzen, angeblich auch bei Geburtswehen - bloß bei Zahnarztschmerzerinnerungen haut das einfach nicht hin!), hatte ich nur noch vage in Erinnerung, dass Wörschach nicht ganz topfeben zu laufen ist. Nun gut, als ich hörte, dass 2009 wohl das aller-, allerletzte Mal sein würde, dass diese inzwischen schon legendäre Veranstaltung stattfindet, beschloss ich schlicht und einfach, teilzunehmen. Trainingsmäßig war ich noch nicht so weit und das wusste ich sehr wohl. Ein paar 6-Stunden Läufe sind okay, aber vor Wörschach hätte ich zumindest schon einmal einen 12er laufen sollen, um ein Gefühl dafür zu bekommen, worauf ich mich hier einließ. In meinem Wahn, die letzte Gelegenheit nutzen zu müssen, habe ich jedoch alle Bedenken in den Wind geworfen und mich mit dem olympischen Gedanken getröstet. Ich wollte einfach nur dabei sein. Wenn es gut lief, dann würde ich vielleicht mehr als 100 Kilometer laufen, wenn es nicht so gut lief, dann würde ich einen Eventwandertag einlegen und dass ich so eine große Sache nie mehr in Angriff nehmen würde, stand spätestens in der Abschlussphase der umfangreichen Vorbereitungen für mich fest.

Papa hatte gleich Bedenken angemeldet, als ich ihm meine "tolle Idee" verkündet hatte, sich dann aber mit vollem Elan in die Sache gestürzt, um die passenden Rahmenbedingungen für meine Teilnahme zu schaffen. Für ihn stand nämlich fest, dass ich nicht nur der Gaude wegen starten würde. Irgendwie hatten wir da ein leichtes Verständigungsproblem, denn genau das war ja mein Ziel gewesen: Mitzulaufen, die Stimmung zu erleben und vielleicht zu begreifen, warum man so etwas macht wie etwa 24 Stunden am Stück im Kreis zu laufen. Je mehr Umfang die Vorbereitungen annahmen, desto kältere Füße bekam ich bei der ganzen Sache. Aber Bangemachen gilt nicht und wer A sagt muss auch B sagen.

Am Freitag fuhr Papa schon mit Geri nach Wörschach, um das riesige Pavillonzelt aufzustellen, das uns als Schaltzentrale dienen sollte. Ich hatte eigentlich daran gedacht, einfach mein Auto an den Streckenrand zu stellen, Vorzelt aufklappen, Matratze im Auto auflegen und aus dem Auto heraus ins Vorzelt die wichtigsten Sachen griffbereit zu legen. Aber von wegen! Geri hatte einen Stromgenerator dabei, im Zelt standen am Samstag Tisch, Sessel, Wasserkocher, Herdplatte, Verpflegung und Ruhemöglichkeiten und natürlich war das Zelt beleuchtet (ich hatte meine Taschenlampe bereitgelegt und eine Thermoskanne für heißes Wasser und aus). Es war schon gut, dass Papa bereits mehrmals in einer Staffel in Wörschach gestartet ist, so hatte er etwas mehr Ahnung, was alles nötig sein würde. Zu Mittag rief mich Papa von Wörschach aus an, im Hintergrund tobte das Leben und er schien schon ziemlich von der allgemeinen Aufregung angesteckt zu sein. Auch Geri, den ich im Hintergrund hörte, klang richtiggehend fiebrig. Die Stimmung in Wörschach ist auch am Vortag schon enorm, wenn der Nachthalbmarathon die ersten Schaulustigen an die Strecke lockt. Nach dem Aufbauen mussten Papa und Geri das Zelt sich selbst überlassen und nach Hause fahren.

