Autor Thema: 2008-04-27 VCM - boenald  (Gelesen 2434 mal)

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2008-04-27 VCM - boenald
« am: 27.04.2008, 00:00:00 »
Datum: 2008-04-27
Event: VCM
Distanz: 42.195 km

Ersteller: boenald

Offline boenald

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2008-04-27 VCM - boenald
« Antwort #1 am: 27.04.2008, 00:00:00 »
der bericht gehört da nicht her

Manche von euch sind in den letzten Tagen mit mir ein bisschen zum Handkuss gekommen. Keine Antworten auf pn´s, wortkarge bis unfreundliche Telefonate, Funkstille.

Es ist nicht anders gegangen.
An diesem Marathonwochenende VCM 08, bei dem ich leider in einem ganz anderen Rennen antreten musste, habe ich mich zwischendurch hingesetzt und zu schreiben begonnen. Ich könnte es auch für mich behalten. Hab ich mir sogar ernsthaft überlegt. Aber seit gestern abend weiß ich, dass es wahrscheinlich keinen besseren "Ort" dafür gibt, als diesen hier. Falls ich mich getäuscht haben sollte, tuts mir leid.

Letzte Warnung: der Bericht gehört hier nicht her. Keine Jubelmeldung vom VCM. Und doch...



Ich laufe.
Marathons mitunter.
Gerne rede ich über mein Hobby, manchmal schreibe ich auch etwas. „Laufbericht“ nennen wir komischen Freizeitathleten das.
Ich laufe. Zieltermin meines Trainings ist der Wien-Marathon. Ich bin, das merke ich seit rund einem Monat, gut in Form.
Falsch. Gleich noch mal: In der „Form meines bisherigen Lebens“ sollte es heißen, das klingt zwar grenzwertig deppert bis arrogant, ist aber nicht so ganz verkehrt.

Und doch ist in Wirklichkeit heute alles verkehrt. Dieser Bericht gehört hier überhaupt nicht her. Es darf ihn eigentlich nicht geben. Er ist nicht in Ordnung. Es ist zu viel falsch an ihm. Es geht hier nicht um MEIN Rennen. Und doch.

Als wir damals, Ende der Siebziger, Anfang der Achtziger durch den Wald gehüpft sind, haben wir das damals nicht angeberisch „Joggen“ oder überhaupt bekoffert „Running“ genannt. Wenn wir, in Ruderleiberl und Turnschuhen, unterwegs waren, so hieß das ganz unpeinlich „Dauerlauf“.
Und wenn wir unterwegs waren, dann hieß das immer auch „Schau ma mal, obs dich in einer halben Stunde noch so freut.“.
Oder „Renn ma da auch noch rauf?“
 Oder „Wenn wir jetzt schon umdrehen, ist der Kuchen, den die Mama gebacken hat, noch heiß, wenn wir zurückkommen.“
Oder, oder oder. Wir haben das eine Zeit lang gemacht. Gemeinsam und allein. Und dann wieder bleiben gelassen, um uns neuen Beschäftigungen zuzuwenden.
Als ich dann, Jahre später, meine Frau kennengelernt habe, ist es ihr allerdings ganz leicht gefallen, die alte Begeisterung fürs Laufen neu zu entfachen.

Wir haben einiges gemeinsam: den fast schon kindisch spielerischen Zugang zu Dingen, die man auch tierisch ernst betreiben könnte. Oder die Ungezwungenheit, einen gefassten Plan im Fall des Falles noch mal umzuschmeißen und zu improvisieren. Aber auch die Bereitschaft, uns für Dinge, die für uns oder andere wichtig sind, ins Zeug zu schmeißen und anzustrengen. Legendär und für Außenstehende wahrscheinlich komplett unverständlich, die ungebremste Leidenschaft, uns gegenseitig gnadenlos auf die Schaufel zu nehmen. Klar haben wir auch ein paar nicht ganz so sympathische Gemeinsamkeiten. Aber die  bleiben unser kleines Geheimnis. Versprochen.

Gemeinsam ist uns auch die eigenwillige Form unserer Nasen. Oder Augenbrauen, die – wenn man sie nicht zähmt – wild durcheinander wachsen.

Auf seiner Nase klebt ein Pflaster. Seine Augenbrauen sind gestutzt.

