Autor Thema: 2014-04-06 Borealis Linz Marathon - Selbstläufer  (Gelesen 1457 mal)

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2014-04-06 Borealis Linz Marathon - Selbstläufer
« am: 06.04.2014, 00:00:00 »
Datum: 2014-04-06
Event: Borealis Linz Marathon
Distanz: 42.195 km

Ersteller: Selbstläufer

Offline Selbstläufer

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2014-04-06 Borealis Linz Marathon - Selbstläufer
« Antwort #1 am: 06.04.2014, 00:00:00 »
Weil ich es eben noch einmal wissen wollte

Und dann, 11 Wochen nach der Zielsetzung, ist er gekommen der Zielbewerb. Natürlich ist man da einmal froh, dass es endlich losgeht. Brav KH gefuttert in den Tagen davor und Literweise Mineralwasser hineingeschüttet, kein Kaffee und kein Alkohol mehr. Anreise tags zuvor mit der Bahn und ein letztes unterhaltsames Abendmahl mit Susu und Mister. Die letzten Stunden vor dem Start hab ich gut verbracht. Zeitig aufgewacht bringe ich in Ruhe  einige Yoga-Übungen am Morgen unter, um den Körper langsam vorzubereiten. Nach dem Frühstück breche ich schon 2 h vor dem Start auf und nutze das inferiore und am Marathontag natürlich sowieso zusätzlich schwächelnde Linzer Verkehrsnetz der Öffis dazu, langsam geschätzte 2 km über die gesperrte Autobahn zum Startgelände zu traben. Die restliche Wartezeit geht mit wiederholtem Dehnen, den üblichen Austritten und einem letzten Einlaufen gut über die Bühne. Das Aufwärmen, mir erfahrungsgemäß wegen der Anfälligkeit der Lunge extrem wichtig, kann ich so gut über die Zeit verteilen, ohne es komprimiert vor dem Start zu einer Belastung anwachsen lassen zu müssen und Hektik hat auch nie aufkommen müssen. Die Wetterprognosen haben von Schauern, eventuell sogar Gewittern tagsüber gesprochen – hier haben wir Starter wirklich Glück gehabt, dass uns all das erspart geblieben ist. Einzig windig war es auf Abschnitten zwischendurch, sodass ich mich bei Gelegenheit auch gern mal hinter Vorderleuten versteckt hab, aber das bisserl Wind ist nichts im Vergleich zu den eigenen Beschränkungen - durchschnittliche Hobbylauferei ist halt nur durchschnittliche Hobbylauferei.

Bundeshymne, Start. Den ersten Teil des Plans kann ich gut umsetzen. Den ersten km wollte ich aus pädagogischen Gründen in 04:15 setzen und das ist weitgehend – sagen wir in 04:12 oder so – auch gelungen. Für danach hatte ich vorgesehen bis km 15 in 04:10 weiterzumachen. An diesem Punkt war eine kurze Introspektion vorgesehen – wie geht´s Oida? – um bei guter Verfassung für die nächsten 15 km auf 04:05 anzuziehen. Danach wieder Innenschau, um in guter Verfassung in 04:07 den Rest hinter mich zu bringen oder bei Plan B auf 04:15 zu reduzieren. Soweit alle graue Planungstheorie. In anderen Worten Hauptziel natürlich sub 03 (=04:15) und wirklich wirklich schön wären 04:07 (=eine 02:53er Zeit). Aber Fasching ist halt schon vorbei…

Einige Meter vor mir ist der sub3-acemaker gestartet, um den sich eine ziemlich große Traube versammelt. Bei km 3 komme ich von hinten ran und überhole den Haufen. Ich fühl mich gut, der Puls ist bei den 04:10 schön unten und ich zieh in dem Plantempo weiter. Bei km 10 beginne ich die Sehnen hinter und seitlich meines rechten Knies zu spüren und innerlich zieht es sich bei mir zusammen. Diese Schmerzen sind erstmals vor 1 Woche aufgetreten. Nach einer Tempoeinheit musste ich schließlich das Auslaufen abbrechen und mit dem Bus heimfahren weil ich nur mehr humpeln konnte. In den nachfolgenden Tagen hat sich diese neue Baustelle immer nach schnellen bei den langsamen Phasen aufgetan, nicht mehr so stark  - daheim Massage, Massage, Massage – aber halt doch. Bei km 10 geht´s also los und dauert bis km 13. Ich halte die 04:10, fürchte aber das Ganze demnächst abbrechen zu müssen. Beim Laufen achte ich natürlich auf einen schönen runden Schritt und dass das Knie seitlich gesehen stabil geführt wird. Weshalb und wieso auch immer, nach km 13 war wieder Ruhe.