Am Samstag um 08:00 Uhr in der Früh holte ich Papa ab und gemeinsam fuhren wir mit meinem Auto von Judenburg nach Wörschach. Ich stellte meinen Boliden auf einem Parkplatz gleich hinter dem Start ab und wir begaben uns erst einmal zum Zelt, wo wir erfreut feststellten, dass über Nacht nichts weggekommen war. Dann ging es zur Startnummernausgabe. Im Startersackerl gabs wieder putzige kleine Recheis Nudelpackerl, jede Menge Werbung für andere Laufveranstaltungen, gleich zwei Startnummern und ein T-shirt für mich und meinen Betreuer mit dem begehrten Wörschach Logo. Die Shirts waren riesig und obwohl ich ein "L" hatte (es gab noch XL und XXL), konnte es bequem als Nachthemd durchgehen. Wieder beim Auto angekommen, mischten wir mehrere Flaschen Isodrink im Voraus (ich vertrage nicht alle Sorten, daher habe ich immer mein eigenes Iso-Safterl mit)räumten wir die letzten Sachen hinüber ins Zelt und dann war es schon Zeit für die Besprechung, an der verpflichtend alle Läufer teilzunehmen hatten. Die Anweisung, dass die Staffelläufer sich möglichst rechts halten sollten, um den 24Stunden Läufern die Innenbahn zu überlassen wurde von uns Einzelläufern dankbar angenommen, stieß bei manchen Staffelläufern aber auf Unverständnis. Ich sehe ein paar Läufer der "run42195" Staffel und spreche sie an, aber ich bin so nervös, dass ich mir die genannten Namen nicht merken kann und zerstreut einfach alle Hände schüttle, die ich ergreifen kann.

Pünktlich um 14:00 Uhr dann der Start. Ich nehme gleich Blickkontakt zu "meiner" Rundenzählerin auf, die mir freundlich zuwinkt. Sie hat mich wunderbar begleitet, denn in jeder Runde hat sie mir zugejubelt, wofür ich ihr hiermit ganz herzlich danken möchte!

Die ersten Runden versuche ich, eine für mich angenehmes Tempo zu finden. Der Wörschacher Fluch holt mich wieder ein, die Steigungen und das daraus resultierende unregelmäßige Lauftempo schlägt mir auf die Leistung. Und zwar gewaltig! Ich habe zu schnell begonnen, schon nach drei Stunden geht es mir das erste Mal richtig dreckig. Papa reicht mir die verschiedenen kleinen Trinkflaschen mit Isofruit und Grazer Elektrolytlösung (die heißt wirklich so und wird von der Adler Apotheke am Hauptplatz in Graz exklusiv vertrieben), aber mein Durst steigt und steigt. Ich spüre zwar, wie mein Magen schön langsam einen Kollaps androht, kann aber nicht aufhören zu trinken, weil mein Mund dauernd furchtbar trocken ist und ich das Gefühl habe, literweise Flüssigkeit in mich reinkippen zu müssen. Schließlich gehe ich am offiziellen Versorgungsstand vorbei, um einen Becher Leitungswasser zu nehmen. Dabei fällt mein Blick auf "Bier, Starkbier, alkoholfreies Bier". Hm... eine ganze Runde lang lässt mich der Gedanke nicht mehr los. Ich meine: ich hasse Bier, der bittere Geschmack ist mir normalerweise so zuwider, dass ich mich schon beim Gedanken daran innerlich schüttle. Staunend sehe ich mir selbst dabei zu, wie ich nach dem alkoholfreien Bier greife und mich, an "unserem" Zelt angekommen, in einen Sessel fallen lasse, um genüsslich ein paar Schlucke Bier zu trinken. Auch mein Papa kann nicht ganz glauben, was er da sieht. Er kennt mich und WEISS, dass ich kein Bier trinke. Aber da sitze ich und trinke Bier. Alkoholfreies zwar, sonst wäre der Lauf hier zu Ende, aber immerhin...

Über die nächsten Runden hilft mir ein 3/3 Mix (nein, nicht Stadt, Land, Autobahn) aus 1/3 alkoholfreiem Bier, 1/3 Isodrink und 1/3 reinem Wasser. Endlich habe ich die Krise so weit überwunden, dass ich mir wieder Gedanken über alles mögliche machen kann. Zum Beispiel darüber, dass der Himmel sich zunehmend bewölkt. Und darüber, dass ich inzwischen als "Katzie" angefeuert werde. Auch die in wahnwitzigem Tempo vorbeischießenden Staffelläufer werden von meinen Gedanken gestreift. So etwas wie "Boah, sind die flink, Mann!" blitzt mir durch den Sinn, wenn wieder einer oder eine an mir vorbeiflitzt. Auch Eva Maria Gradwohl ist bei den Staffelläufern der run42195 dabei. Wie eine blonde Gazelle eilt sie an mir vorbei und mir bleibt nur noch der Mund offen stehen. Auch die Staffelläuferinnen mit dem kessen "Remax"-Schriftzug auf den verboten knappen Höschen legen ein gewaltiges Tempo vor. Am Meisten aber beeindrucken mich Pfandlbauer Andreas und Gross Annemarie, die beiden Sieger. Andreas kenne ich ja schon von Wals und Vogau her. Inzwischen habe ich mich an das Gefühl gewöhnt, von einem Staffelläufer überrundet zu werden, um dann festzustellen, dass es Andreas ist, der als Einzelläufer nicht weniger flott unterwegs ist wie so manche Staffelläufer schon in der dritten Runde nicht mehr.