Trainiert in dem Sinn hat er nie. Trotzdem ist er, als er ungefähr in meinem jetzigen Alter war, eine mörderisch steile Runde durch den Wienerwald in einer Zeit gerannt, bei der mir heute (und ich bin, hab ich schon gesagt, für meine Begriffe super in Schuss) schlicht und einfach die Luft wegbleibt. Angegeben hat er nie damit. Ist nicht so seine Art.

So eine steile Runde legt er gerade wieder hin. Gleichmäßig hebt und senkt sich der Brustkorb, ein paar kleine Schweißperlen stehen auf seiner Stirn, sonst sieht man ihm die Anstrengung gar nicht an.
Nur mir macht es Schwierigkeiten, hier mitzuhalten. Der „Hammer“, der im Marathon angeblich so rund um km 30 lauert und den ich noch nie zuvor ernsthaft kennen gelernt habe, begleitet mich diesmal von Beginn an. Es schmerzt, es tut weh, schreien könnte ich, dann ebbt es für eine Weile ab, um unerwartet wieder zu kommen. Bei ihm schaut das so locker aus. Ich bewundere ihn. Er rennt das Rennen seines Lebens.

Auf seiner Nase klebt seit gestern ein Pflaster. Seine Augenbrauen sind gestutzt. Unter dem Pflaster kommt ein kleines Schläuchlein zum Vorschein, damit wird die Sauerstoffsättigung des Blutes aufgezeichnet. Über die Nase deshalb, weils zuvor am Finger nicht hingehaut hat.

Das Hinhauen ist seine Sache so gar nicht. Streiten bis weit über die Zimmerlautstärke hinaus, das kann man haben, aber es endet mit einem Augenzwinkern. Draufschlagen tut er nicht, weder verbal noch wirklich. Nicht auf seine Kinder und nicht auf sonst wen, egal, wie deppert, pubertär, politisch verblendet, etc. der in seinen Augen auch immer ist. – Ich weiß diesbezüglich ziemlich genau, wovon ich rede. In seiner Welt ist immer noch Platz für das ganz Andere. Der Andere war und ist für ihn immer ganz nah. Streng genommen hat ihm die Opposition, auch die gegen die eigene Haltung, immer schon mehr Spaß gemacht als das Mitsingen im Chor der Abnicker. Hat sicher was mit seinem persönlichem Schmäh und seinem Verständnis von Humor zu tun. So was ist jedenfalls selten bei einem ÖVPler. Deswegen hat es damals beim Parteitag in Linz ja auch nur so wenige Stimmen gegen eine Neubestellung Schüssels gegeben. Eine davon von ihm. Gebracht hats bekanntlich nix, aber ich habe ihn dafür umso mehr gelobt.

Und jetzt klebt da dieses Pflaster auf seiner Nase, und der Venflon steckt in seinem Unterarm. Und der Beatmungsschlauch in seinem Mund. Gleichmäßig hebt und senkt sich sein Brustkorb, er ist, gut unterwegs, ganz stabil. Ich bewundere ihn für den Frieden, den er dabei ausstrahlt, während ich wieder einmal mit dem Hammermann kämpfe. Die Wut und der Hass des Anfangs sind klein geworden, es ist nur mehr traurig.

Er ist bereits auf der Zielgeraden. Mein Papa wird es schaffen. Wir stehen neben der Strecke, halten uns an den Händen und sind bei ihm, bis er im Ziel ist. Wann immer das sein wird.
Mit eindeutiger persönlicher Bestleistung.

Und zwar ganz locker.

Paragraph eins: jedem sein´s.

Offline heitzko

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2008-04-27 VCM - boenald
« Antwort #2 am: 29.04.2008, 09:22:15 »
und einmal mehr bleibt mir die luft weg....

bernhard, er wird gewinnen, das ist gewiss! der bericht gehört hier her. einen richtigeren ort kann es nicht geben!

Offline crow

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2008-04-27 VCM - boenald
« Antwort #3 am: 29.04.2008, 09:55:43 »
Heidi und Du - ihr versteht es wirklich mit Worten umzugehen. Alles alles Gute auch von mir. Ich war entsetzt, als ich es in den Nachrichten gehört habe. LG Andy
LG Andy
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The impossible is often the untried.[/u]

Offline Kurt

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2008-04-27 VCM - boenald
« Antwort #4 am: 29.04.2008, 10:31:58 »
seit freitag den 18.4. liegt mein bester freund und arbeitskollege nach einen schweren arbeitsunfall mit schädelbasisbruch, gehirnblutungen auf der intensivstation,werde die bilder von schläuchen und dergleichen wohl nie wieder aus meinen schädel bekommen, mich hat es schwer getroffen wie ich das von deinen vater gehört habe!!
BERNHARD!! kopfhoch, sie werden es beide schaffen, denn sie haben schon so viel geschafft!!
wenn mir nichts mehr weh tut, bin ich sicher tod