Versorgungstechnisch hab ich den Geleinsatz an bzw. kurz vor Labestellen vorgesehen und mit deren Verteilung hatte ich 4 x Gel geplant: km 14,5 – 22,5 (Gel + Salztablette)– 27 oder 31,5 – 37,5. Damit komme ich nun nach der Absage des Kniemalheurs eine Phase in der ich auf einiges=sehr viel zu achten habe. Bei km 14 das Gel rausnehmen aus meinem kleinen Beutel um den Bauch, vor der Labe auszutzeln, dort trinken, bei km 15 die Durchgangszeit prüfen, schauen wie es geht und das Tempo anheben. Durchgangszeiten hab ich 2 am Unterarm notiert: km 15 und km 30 (selbstredend nur mit der Zeit der angenommenen Beschleunigung auf 04:05). Die Versorgung bringe ich zusammen, auf die Durchgangszeit vergess ich, dafür befinde ich mich steigerungstauglich und erhöhe das Tempo. Dank der Langen mit EB im Training warte ich schon mit etwas Sehnsucht auf den Zeitpunkt des forcierteren Schritts. Nachträglich gesehen folgen einige km mit de facto gleichgebliebenem Tempo, die sich am Rückweg der Schleife mit 04:01 wieder in etwa auf 04:05 ausgleichen. Wind und Hügelanstieg sind wahrscheinlich der Grund dafür.

Beim Durchlauf der Innenstadt vor dem Zielgelände das allerdings erst den HM-Teilnehmern offen steht passiere ich das erste Mal die fordernde Kombi von Pflasterstraße & Straßenbahnschienen. Zumindest kenne ich nun diese Passage die mir zum  Schluss noch einmal bevorstehen würde. Eine Beschilderung zur richtigen Abzweigung M/HM sehe ich keine und werde von einem Ordner im letzten Moment auf der falschen Strecke angeschrien. Aber alles gut gegangen, ebenso wie Gel Nr.2.

So ab km 28 – Gel Nr. 3 habe ich inzwischen auf km 31,5 gelegt - immer noch mit 04:01 unterwegs, beginnt es nun anstrengend zu werden. Seit km 15 kann ich nicht mehr sagen, dass es einfach locker ist, aber die Anstrengung ist zumindest locker geblieben. Das ändert sich jetzt – Schluss mit lustig - und, so komisch das klingen mag,  ich werde damit konfrontiert, dass ein Rennen WIRKLICH anstrengend ist, dass es eben ein WettKampf ist. Der Puls ist auch auf 90% geklettert. Erinnerungen an den Frühlingsmarathon letztes Jahr steigen auf, wo es mir auch bei 28 nicht mehr so gut gefallen hat. Ein Zustand der sich bis km 30 weiter gesteigert hat und ich schließlich aufgrund mangelnder Erfolgsaussichten bei km 31 mit Puls 92% und schon eingebrochenem Tempo aufgegeben habe. Und jetzt beginnt es sich wieder zu ziehen. Endlich km 30. Puls 92% bei anstrengender Konstante im Tempo. Wenigstens kann ich jetzt ein wenig Tempo rausnehmen. Vielleicht/maximal 1 Minute liege ich wohl hinter Plan und 04:07 möchte ich durchziehen. Ich lasse gefühlsmäßig ein wenig Tempo nach, der Puls sinkt beruhigender weise wieder auf passendere 90% zurück und die Uhr zeigt zu meiner Überraschung weiterhin konstante Geschwindigkeit. Dafür meldet sich das Knie wieder! Beginne ich schon etwas zu humpeln? Nein, doch nicht. Vielleicht 1 km lang muckt das Knie auf, dann ist es wieder vorbei. Erinnerungen an den Bayern von La Gomera, den 1000prozentigen, tauchen auf. Der hätte deswegen nie aufgehört.