Lange rätsle ich, wer die beiden anderen Damen in meiner Altersklasse sind. Juda Martina sollte ich ja eigentlich schon von vorigem Jahr in Wals her kennen, aber irgendwie bin ich mir nicht sicher. Die zweite W30 Starterin, Graf Verena habe ich bald entdeckt, sie trägt das blaue Frauenlauf Shirt von 2008, mit dem auch ich öfter unterwegs bin. Wir begegnen uns immer wieder auf der Strecke, aber ein Gespräch ergibt sich nicht, weil sie fast immer in männlicher Begleitung ist und wir eigentlich nie dasselbe Tempo laufen.

Mit einem Einzelläufer, der auch in Vogau unterwegs war bin ich eine Weile im selben Tempo unterwegs. Wir reden über mein NIKE Band und ich erzähle ihm, dass ich damit die Distanz und das Tempo im Blick habe. Er macht mich mit seinem riesigen Forerunner Wecker neidisch, der mit GPS und Höhendiagramm, Pulsmesser und computerunterstützter Verarbeitung auftrumpft. Als wir an "meinem" Zelt vorbeikommen, ruft Papa mir zu: "Puls?" und ich antworte nach einem leeren Blick auf meine Uhr und einem kurzen Überlegen: "165". Papa nickt und trägt die Zahl in seine Statistik ein. Mein Laufpartner fragt mich überrascht, ob ich nicht erzählt hätte, dass mein NIKE Armband keine Pulsanzeige hat? Hat sie auch nicht, kläre ich ihn auf, aber ich nenne einfach eine Zahl zwischen 130 und 170, die mir grade einfällt und Papa macht daraus, zusammen mit den Rundenzeiten, eine hübsche Statistik. Warum ich nicht einfach sage: "Hab keine Pulsuhr?" Na, weil ich neugierig bin, was die Statistik ergibt.... "Aha..." und wir trotten weiter.

Die Zeltgruppe neben uns hat einen riesigen, aufrecht stehenden Grill aufgebaut und darauf dreht sich etwas, das wie ein Spanferkel aussieht. Mir läuft jedes Mal das Wasser im Mund zusammen, wenn ich daran vorbeilaufe.

Am späteren Nachmittag muß ich das erste (aber zum Glück auch letzte) Mal zur Massage. Meine Schultermuskeln haben sich so verkrampft, dass ich irre Kopfschmerzen bekomme und die Arme kaum noch natürlich am Körper vorbeiführen kann. Es ist angenehm warm, die Stimmung freundlich und ich werde gleich ganz lieb betreut. Die Dame, die sich um mich kümmert, warnt mich in mütterlichem Tonfall vor dem "großen Loch um 02:00 Uhr in der Früh". Davon habe ich schon von mehreren Seiten gehört. Angeblich wird es dann erst so richtig zäh. Quasi der Hammermann des 24Stundenlaufs. Ein Masseur mit angenehm warmen Händen knotet meine verkrampften Rückenmuskeln wieder auseinander und nach etwa 20 Minuten kann es wieder weitergehen. Ich unterschreibe in dem kleinen Buch mit meiner Weblog Adresse und bin schon neugierig, ob jemand von er Massagegruppe hier vorbeiliest?

Langsam wird es Abend und es beginnt auch zu nieseln. Ich ziehe die leichte Laufjacke drüber, aber die ist dann doch zu warm und ich gebe sie bei der nächsten Runde wieder an unserem Zelt ab. Ich hatte inzwischen schon einige Hochs und Tiefs, bin schon marschiert (Kreative Geh-Pause, ich hoffe, ich darf diesen Begriff von Erich Micklar verwenden? Der gefällt mir nämlich total gut) und war dann wieder angenehm erholt laufend unterwegs. Um halb 12 Uhr nachts habe ich den zweiten Marathon hinter mir. Die Hüften schmerzen dumpf und das rechte Knie zwickt ein wenig. Ich setze mich kurz in den Relaxsessel in unserem Zelt und ziehe Resümee über die bisherige Laufleistung und mein allgemeines Empfinden dabei. Dann gehe ich wieder auf die Strecke. Als um Mitternacht das große Feuerwerk beginnt, bin ich gerade mitten in einer Wanderphase und lasse mir ausgiebig Zeit, das tolle Schauspiel zu genießen.