Offline pipel

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2008-04-27 VCM - boenald
« Antwort #5 am: 29.04.2008, 10:39:16 »
Ich wünsch deinem Papa alles Gute und euch viel Kraft und Zuversicht. Dein Bericht hat mich sehr berührt.
Stop the world — I wanna get on!
(Leo Bloom in "The Producers")

Offline elisabeth

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2008-04-27 VCM - boenald
« Antwort #6 am: 29.04.2008, 10:43:45 »
Auch ich wünsche dir und deiner Familie viel Kraft.

Offline R.Roland

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2008-04-27 VCM - boenald
« Antwort #7 am: 29.04.2008, 10:44:53 »
Gute und schnelle Besserung an Deinen Vater! Dir wünsche ich viel Kraft!

(Bei mir ist es mein Schwager, der nach einer schweren Hirnblutung und Schädelöffnung zum Glück wieder auf den Weg zurück ist.)
 
        o O ( Auch wer stolpert kommt einen Schritt weiter )                                 >((0)
              " Jay Dee rules !                            vdot "

Offline Richy

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2008-04-27 VCM - boenald
« Antwort #8 am: 29.04.2008, 11:15:43 »
Ohmächtig nimmt man die Dinge auf, ist entsetzt und hofft, dass es den eigenen Dunstkreis nie treffen möge.
Und doch befürchtet man, es könnte diesmal jemand sein, den man entfernt kennt ..
 
Du schreibst: Die Wut und der Hass des Anfangs sind klein geworden, es ist nur mehr traurig.
Ich drücke Euch die Daumen für einen Paarlauf aus dieser Geschichte heraus und einen Ersatzlauf für Dich mit deinem Vater an der Strecke.

Offline Tschitschi

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2008-04-27 VCM - boenald
« Antwort #9 am: 29.04.2008, 13:14:30 »
Wier ich den Namen im Fernsehen gehört habe, hab ich mir gedacht...wird doch nicht vom Bernhard wer?, und dann ...nein sicher nicht!
...also doch, wünsch euch das Beste und viel Kraft!

"man muss wissen bis wohin man zu weit gehen kann" jean Cocteau

Offline chribi

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2008-04-27 VCM - boenald
« Antwort #10 am: 29.04.2008, 14:30:30 »
dir und deiner familie alles gute und viel kraft in der nächsten zeit. ich halte dir und euch alle zur verfügung stehenden daumen

Offline helga

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2008-04-27 VCM - boenald
« Antwort #11 am: 29.04.2008, 14:45:24 »
Lieber Bernhard, ich finde für das was eurer Familie passiert ist keine Worte, auch ich wünsche deinem Vater alles Gute und baldige Besserung und viel viel Kraft
 
Der Weg, auf dem Sie Ihre Ziele erreichen, ist genauso individuell, wie Sie selbst. (Klaus Weiland)

Offline mister

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2008-04-27 VCM - boenald
« Antwort #12 am: 29.04.2008, 15:18:36 »
Wenn er in seinem bisherigen Leben so stark und aktiv war, dann wird er sich jetzt auch auflehnen und kämpfen.

Mir gehts wie Tschitschi. Wie ich den Namen gehört habe, war im Hinterkopf, der kommt mir bekannt vor. Und dann habe ich von Ulrich erfahren, welchen Zusammenhang es gibt.

Auch von mir alles Gute!

Offline GerhardL

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2008-04-27 VCM - boenald
« Antwort #13 am: 29.04.2008, 15:48:10 »
...da ich nicht soviel "Nahblick" im Forum habe, erahne ich jetzt erst, was ich aus den Medien erfahren habe. Alles Gute, Bernhard, viel Kraft und Zuversicht - er schafft es!
Gerhard

Offline Gerd Gröbminger

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2008-04-27 VCM - boenald
« Antwort #14 am: 29.04.2008, 20:32:16 »
Unglaublich wie sich Perspektiven ändern können und aus einer Nachricht durch (wenn auch nur indirekten) persönlichen Bezug tiefe Betroffenheit wird.
Ich wünsch Dir und Deinem Papa alles Gute.
Freu mich auf 2 Monate Lauftraining ohne Zwangspausen :-(

 

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