Die ganze Anstrengung, die schlechten Erinnerungen an diese Phase im vergangenen Jahr, das Sch…Knie – am liebsten hätt ich den Hut drauf g´haut. Leider ist es der Zielbewerb, es hilft nix ausser weiterzumachen. Ich weinerlich Weichei, aber nicht nur ich, auch Schweinehund knickt ein, weinerliches Weichei der.

Inzwischen muss ich kämpfen. Ich ersehne den km 32 da mir dann ein 10km-Bewerb bleiben würde, am Gas bleiben und kämpfen. Das alles war mir inzwischen aber wohl sehr gut anzusehen, denn bei der Labe bei km 31,5 sagt einer der Becherhalter zu einem anderen als ich dort auftanke „dabei fängt es jetzt erst an“. Der hat mich abgeschrieben, das ist erschreckend klar. Und Recht hat er gehabt.

Jeder km eine Qual, die Strecke beginnt sich endlos zu ziehen. Interessanterweise hält das Tempo immer noch, auch wenn es sich anders anfühlt. Aber beim km 37 ist Schluss. Der Hammer hat zugeschlagen. Ich schlepp mich an den Straßenrand und pinkle die Fahnenstange mit der Markierung km 37 lange an. Ich schau den Läufern zu die inzwischen vorbeiziehen, dann geht´s weiter. 5 km noch = 1 mal PHA oneway plus 1 km. Irgendwie versuch ich nur mehr das Ziel zu erreichen und lebe ständig in der Angst von der früheren Riesentraube des Pulks um den sub3-Pacer überholt zu werden. 4.Gel entfällt irgendwie, vergess ich & brauch ich auch nicht mehr. Mittlerweile laviere ich schon abschnittsweise an den 05:00. Irgendwie weitermachen! 4 km, langsam wird´s übersichtlicher. Es zieht sich und bei aller Anstrengung fehlt mir der Wille 100% zu geben, ich bin schon bei gefühlten 90% am Ende der Fahnenstange angekommen. Erschöpftes runtereiern. Ich komm ins Ziel, wenn ich endlich die nächste km-Tafel sehen kann. Wo ist sie? Wieder nix, noch eine Gerade, dort! Da ist sie. Nur mehr 4,3,2,1 km! Alles, nur nicht jetzt die Deppen um den sub 03er-Pacer! Die Angst treibt mich, die letzten 2 km bringen auch wieder mehr Tempo. Ein Mal noch über das Pflaster, nicht bei den Schienen stolpern. Dann endlich, endlich das Ziel in Sicht und ein kleiner Sprint kommt instinktiv auch noch zustande, pro forma, der Haltung wegen. Ziellinie, Oida, geschafft! 02:58:04.

Später in der Hotelbar lerne ich einen dänischen Marathonkollegen kennen und wir feiern das Laufen, soweit ich Abstand zu meinem Eingehen finden kann, das sich an diesem Tag doch so in den Vordergrund meiner Erfahrung gedrängt hat. Und mich auf das Primärziel zu besinnen war schon wieder Kulturleistung, wie „schönes“ Essen mit Besteck statt den Burger in der Hand.
Heute, einen Tag später, bin ich zufrieden. Wenigstens hab ich es versucht, bis dann selbst irgendwie weiterzumachen beinahe an der Kategorie Leistung gekratzt hat. Und mittlerweile bin ich froh und schon ein wenig dankbar, das Ganze überhaupt absolviert haben zu dürfen. Beuschel, Knie oder sonst was hätten mir auch leicht einen Strich durch die Rechnung machen können. Und ein kleines Plus auf der haben-Seite ist es auch geworden.
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Auf die Sprünge kommen
Massage wie Intervalltraining für den Körper

Offline Wienerwaldläufer

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2014-04-06 Borealis Linz Marathon - Selbstläufer
« Antwort #2 am: 07.04.2014, 17:22:01 »
na passt eh ;-)
its always good at the end. If its not good, its not the end

Offline Wienerwaldläufer

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2014-04-06 Borealis Linz Marathon - Selbstläufer
« Antwort #3 am: 07.04.2014, 17:22:18 »
na passt eh ;-)
Gratuliere
its always good at the end. If its not good, its not the end

Offline Gantenbein

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2014-04-06 Borealis Linz Marathon - Selbstläufer
« Antwort #4 am: 07.04.2014, 17:28:35 »
Gänsehautbericht....herzliche Gratulation zu Bericht und Zeit !!!!
Füllkilometer können mir gestohlen bleiben !