An der Labestelle heroben in der Stadt gibt es auch Tee, aber da mein Team einen eigenen Wasserkocher dabei hat, bin ich unabhängig davon. Außerdem kann ich mir do auch die Sorte aussuchen und trinke in Folge etliche Becher Willi Dungls "Fühl dich Wohl- Tee" mit viel Honig. Und einige Schalen heiße Brühe gehen auch noch weg, die hole ich mir an der Labestelle, gehe die paar Schritte bis zu unserem Zelt und gebe dann die vorsorglich zu Hause vorgekochten Suppennudeln rein. Lecker!

Kurz vor 02:00 Uhr passiert es: die Starter einer Megastaffel mit blauen Shirts haben trotz der Besprechung beschlossen, sie wollen links ablösen. Der Staffelläufer, der hinauswechselt läuft rechts (wie eigentlich für die Staffelläufer vorgesehen), seine Ablöse steht links am Streckenrand vor der Absperrung. Genau auf meiner Höhe rennt der Typ von links los, tritt mir mit voller Wucht quer auf den linken Fuß, brüllt einen Fluch und drischt mir in den Rücken! Ich bin so perplex, dass ich ein paar Schritte nach vorn stolpere und als ich mich umdrehe, ist von dem Helden keine Spur mehr zu sehen. Danke schön! Mein Fuß schmerzt wie tausend Nadelstiche und ich bin sicher, dass mein Mittelfußknochen kaputt ist. Ich humple weiter, ein älterer Läufer überholt mich und sagt: "Ich habe alles gesehen, spinnt der?" Aber die Startnummer hat er auch nicht gesehen. Tja... Bewusster Staffelläufer, falls Du das hier liest: Mit Verlaub, Du bist ein ARSCHLOCH. So, jetzt gehts mir besser.

Als ich an der Rundenzählung vorbeihumple, hält "meine" Rundenzählerin strahlend die 100km-Tafel hoch. Ich grinse schmerzverzerrt und schleppe mich noch bis zu unserem Zelt. Dort erzähle ich meinem Papa im Stenostil, was passiert ist und beschließe, mich für drei Stunden hinzulegen. Wenn dann die Schmerzen unverändert da sind, ist das Rennen gelaufen, wenn ich mich in der Zeit halbwegs erhole und der Fuß nicht anschwillt, gehts munter weiter. Papa nickt und begleitet mich zum Auto. Dort habe ich schon das Bett hergerichtet. Ich biete Papa an, sich ebenfalls niederzulegen, denn in meinem Campingbus sind ja zwei Schlafstellen, aber Papa setzt sich vorne auf den Beifahrersitz und ich vermute, dass er dort an seiner Statistik gearbeitet hat. Ich bebe vor Kälte, meine Haare sind nass - ob vom Schweiß oder von dem bisschen Regen, weiß ich nicht. Ich wickle mir ein Handtuch um den Kopf, hülle mich in die dicke Filzdecke ein, die ich normalerweise als Unterlage für die Matratze benutze und endlich wird mir etwas wärmer. Die Schuhe habe ich mich noch nicht auszuziehen getraut.

Da ich mich mit den Laufschuhen an den Füßen nicht umdrehen kann, ziehe ich sie schließlich aus. Wenn mein linker Fuß jetzt anschwillt, dann hat es eben so sein sollen. Ich habe vor dem Hinlegen einen Eiweißshake getrunken (das Zeug vom DM mit dem Body-forming Effekt, das schmeckt so fein nach Erdbeere) und ein paar Panaceo Sport genommen und hoffe nun, dass diese nicht nur wie in der Beschreibung die müden Muskelfasern regenerieren, sondern auch den Fuß reparieren.

Kurz vor fünf weckt mich mein Papa auf. Mein Wecker hätte erst zehn Minuten läuten sollen. Ich ziehe mir das "RC Wendi" Radshirt an, weil es etwas wärmer ist als die Laufshirts und nach einem Becher mit heißem Tee geht es wieder los. Der Tag hat schon begonnen, die Vögel zwitschern und man sieht schon sehr gut, wo man hintritt. Einige Läufer sind durch gelaufen, die Staffeln ohnehin und ich bewundere die Einzelläufer für ihre Härte. Die Schmerzen im linken Fuß gehen jetzt im allgemeinen AUA unter, ich fühle mich generell etwas gerädert. Besonders die Hüfte und das Knie machen Ärger.

Im Laufe des Vormittags wird es wieder wärmer. Ich muß immer öfter bergab gehen, weil die Schmerzen beim Auftreten zu stark sind. Bergauf laufe ich und bilde so einen genauen Gegenpart zu fast allen anderen Läufern, die eher bergauf gehen und bergab "rollen". Mein Papa will mich immer wieder dazu bringen, auch bergab zu laufen, aber ich reagiere gereizt, denn ich weiß ja, dass es weh tut.

Kurz vor Mittag kommt meine Mama, die ungewollt auch schon fast die ganze Strecke abmarschiert ist auf der Suche nach unserem Zelt. Ein guter Freund von Papa, Didi, kommt mit dem Fahrrad die 80 Kilometer über die Berge und er ist es auch, der mich von 12:00 Uhr bis 13:20 Uhr begleitet, als ich wirklich nur noch wandern kann. Ich ziehe wieder ein leichtes Laufshirt an, weil mir schon sehr heiß ist.

Papa hat mir irgendwann gesagt, ich sei mit jemandem aus meiner Altersklasse in derselben Runde, aber ich kann nicht mehr laufen. Ich nehme das Gesagte zur Kenntnis und wandere weiter. Didi und ich plaudern, aber trotzdem passe ich gut auf, wer mich alles überholt und als ich um 13:20 Uhr plötzlich wieder einen "Schub" bekomme, laufe ich wieder los und schaffe es tatsächlich, etliche von denen, die vorher an mir vorbeigetrabt sind, wieder zurück zu überholen.

Das Publikum jubelt und klatscht und endlich ist es da: diese Stimmung, das Gefühl, von der Begeisterung der Leute getragen zu werden, von dem andere Läufer oft erzählt haben. Ich laufe, laufe, laufe, denke gar nicht über Schmerzen, Durst und Bauchweh nach. Ich strahle wildfremde Leute an, klatsche Kinderhändchen am Streckenrand ab, werde von einem anderen Läufer umarmt und finde das gar nicht merkwürdig, alles während ich ein Tempo laufe, das ich zu diesem Zeitpunkt gar nicht mehr laufen können dürfte (tolles Deutsch). Und nein, ich habe kein Runners High. Es fühlt sich keinen Moment so an, als könnte ich "ewig so weiterlaufen", ich fühle kein "Schweben, schwereloses Dahingleiten" und was dergleichen Formulierungen mir bisher so begegnet sind. Mir ist jeden Augenblick voll bewusst, dass ich für diese schnellen Runden am nächsten Tag mit Schmerzen zahlen werde. Und ich nehme auch alles rund um mich herum wahr, weder übergenau noch wie durch einen Schleier. Es ist alles wie immer, wenn ich laufe. Aber diesmal habe ich das Gefühl, die Energie des jubelnden Publikums als solche wahrzunehmen. Ist das der Grund, sich so zu quälen?

Schließlich sind nur noch fünf Minuten bis zur Schlusssirene. Plötzlich, genau auf Höhe der Rundenzähler, überhole ich eine Dame, von der ich sicher bin, dass sie in meiner Altersklasse ist. Ich renne vorbei und als Papa an unserem Zelt mich aufhalten will, ich solle mich auf den bereitgestellten Sessel setzen, es kann ohnehin jeden Moment aus sein, reiße ich mich wieder los und renne noch über eine halbe Runde, bis endlich die Sirene ertönt.