Offline Josefstädter

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2014-04-06 Borealis Linz Marathon - Selbstläufer
« Antwort #5 am: 07.04.2014, 17:54:47 »
Danke, sehr motivierend. Sowas liest man gerne!
7.5.2024 Herzlauf Wien 9km       10.5.2024 48 Stunden Lauf Gols      18.5.2024 7. Herzogenburg Marathon      19.5.2024 8. Herzogenburg Marathon

Offline Conny

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2014-04-06 Borealis Linz Marathon - Selbstläufer
« Antwort #6 am: 07.04.2014, 18:10:46 »
Na wenn das kein würdiger erster Bericht des Jahres 2014 ist -
Herzlichen Glückwunsch!

Offline StefanM

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2014-04-06 Borealis Linz Marathon - Selbstläufer
« Antwort #7 am: 07.04.2014, 19:49:22 »
PB ist definitiv "Essen mit Besteck".
Sehr schöner Bericht, Gratulation!

Offline JM

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2014-04-06 Borealis Linz Marathon - Selbstläufer
« Antwort #8 am: 07.04.2014, 21:29:24 »
Danke für den tollen Bericht. War ja ganz schon spannend bei dir.
When your life flashes before your eyes, make sure you’ve got plenty to watch

Offline Diana11

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2014-04-06 Borealis Linz Marathon - Selbstläufer
« Antwort #9 am: 07.04.2014, 22:06:56 »
So ein genialer Bericht, danke dir!!! Trotz aller Plagerei macht er mir Riesen-Vorfreude auf meinen ersten Marathon, auch wenn sich wieder einmal bestätigt, dass es irgendwann, irgendwo echt beschissen wird.
(... aber Fasching ist halt schon vorbei ... *brüll*)
WETTKAMPFSCHWAMMERL
Shit happens! Mal bist du Taube, mal bist du Denkmal. (Dr. Eckhart von Hirschhausen)

Offline mister

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2014-04-06 Borealis Linz Marathon - Selbstläufer
« Antwort #10 am: 07.04.2014, 22:26:37 »
Tolle Leistung.
Und damit meine ich weniger die Endzeit, sondern den Weg dahin!

Offline Pizzipeter

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2014-04-06 Borealis Linz Marathon - Selbstläufer
« Antwort #11 am: 08.04.2014, 07:29:13 »
Ich stimme Dirk mit der Gänsehaut zu -  wuaaa - mich schüttelt es :-)
Umso größer der Respekt für deine Leistung!
Danke und Gratulation, Alex!
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Offline heitzko

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2014-04-06 Borealis Linz Marathon - Selbstläufer
« Antwort #12 am: 08.04.2014, 09:12:34 »
wow, du hast genial durchgebissen! vielen dank für den tollen bericht! (und überhaupt auch für all die spannenden einträge im blog :)). die fahnenstange bei km 38 wird dich sicher auch nie wieder vergessen :D.

Offline frank06

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2014-04-06 Borealis Linz Marathon - Selbstläufer
« Antwort #13 am: 08.04.2014, 10:29:30 »
toller Bericht vom Marathon und sensationelle
Zielzeit. GRATULIERE !!!!
Ich bin in Linz nach 30km komplett eingebrochen.
Als ich bei der Fahnenstange bei KM38 vorbeispaziert bin, war diese
schon lange wieder trocken ;-)


Offline susu

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2014-04-06 Borealis Linz Marathon - Selbstläufer
« Antwort #14 am: 08.04.2014, 10:59:43 »
Toller Bericht, tolle Leistung und nochmals Gratulation!

 

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