Geschafft! Ich setze mich im Schatten eines Busches hin, aber weil es dort leicht abschüssig ist, kippe ich um und kollere ein Stück weiter in den Schatten. Dort bleibe ich gleich liegen, stütze mich mit den Händen auf und lasse die Beine leicht pendeln, um die Muskeln zu entspannen. Didi kommt hinterher und gemeinsam warten wir, bis die Restmetervermessung meine Position eingezeichnet hat. Eine Frau sagt mir, dass dort, wo ich sitze, kurz voher ein Läufer hingepieselt hätte. Es ist mir egal. Erstens fühlt sich das Gras nicht feucht an und zweitens stinken meine Laufsachen schon so nach Schweiß, verschütteten Isodrinks und "möcht-gar-nicht-wissen,was", dass ich nur noch den Moment herbeisehne, wo ich sie ausziehen und in den Wäschesack stopfen kann. Davor müssen Didi und ich aber wieder zum Start-Ziel Bereich kommen und werden dort von meiner Familie, Geri, seinen Betreuern und einigen Zeltnachbarn begeistert begrüßt.

Eigentlich will ich nur noch unter die heiße Dusche, aber von 2006 habe ich das eiskalte Tröpferlbad noch in schauriger Erinnerung und so reibe ich mich im Auto mit mehreren feuchten Waschlappen ab und ziehe mir dann frische Sachen an.

Hunger! Einen großen gemischten Salat und einen Teller Nudeln später marschieren wir zur Siegerehrung und ich darf meinen Preis für 163,6 gelaufene Meter, Platz 1 in meiner Altersklasse in Empfang nehmen.

Noch ein paar Fotos und dann fahren Papa und ich mit meinem Auto nach Hause. Papa fährt, obwohl er noch weniger Schlaf hatte als ich. Anders als in Wals sind wir beide wenig gesprächig.

Am nächsten Morgen stelle ich mich auf fürchterlichen Muskelkater ein, aber so schlimm ist es dann zum Glück doch nicht. Die Hüftgelenke tun ziemlich arg weh, das rechte Knie zwickt beim Stiegensteigen, aber sonst geht es eigentlich. Der linke Fuß macht aber auch über eine Woche später noch Probleme, wenn ich ihn angreife fühlt es sich an, als bekäme ich einen elektrischen Schlag.

Zum Arzt bin ich wegen dem Fuß noch nicht gegangen, am Freitag möchte ich nach Caorle, mich ein paar Tage entspannen und das möchte ich ungern mit einem Gips machen!
neun Leben!

Offline Lemonhead1978

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2009-07-11 24h Wörschach Benefizlauf - katzie
« Antwort #2 am: 22.07.2009, 07:56:37 »
Vielen Dank für den ausführlichen und ziemlich großartigen Bericht. Und herzliche Gratulation für die ich-habe-keine-Worte-dafür Leistung! Wahnsinn!!

Offline JM

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2009-07-11 24h Wörschach Benefizlauf - katzie
« Antwort #3 am: 22.07.2009, 08:07:23 »
Wahnsinns Bericht !!
Unglaublich wie stark du gekämpft hast. Das trotz all der schmerzhaften Erlebnisse. Einer von den run42195-lern  die du begrüßt hast war ich. Man hat dir die Verwirrung angesehen :D
Bei deiner Pulsstatistik passt der Satz "traue keiner Statistik die du nicht selber gefälscht  hast" sogut wie nie zuvor. Habe sehr lachen müssen beim lesen dieser Passage, hatte dabei mindestens 165,3 Pulsschläge :D
Die und deinem Fuß noch gute Besserung, vernünftig wäre es schon vor Carole zum Arzt zu gehen. Aber in Wirklichkeit würde ich es wohl auch so wie du machen ....
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Offline boenald

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2009-07-11 24h Wörschach Benefizlauf - katzie
« Antwort #4 am: 22.07.2009, 09:34:36 »
ja, eh wärs klug, den fuß ärztlich untersuchen zu lassen, aber das meer und der strand heilen viele wunden, lass es dir also gut gehen in caorle, hast dir redlich verdient ;). ist im übrigen bemerkenswert, wieviele literarische talente in wörschach teilgenommen haben - ganz toller text! und überhaupt: ein wahnsinns-super ergebnis, gratuliere!
Paragraph eins: jedem sein´s.

Offline cbendl

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2009-07-11 24h Wörschach Benefizlauf - katzie
« Antwort #5 am: 22.07.2009, 14:07:37 »
Ein großartiger Bericht!
Ich bewundre alle Teilnehmer - Staffel- wie Einzelläufer, alle haben Großartiges Geleistet.
Dein Bericht ist aber fast der Einzige, der auch Lust macht, sich so etwas auch selbst anzutun.
Toll, dass du dir die Begeisterung bei all der Quälerei bewahren konntest und dass diese mit einem wirklichen Erfolg belohnt wurden!
Deinem Fuß wünsche alles Gute, er wird schon hoffentlich nur gequetscht sein und den Urlaub auch genießen.
hippocampus abdominalis

Offline R.Roland

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2009-07-11 24h Wörschach Benefizlauf - katzie
« Antwort #6 am: 22.07.2009, 14:40:19 »
sehr schöner Bericht! ... bekommst du für die ganzen erwähnten Markenprodukte Vergünstigung? ;) :D

meine Lieblingstelle ist das mit der Pulsuhr und der Statistik, zum Zerkugeln!

Das mit dem Megastaffelläufer ist ärgerlich und echt das Letzte! Auch als 4er-Staffel hat man so manchen erlebt die schon extrem eng überholt haben ... der Großteil war jedoch fair im Verhalten.

noch was: ich glaube es sollten 163,1 Kilometer sein - ein kleiner aber wesentlicher Tippfehler.
 
        o O ( Auch wer stolpert kommt einen Schritt weiter )                                 >((0)
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Offline heitzko

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2009-07-11 24h Wörschach Benefizlauf - katzie
« Antwort #7 am: 22.07.2009, 19:48:38 »
ich war schon sprachlos als ich das resultat gelesen habe und bin es immer noch! der bericht liest sich irgendwie wie die berichterstattung eines echten laufwunders!!! wie schaut die pulsuhr statistik aus ;):)?

Offline running1951

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2009-07-11 24h Wörschach Benefizlauf - katzie
« Antwort #8 am: 24.07.2009, 10:19:33 »
Ein ganz starker Lauf und ein toller Bericht! Gratuliere!
Gratulation auch an den Herrn Papa. Macht seine Sache schon sehr gut.
Weiter viel Erfolg & gute Erholung in Caorle.
Läufer lachen, leben, lieben länger

Offline shiloh

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2009-07-11 24h Wörschach Benefizlauf - katzie
« Antwort #9 am: 25.07.2009, 13:38:57 »
schon oag, 2006 erster HM und dann gleiche Leistung wie ich alter Weltkriegsläufer :)
da hat`s einige gegeben, die trotz mehrstündiger Schlafpause nur unwesentlich kürzer gelaufen sind als ich ohne längeren Boxenstop - ich würd`s aber wieder so machen, nur mehr trainieren vorher...
bzgl rücksichtslose Staffelläufer: auf der Urkunde steht ja was von "sportlich-fairem Verhalten", das mit dieser Urkunde anerkannt wird. Solchen unfairen "Sportskameraden" sollte man die Urkunde streichen oder zumindest eine öffentliche Rüge erteilen. Als Mitglied e. 4er-Staffel vor Jahren habe ich versucht, besonders auf die Einzelstarter Rücksicht zu nehmen.
Jedenfalls eine lässige & kurzweilige Story von Dir. In Köln gab`s einen 48h-Lauf, wär` vielleicht was - Talent scheinst du ja zu haben, have fun in Caorle.
It`s good to have an end to journey toward, but it`s the journey that matters, in the end. (Ernest Hemingway)

Offline Richy

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2009-07-11 24h Wörschach Benefizlauf - katzie
« Antwort #10 am: 28.07.2009, 00:39:03 »
Habe mir die Dameneinlaufliste angesehen. Die beste Läuferin mit in etwa deinem Alter ist um 50 km weniger gelaufen. Unfassbare Leistung - verneige mich in Ehrfurcht davor.
Eine ganz zähe Katzie ;)
Hoffentlich sind deine Verletzungen auch ohne ärztliches Zutun im Urlaub abgeklungen.
 

Offline katzie

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2009-07-11 24h Wörschach Benefizlauf - katzie
« Antwort #11 am: 04.08.2009, 09:56:11 »
Danke für das viele positive Feedback! *in die Runde wink*

Gestern war ich übrigens (endlich) beim Doktor: Im linken Fuß sind ein paar Nerven bei dem Vorfall kaputtgegangen, bzw. schwer beleidigt. Durch die fehlende Schonung hat sich ein Teil davon entzündet, laut Doc hab ich noch mindestens 2 Monate was davon! Sehr schön, der nächste 6-Stundenlauf ist eh erst in zwei 1/2 Wochen *grr*.
neun Leben!

 

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